Wer wie ich den Schatz seiner philosophischen Weisheiten auf Forrest Gump und dessen Mutter zurückführt, kann nur davon überzeugt sein: Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen, bei der man nie weiß, was man kriegt. Als Ergänzung würde ich mir erlauben, dass das Leben viele überraschende Wege bietet, die auch mal nach Barsinghausen führen. So wie bei mir an diesem Wochenende, was – falls es Sie unbedingt interessiert – mit meinem Status als Fahrdienstleiter der Familie zu tun hat. Doch eigentlich geht es dabei um die Zeitangabe Wochenende, die nach der vermeintlich spannungssteigernden Einordnung „ausgerechnet“ nur so schreit.
Weshalb also ist Barsinghausen an diesem Wochenende „ausgerechnet“? Weil doch seit Freitag Fußball-EM in Deutschland ist, obwohl sich das alles irgendwie noch nicht so richtig wie das Sommermärchen anfühlen will. Kein Wunder, es gibt ja nicht nur kein Public Viewing in Bremen, sondern auch keinen Sommer. Umstand Nummer eins ist dabei recht verschmerzbar, Nummer zwei eher nicht. Was im 0421-Land fröstelnden Herzens jeder bestätigen wird, der in einer schafskalten Woche recht fassungslos die Heizung wieder angestellt hat, weil die Alternative von 16 Grad Raumtemperatur zwar kühl, aber deshalb absolut nicht cool gewesen wäre.
Aber zurück auf den Weg nach Barsinghausen. Der Ort in der Region Hannover war mir schon als Kind ein Begriff – weniger deshalb, weil er damit protzen kann, dass auf seinem Gebiet, so behauptet es zumindest dieses fantastisch informative Internet, zwischen Groß Munzel und dem Deisterkamm ein Höhenunterschied von mehr als 300 Metern liegt. Republikweite Aufmerksamkeit erlangte Barsinghausen – ähnlich wie das sagenumwobene Malente – vielmehr wegen der dortigen Sportschule. Die diente der deutschen Nationalelf schon seit Sepp Herbergers Zeiten in den 1950er-Jahren immer wieder als Ort für Lehrgänge oder Trainingslager.
Inzwischen residiert der DFB-Tross zwar sponsornah in Herzogenaurach, doch dafür ist in Barsinghausen zur EM die türkische Nationalelf eingezogen. So wie schon bei der WM 2006 der polnische Verband, der nun, 18 Jahre später, bei seinen EM-Quartierplanungen zunächst auch Bremen ins Visier genommen hatte. Doch angeblich war es den Polen rund ums Weserstadion zu marode. Der Trainingsplatz an sich, die Infrastruktur und Erreichbarkeit, überhaupt alles. Herrje, als würden wir in Bremen um all das nicht selbst wissen und geflissentlich versuchen, die Defizite der Stadt zu ignorieren. Blöd nur, wenn es anderen nicht gelingt.
Stattdessen ist das polnische Team nun in der Weltstadt Hannover untergekommen. Dort also, wo sie all ihrer Provinzialität mit dreisprachigen Durchsagen am Hauptbahnhof zu begegnen versuchen. Aber von da lässt sich ja immer noch zu einem Tagesausflug nach Bremen starten. Das gilt selbstverständlich auch für das nahe Barsinghausen.
Tagebucheintrag: Sofern Sie zu den Bremer Menschen zählen, die das verbindende Element des schwarz-rot-goldenen Wir-Gefühls beim Public Viewing vermissen, rufen Sie mir bitte an dieser Stelle kräftig und mehrfach nach: Schland!