Die Bebauung der „Hafenkante“ in der Überseestadt wächst und wächst. Stück für Stück füllen sich die Planquadrate in Richtung des historischen Molenturms. Gerade stellten zwei Bremer Bauherren ihre nächsten Projekte vor – Investitionsvolumina geschätzte je rund 40 Millionen Euro. Auf zwei benachbarten Baufeldern sollen insgesamt mehr als 250 neue Wohneinheiten Platz finden, darunter auch viele Mietwohnungen. Der Beirat Walle begrüßte dabei vor allem, dass es erste sichtbare Alternativen zur konsequent geradlinigen Bebauung in der Überseestadt gibt, und wünscht sich mehr davon. Die Fraktion der Linken enthielt sich der Zustimmung, weil sie in den Neubauvorhaben den sozialen Wohnungsbau vermisst. Der nimmt allerdings gerade an der Marcuskaje reale Formen an.
Dort feiert die Justus Grosse Projektentwicklung nämlich übermorgen Richtfest für den Neubau von 250 öffentlich geförderten Mietwohnungen, die pünktlich und plangemäß bis Dezember dieses Jahres fertiggestellt werden sollen: Ein Mammutprojekt, das sich das Bremer Familienunternehmen entgegen vieler Unkenrufe aus der eigenen Branche zugetraut hatte, wie Geschäftsführer Clemens Paul erzählte. Günstigen Wohnraum in der Überseestadt zu schaffen: „Viele haben gedacht, dass das gar nicht geht“, so Paul. „Wir haben gezeigt: Es geht doch.“ Dafür gab es auch ausdrücklich Lob von Jürgen Pohlmann, der sich als Waller und als baupolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion ins Publikum der Beiratssitzung gemischt hatte.
Nun plant das Unternehmen Justus Grosse etwas Neues auf dem so genannten „Baufeld 5“ an der Hafenkante. Hier sollen bis Ende 2016 fünf Häuser entstehen, in denen 137 Wohnungen sowie insgesamt 500 Quadratmeter für Gewerbe Platz finden. „Mediterrane Modernität“ lautet das Motto der Weserhäuser, die nach den Entwürfen des Hamburger Planungsbüros pfp gebaut werden. Die Hamburger hatten einen der beiden ersten Preise des zuvor ausgerufenen Architektenwettbewerbs gewonnen und den Zuschlag für ihre Ideen bekommen. Sie planen eine Bebauung mit viel Licht, Helligkeit und Grün, erklärte Architekt Detlef Junkers. Er präsentierte Visualisierungen der Vollsteinfassade in hellbeigen Klinkern, aufgelockert durch große Fensterflächen, Terrassen und Loggien. Im begrünten Innenhof soll es nach ausdrücklichem Wunsch der Bauherren auch eine Bepflanzung mit hohen Bäumen geben. Die Wohnungen selbst sollen „offen, schick und modern“ gestaltet werden. Er habe „fast Lust, selbst einzuziehen“, schwärmte der Hamburger Architekt.
Der bewegte Block
Mit einem vielfältigen Angebot an zwei, drei oder vier Zimmerwohnungen und Wohnflächen ab knapp 50 Quadratmetern trage man der Nachfrage an Raum für unterschiedliche Bedürfnisse Rechnung, erklärte Clemens Paul. Ein Teil der Wohneinheiten soll verkauft werden. Es werde aber auch eine „Mehrzahl an Mietwohnungen“ geben, deren Quadratmeterpreise bei in der Überseestadt moderaten 9 Euro beginnen sollen.
Direkt daneben tritt ein Unternehmen als Bauträger an, das in Bremen vor allem als Vermieter bekannt ist: Die Brebau bewirtschaftet in der Stadt rund 6000 Wohnungen, erklärte Prokurist Heinz Riering. Auch für das „Baufeld 4“ hatte es im Vorfeld einen Architektenwettbewerb gegeben. Den Zuschlag hatte der laut Riering unkonventionellste Entwurf bekommen: Das Architektenbüro Spengler Wiescholek – ebenfalls aus Hamburg – nannte seine Planung „Der bewegte Block“. In der Außenansicht fällt das Ensemble aus vier Baukörpern durch geschwungene, abgerundete Linien aus dem Rahmen, in Inneren durch asymmetrische Bauformen und eine Aufteilung, die die große grüne Innenfläche in kleinteiligere Plätze bricht. „Eine poetische, schwingende Ausarbeitung“, erklärte Architektin Ingrid Spengler.
Die Erdgeschosswohnungen werden Gartenzugang haben, die übrigen bekommen Loggien und Balkons auch auf der Straßenseite, die Dächer sollen zugänglich sein. Geplant sind 124 Wohnungen in einer Bandbreite von zwei bis vier Zimmern und Größen von 50 bis 110 Quadratmetern, sowie zwei gewerbliche Einheiten.
Der Baubeginn werde Anfang des kommenden Jahres erfolgen, so Riering. Die Brebau werde die Wohnungen verkaufen, möglicherweise aber auch einen Teil im eigenen Bestand zur Vermietung behalten.
Vor allem dieser zweite Entwurf gefiel den Wallern gut: Endlich einmal nicht wieder „quadratisch, praktisch, gut“, lobte Beiratsmitglied Franz Roskosch (CDU). Mehr Mut zu außergewöhnlicheren Bauformen wünschte sich auch Cecilie Eckler-von Gleich (Grüne), die sich zum Beispiel in Sichtweite des Molenturms ein Hochhaus mit runder Fassade vorstellen könnte. Clemens Paul erinnerte daran, dass die konsequent geradlinige Bebauung ursprünglich genau das war, was sich die Stadt für die Überseestadt vorstellte. Ein früherer Senatsbaudirektor habe einst die Losung ausgesprochen, die Überseestadt müsse – so wörtlich – „wie mit dem Laserstrahl“ geplant werden. Mittlerweile habe die Stadtplanung sich aber weiterentwickelt und lasse „mehr Mut zu anderer Architektur“ zu.
Das Unternehmen Justus Grosse ist seit mittlerweile einer ganzen Dekade aktiv mittendrin in der Entstehung der Überseestadt: Vor genau zehn Jahren wurde der Bauantrag für die Sanierung des Speicher 1 gestellt, berichtete Clemens Paul.
Zur Erinnerung: Gelegenheit, sich selbst ein Bild davon zu machen, wie sehr sich die Überseestadt in den vergangenen Jahren verändert hat, gibt es zurzeit im Infocenter Überseestadt des Speicher XI. Die aktuelle Ausstellung „Neue Wege in alten Revieren“ kann dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr besucht werden, der Eintritt ist frei.