Homeschooling, Homeoffice und auch private Treffen per Videokonferenz, dazu vermehrtes Online-Shopping und zur Zerstreuung die neuesten Filme der diversen Streaminganbieter: Die Corona-Pandemie hat der Digitalisierung im Alltag einen Schub verpasst – und den Netzanbietern eine messbar höhere Auslastung beschert. Insbesondere beim ersten Lockdown im Frühjahr vorigen Jahres mussten die meisten Anbieter digitaler Dienstleistungen sowie die Netzbetreiber aus dem Stand einen stark gestiegenen Datenverkehr abwickeln.
Beispiel Homeschooling: Die Betreiber der auch in Bremen verwendeten Lernplattform Itslearning – ein zum finnischen Sanoma-Konzern gehörendes Unternehmen – sprechen von einer dreimal so hohen Nutzung ihrer Lernplattform, wie vor der Pandemie. „Unsere Anmeldezahlen stiegen 2020 um 75 Prozent im Vergleich zum Jahr 2019“, schreibt Projektmanager Daniel Manne im Unternehmensblog. „Im letzten Jahr mussten wir mehrmals sehr schnell skalieren, als wir sahen, dass die Nutzung sprunghaft anstieg.“
Die Fähigkeit der Anbieter von Videokonferenzen und Lernplattformen, zeitgleich zahlreiche Anfragen auf ihren zentralen Rechnersystemen abzuwickeln, ist aber nur ein Faktor für funktionierende Anwendungen. Ein mindestens ebenso wichtiger Aspekt ist das Netz selbst.
Die durch Corona gestiegene Netzlast bereitet den Netzbetreibern dabei wenig Probleme. „Ja, wir haben jetzt tagsüber messbar mehr Datenverkehr im Netz als in der Zeit vor der Pandemie“, bestätigt etwa Mathias Radowski, Sprecher der EWE in Oldenburg, nach eigener Darstellung der größte Breitband-Anbieter mit eigener Netzinfrastruktur in Nordwestdeutschland und Mutterkonzern der SWB. Aber noch immer lägen die Spitzen der Belastung am Abend, wenn weite Teile der Kunden auf die zahlreichen Videodienste zugreifen. Deren hochaufgelöste Filme fordern die wirklich großen Datenmengen. „Das war schon vor Corona so.“
Die Infrastruktur in Bremen sollte dafür ausreichen. Nach einer Auswertung des Breitbandzentrums Niedersachsen-Bremen haben knapp 91 Prozent aller Gebäudeanschlüsse in der Stadt Zugriff auf mindestens ein Gigabit pro Sekunde, wenn auch in einzelnen Stadtteilen deutlich weniger. Damit steht Bremen gut dar: Laut Breitbandbericht der Bundesregierung hatte Mitte 2020 gut die Hälfte der Haushalte in Deutschland Zugriff auf ein Gigabit pro Sekunde. Mit dieser Übertragungsrate könnten die Nutzer theoretisch pro Sekunde 128 Megabyte Daten herunterladen, genug für jede denkbare private Anwendung.
Doch der Teufel steckt im Detail. „Wenn die Videokonferenz ruckelt, könnte auch das Kupferkabel auf der letzten Meile das Problem sein“, sagt Radowski. Diese „letzte Meile“ meint die Strecke vom Verteilerkasten an der Straße bis zum eigenen Computer. „An dem Verteilerkasten kommt beispielsweise ein Glasfaserkabel mit einem Gigabit an, aber von dort wird das Signal über alte Kupferkabel ins jeweilige Haus und weiter in die Haushalte geführt“, erläutert Radowski. Jeder Meter Kupferkabel bremse das Signal. „Je älter das Kabel desto mehr erfahrungsgemäß.“ Dass das Internet beim Nachbarn besser läuft, kann also daran liegen, dass der schlicht ein paar Meter näher am Verteilerkasten wohnt. „Oder sein Anschluss läuft zu einem anderen Verteiler, dessen Verkabelung nicht von 1953 ist“, beschreibt es Radowski plastisch. Die Kupferkabel seien ja ursprünglich nur als Telefon- nie als Internetleitung gedacht gewesen.
Bandbreite muss geteilt werden
Ein anderer bremsender Faktor sind die als Breitbandnetz genutzten Kabelfernsehnetze. Die Koaxialkabel sind ebenfalls aus Kupfer und sorgen in Bremen in weiten Teilen der Stadt für die Internetversorgung. „Die Bandbreite eines solchen Anschlusses müssen sich die jeweils aktiven Teilnehmer technisch bedingt immer teilen“, sagt Radowski. Wenn also 100 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) im Mehrparteienhaus ankommen, aber drei Nachbarn gleichzeitig einen Streaminganbieter nutzen, könne der vierte Nachbar schon Probleme haben, sich in seine Videokonferenz einzuwählen.
Das gilt auch dann, wenn jeder der vier Kunden für jeweils 100 Mbit/s zahlt. Der jüngste Jahresbericht der Bundesnetzagentur zur Breitbandmessung bestätigt, dass in Deutschland bloß ein Viertel aller Kunden die gebuchte und bezahlte Internetgeschwindigkeit tatsächlich bekommen. Ein Drittel kommt nicht einmal auf die Hälfte der versprochenen Bandbreite.
Eine Lösung für dieses Problem versteckt sich hinter dem Kürzel FTTH. Das steht für „fibre to the home“, also Glasfaserleitungen bis ins Haus. Doch bei diesem Thema steht Deutschland noch am Anfang, nachdem jahrelang unter dem Begriff Vektorisierung auf die technische Aufrüstung der Kupfernetze gesetzt wurde. Erst seit Ende April sehen neue Richtlinien vor, auch in besser versorgten, aber noch nicht an ein gigabitfähiges Breitbandnetz angeschlossenen „grauen Flecken“ neue Glasfaserleitungen mit Fördermitteln zu verlegen.