Ungefähr 2000 Euro, so viel wird Elisabeth Fresen die schrittweise Abschaffung der Subventionen für Agrardiesel am Ende pro Jahr wahrscheinlich kosten. 2000 Euro weniger in der Kasse, das merkt die junge Landwirtin. Zur Orientierung: Eine hauptamtliche Arbeitskraft auf einem durchschnittlichen deutschen Bauernhof muss für 2000 Euro einen halben Monat lang arbeiten. Das schreibt das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft.
Fresen muss gut kalkulieren. Trotzdem ist sie vor Weihnachten und auch am Montag in Bremen nicht auf die Straße gegangen, um zu demonstrieren. Tausende Berufskollegen von ihr tun das gerade. „Zu viel ist zu viel“ lautet das Motto der Proteste, die sich an die Regierung richten. Zu viel ist zu viel, das findet auch Fresen, aber sie sagt: „Ich hätte ein größeres Ziel gebraucht als die Beibehaltung des Agrardiesels. Ich hätte andere Forderungen gestellt.“
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Elisabeth Fresen führt im Verdener Stadtteil Eitze einen ökologischen Mutterkuhbetrieb mit 100 Tieren und bewirtschaftet rund 150 Hektar Acker- und Weideland. Ihre Limousin- und Angus-Rinder grasen am Ufer der Aller. Das Fleisch der Tiere verkauft sie in ihrem Hofladen. Ende der 1990er-Jahre hatte ihr Vater den Betrieb auf Bio umgestellt, Anfang 2020 hat sie ihn übernommen.
Schon zu der Zeit war die Lage in der Landwirtschaft angespannt. Die Anzahl der Bauernhöfe hatte den nächsten Tiefstand erreicht, das durchschnittliche Einkommen war wieder einmal gesunken. Das hat Fresen aber nicht davon abgehalten, Landwirtin zu werden. „Weil dieser Hof großes Potenzial hat“, wie sie dem WESER-KURIER zu der Zeit einmal sagte.
Die ursprünglichen Kürzungspläne der Ampelkoalition haben die demonstrierenden Bauern in den vergangenen Wochen mehrfach als den Tropfen bezeichnet, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe. „Das kann ich absolut nachvollziehen, ich habe die gleichen Sorgen“, sagt Fresen, „aber ich würde lieber weniger über den Tropfen reden, sondern stattdessen über das Fass und was genau das Fass so vollgemacht hat.“
Denn auch bei ihr hat sich einiges angestaut. Beispiel Bürokratie: Fresen stellt eine regelrechte Dokumentationswut in Deutschland fest. „Ich habe keine Angst vor Papier, ich bin eine ordnungsliebende Person“, sagt sie, „aber ein Tag Arbeit draußen bedeutet inzwischen einen zweiten Tag Dokumentation. Das ist mir zu viel. Ich glaube, dass dem Naturschutz mehr geholfen wäre, wenn ich mehr Zeit außerhalb meines Büros verbringen könnte.“
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Anderes Beispiel. „Nehmen wir ruhig den Agrardiesel“, sagt sie, „ich finde es falsch, ihn als klimaschädliche Subvention zu bezeichnen. Wenn wir die 21 Cent pro Liter demnächst nicht mehr zurückbekommen sollten, heißt das ja nicht, dass wir deshalb in Zukunft weniger fahren werden. Wir können uns das ja nicht aussuchen. Wir müssen auf die Felder.“
Dass Fresen bisher nicht auf die Straße gegangen ist, heißt nicht, dass sie sich nicht engagiert. Im Gegenteil: Die 33-Jährige ist Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Landwirtschaft umwelt- und sozialverträglich umzubauen. Umwelt- und sozialverträglich bedeutet für Fresen und ihre Mitstreiter: Faire Erzeugerpreise für ihre Produkte, ein artgerechtes Leben für die Tiere und einen schonenden Umgang mit den Ressourcen.
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Das Problem: Mehr Hecken und Gehölze, mehr Moorschutz und mehr Tierwohl, weniger Pestizide und weniger Dünger, die Umsetzung von EU-Naturschutzrichtlinien und der Ausbau des Ökolandbaus sind nicht für umsonst zu haben. Das kostet Geld. Viel Geld. Milliarden. Allein die Bauern und die Verbraucher, die zum Beispiel höhere Preise für Lebensmittel zahlen müssten, können dieses Paket unmöglich stemmen. „Also ist die Politik gefordert, wenn es diese gesellschaftlich formulierten Ziele gibt“, sagt sie.
Fresen ist nahe dran an der großen Politik. Sie gehört zur Zukunftskommission Landwirtschaft. Dieses Gremium soll das Bundeslandwirtschaftsministerium beraten und hat schon vor mehr als zwei Jahren unter der damaligen Ministerin Julia Klöckner (CDU) genau dargelegt, wie ein Umbau der Landwirtschaft ablaufen müsste, und was er kosten würde: nämlich zwischen fünf und acht Milliarden Euro pro Jahr. „Das Schlimme ist, dass unser Abschlussbericht bis heute in der Schublade verschwunden ist“, sagt Fresen. Das Gleiche gilt für den Bericht der sogenannten Borchert-Kommission, die ein im Grunde fertiges Konzept für mehr Tierwohl ausgearbeitet hat.
Weil sich die Politik in diesen Fragen partout nicht rührt, wird Fresen demnächst doch noch auf die Straße gehen. Am 19. Januar beginnt in Berlin die Grüne Woche. Weit über 1000 Aussteller und mehr als 300.000 Besucher machen sie jedes Jahr zu einer der größten internationalen Messen. Diese Bühne will das Bündnis „Wir haben es satt“ am 20. Januar für eine Demonstration nutzen. Zu den Organisatoren gehören neben der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft unter anderem Greenpeace, Misereor, Nabu oder Brot für die Welt. „Dieses bunte Bündnis“, sagt Fresen, „passt perfekt zu mir und meinen Zielen.“