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Kommentar zur VBN-Preiserhöhung Bremen braucht überzeugende Ideen

Der Senat in Bremen möchte, dass mehr Menschen auf Fahrräder und öffentlichen Nahverkehr umsteigen. Doch um die Menschen zu überzeugen, bedarf es guter Ideen und auch Ehrlichkeit. Ein Kommentar.
29.09.2017, 18:35 Uhr
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Bremen braucht überzeugende Ideen
Von Carolin Henkenberens

Es sind nur fünf Cent. Doch diese fünf Cent mehr pro Ticket lassen Kommentarspalten und Emotionen überlaufen. Bus- und Bahnfahren in Bremen und Bremerhaven, aber auch in Delmenhorst, Verden, Oldenburg und dem restlichen Gebiet des Verkehrsverbunds Bremen-Niedersachen wird wieder teurer. „Abzocke!“, finden viele Leser.

Wenn die Ticketpreise steigen, erhebt sich das Volk. Vor nun fast 50 Jahren, im Januar 1968, brachte eine Erhöhung von 60 auf 70 Pfennig tausende Schüler in Bremen auf die Straße. Die Straßenbahnunruhen waren der Auftakt der Bremer 68er-Bewegung. Die jetzige Aufregung als das übliche Gemecker beiseite zu schieben, wäre falsch. Die Entscheidungsträger müssen die Bevölkerung mitnehmen.

Es klingt wie Hohn

Ein Beispiel: Hatte nicht das Verkehrsressort von Joachim Lohse (Grüne) in dieser Woche noch erklärt, dass Bremen kein Mobilitätskonzept für Elektroautos erstellen will, weil eine autofreie Stadt eine bessere Lösung sei? Dass mehr Menschen auf Straßenbahnen und Fahrräder umsteigen sollen?

Wenn kurz darauf eine Erhöhung der Fahrpreise bekannt wird, klingt das wie Hohn für einige Bremerinnen und Bremer. Menschen mit wenig Einkommen, die sich kein Auto leisten können, müssen sich bei Kosten von 5,60 Euro einen Ausflug in die Innenstadt genau überlegen.

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In der Sache haben die Grünen absolut recht: Die Art, wie wir uns fortbewegen, muss sich ändern. Unser Lebensstil macht die Umwelt kaputt. Autos, Flugzeuge und Kreuzfahrten: Mobilität wurde zuletzt immer günstiger, Urlaub in fernen Ländern normal. Doch die Wahrheit ist: Diese Grenzenlosigkeit kann so nicht weitergehen. Unsere Mobilität hat Grenzen, natürliche und technische. Das Umdenken – brauche ich das Auto wirklich, muss es die Flugreise sein? – bedeutet auch ein Stück weit Verzicht. Zumindest so lange, bis es technisch möglich ist, klimaneutral Auto oder Bahn zu fahren. Das so klar zu sagen, gehört zu ehrlicher Kommunikation auch dazu.

Bremen braucht mehr Ideen

Dass die Nachfrage nach öffentlichem Nahverkehr steigt, zeigen die Fahrgastzahlen des Verkehrsverbunds Bremen und Niedersachsen. 86 Millionen Menschen fuhren im Jahr 2016 Bus oder Bahn, dreieinhalb Prozent mehr als ein Jahr vorher. Die Einführung des Stadttickets in Bremen für Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger und Flüchtlinge war ein wichtiger Beitrag dazu, Ärmere nicht auszugrenzen. Familien knapp über der Armutsgrenze nutzt das jedoch nichts.

Bremen braucht mehr Ideen für den Nahverkehr. Ideen, die so überzeugend sind, dass das Auto gern stehen gelassen wird, dass Berufstätige nicht nur aus Kostengründen morgens in Bus oder Bahn steigen. Neben dem Ausbau des Netzes, der zwingend ist, wären ein funktionierendes Wlan-Angebot, saubere Sitze und Vergünstigungen für Familien ohne Stadtticket ein Anfang. Oder ein Ticket, mit dem es möglich ist, ein Leihrad zu nutzen, wenn der Bus verspätet ist. Dazu bräuchte es natürlich Leihrad-Stationen in der Stadt. Ein Fortschritt wäre zudem, endlich den neuen Busbahnhof in Bremen zu bauen, den es trotz der 560.000 Flixbus-Fahrgäste im vergangenen Jahr noch immer nicht gibt. Auch die Wartebereiche an den Gleisen vor dem Hauptbahnhof, die bisweilen so schmuddelig sind, dass sie den Appetit verderben, sollten einladender aussehen.

In Hessen geht die schwarz-grüne Regierung einen deutschlandweit bislang einzigartigen Weg: Beamte dürfen dort ab Januar Busse und Bahnen kostenlos nutzen. Zugegeben, Lehrer und Polizisten gehören nicht unbedingt zu den Benachteiligten. Andererseits sind sie auch jene, die sich Autos leisten können. Und am besten lässt man sich schließlich von etwas Neuem überzeugen, indem man es einfach ausprobiert.

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