Der Ausbau von Polizei und städtischem Ordnungsdienst ist für Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) gesetzt, auch wenn dieses Vorhaben nicht auf der Prioritätenliste des rot-grün-roten Koalitionsvertrages auftaucht. Das hat Bovenschulte im Interview mit dem WESER-KURIER klargestellt. Der neue Senatspräsident kündigt darin einen bürgernahen, pragmatischen Führungsstil an und nimmt auch Stellung zu den aktuellen Entwicklungen in der Bundes-SPD.
Der Bürgermeister macht in dem Gespräch keinen Hehl daraus, dass sich die vielen ausgabenträchtigen Projekte, die SPD, Grüne und Linke im Koalitionsvertrag festgeschrieben haben, nicht alle auf Anhieb realisieren lassen. Das werde schon im kommenden Herbst deutlich werden, wenn sich die Fachleute im Finanzressort des Senats und die parlamentarischen Haushälter von Rot-Grün-Rot daran machen, einen Doppelhaushalt für die Jahre 2020/21 vorzubereiten. „Sicher wird es zu einer gewissen Frustration kommen“, ahnt Bovenschulte. „Ich habe noch keine Haushaltsberatungen erlebt, bei denen sämtliche Wünsche mit den vorhandenen Mitteln abgedeckt werden konnten.“
Breiten Raum nimmt in dem Interview die Bildungspolitik ein, die auch im Bürgerschaftswahlkampf das dominierende Thema war. Mit dem Abschneiden Bremens bei Bildungsvergleichen auf nationaler Ebene könne man nicht zufrieden sein. Als größte Herausforderung betrachtet es Bovenschulte, leistungsschwächeren Schülern, die häufig aus bildungsfernen Familien stammen, „die für eine Berufstätigkeit erforderlichen Fähigkeiten zu vermitteln“. Um diesem Ziel näher zu kommen, müsse Bremen mehr investieren, die Unterrichtsqualität verbessern und „in jenen Stadtteilen, in denen die Probleme besonders groß sind, überproportional Ressourcen bereitstellen“. Das sei „der richtige Weg. Den müssen wir weitergehen, auch wenn die Erfolge noch gering sind“, ist Bovenschulte überzeugt.
Ganz nah an den Problemen der Menschen in Weyhe
Der 54-Jährige äußert sich auch zu seinem Amtsverständnis. In den vergangenen zwölf Jahren hatte der promovierte Jurist in der Weyher Gemeindeverwaltung gearbeitet, zunächst als stellvertretender Bürgermeister, dann als Chef. „Das heißt: Ich war ganz nah an den Problemen, die die Menschen umtreiben“, nimmt Bovenschulte für sich in Anspruch. Die ganze Bandbreite kommunaler Themen wie Kita- und Schulbau, Verkehr und Lärmschutz habe seinen Arbeitsalltag geprägt. Das habe ihn eine pragmatische Herangehensweise gelehrt, die er sich in seiner neuen Rolle als Regierungschef eines – wenn auch kleinen – Bundeslandes bewahren will.
Seine Präferenz für ein Regierungsbündnis mit klar linkem Profil und Programm steht für ihn dazu nicht im Widerspruch. Die rot-grün-rote Koalition in Bremen erhebe den Anspruch, „Politik für die große Mehrheit der Gesellschaft“ zu machen. „Wir glauben: Die Mehrheit der Menschen möchte eine Verbesserung bei Bildung haben, bezahlbaren Wohnraum, einen weiteren Rückgang der Arbeitslosenzahlen und eine sichere und saubere Stadt“, sagt Bovenschulte. Als beispielgebend für die Bundespolitik will der Bürgermeister sein Bündnis freilich nicht – oder genauer: noch nicht – anpreisen. Denn „erst mal müssen wir etwas leisten. Dann kann man hinterher vielleicht Vorbild sein“.
Die aktuelle Entwicklung in der Bundes-SPD lässt Bovenschulte Hoffnung schöpfen. Am Freitag hatte mit Finanzminister Olaf Scholz ein erstes Schwergewicht seine Kandidatur für den vakanten Parteivorsitz erklärt, nachdem zuvor nur Akteure aus der zweiten Reihe eine Bewerbung abgegeben hatten. Aus Bovenschultes Sicht ist der frühere Hamburger Bürgermeister „ein geeigneter Kandidat“. Nicht mehr und nicht weniger. Eine persönliche Präferenz für Scholz äußert Bovenschulte nicht. Er lobt vielmehr, dass sich das Bewerberfeld in den vergangenen Tagen zusehends verbreitert hat, unter anderem durch die Bewerbung des niedersächsischen Innenministers Boris Pistorius sowie der Parteilinken Ralf Stegner und Gesine Schwan. „Wir werden deshalb eine richtige Auswahl beim bevorstehenden Mitgliederentscheid haben, und das begrüße ich sehr“, sagt Bovenschulte.