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Polizei bereitet sich auf das Wochenende vor Einsatzschwerpunkt Viertel

An Wochenenden ist die Bremer Polizei rund um das Ostertor im Dauereinsatz – eine Entspannung ist nicht in Sicht. Während die Polizei eine Überforderung zurückweist, bemängelt die Gewerkschaft Personalnot.
17.09.2021, 05:00 Uhr
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Einsatzschwerpunkt Viertel
Von Felix Wendler

An den vergangenen Wochenenden hat es vor allem junge Menschen auf die Straßen getrieben – und das stellt die Polizei vor Herausforderungen. Seit Monaten gibt es immer wieder Diskussionen über ausufernde Partys, Vandalismus und Straftaten. Insbesondere beliebte Treffpunkte wie das Viertel, der Osterdeich und der Werdersee sind davon betroffen. Am vergangenen Wochenende rückten die Einsatzkräfte eigenen Angaben zufolge innerhalb einer Nacht fast 200 Mal aus. Im Ostertor wurde ein 18-Jähriger von einer Gruppe angegriffen und schwer verletzt (wir berichteten).

Die Polizei sieht in den Ereignissen keine grundsätzlich neue Entwicklung. "Dass es in den Sommernächten freitags und sonnabends zu vielen Einsätzen und Straftaten kommt, ist nicht ungewöhnlich", sagt Polizeisprecher Nils Matthiesen. Vergleichbare Zahlen aus den Vorjahren nennt er nicht. Ein solcher Vergleich sei aufgrund der coronabedingten Einschränkungen nicht angemessen. Die Lage sei komplex, heißt es aus der Innenbehörde von Senator Ulrich Mäurer (SPD). Ähnliche Probleme gebe es in allen größeren Städten. An neuen Lösungsansätzen werde gearbeitet, teilt eine Ressortsprecherin mit, ohne konkret zu werden. Die Polizei betont, die Lage auch an den Brennpunkten unter Kontrolle zu haben. Man sei am Wochenende "deutlich gefordert", aber nicht überfordert gewesen. Zuletzt hatte die Polizei mehr Präsenz angekündigt. Umgesetzt worden sei das in Form von Streifen, mobilen Wachen, speziellen Kommunikationsteams und besserer Beleuchtung, erklärt Matthiesen. 

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Nach der Lockerung der Corona-Regeln seien aktuell vor allem junge Leute unterwegs. "Und wo viele Menschen sind und Alkohol getrunken wird, da kann es auch vermehrt zu Konflikten kommen", sagt Matthiesen. Als Brennpunkt gilt das Viertel, aber Ortsamtsleiterin Hellena Harttung (Grüne) warnt vor Übertreibungen. Sie selbst sei am vergangenen Wochenende nicht vor Ort gewesen, habe aber mit einigen Leuten gesprochen. Demnach sei es insgesamt kein sonderlich auffälliges Wochenende gewesen. "Natürlich abgesehen von dem entsetzlichen Vorfall im Ostertor, der mich ziemlich schockiert hat", sagt Harttung. Grundsätzlich sieht sie jedoch eine leichte Entspannung der Lage im Viertel. Zwar sei viel los, aber die Stimmung sei weniger aggressiv. Harttung führt das vor allem auf die Sperrung des Sielwalls zurück. Die Autoposer hätten mit ihrem Machtgebaren eine aggressive Grundatmosphäre erzeugt, die sich nun spürbar verbessert habe.

Lüder Fasche, Chef der Gewerkschaft der Polizei in Bremen, spricht von einer problematischen Entwicklung. Corona habe dazu geführt, dass sich die Leute im Freien treffen. In Discos gebe es mehr Kontrolle, beispielsweise durch hauseigene Sicherheitskräfte. An öffentlichen Orten würden die Hemmungen hingegen schneller fallen. "Einige glauben, den freien Raum für sich und ihre Regeln erobert zu haben. Und zurückgeben wollen sie ihn auch nicht", sagt Fasche. Auf der anderen Seite sei es kein Geheimnis, dass die Bremer Polizei Personalprobleme habe. Zahlen für die Wochenenden wolle er nicht nennen, aber "viele Leute denken, dass mehr Polizisten im Einsatz sind, als sie es tatsächlich sind." Die Arbeitsbelastung sei hoch, freie Wochenenden aktuell kaum möglich. 

"Die Polizei ist unterbesetzt, das ist einfach so", sagt auch Harttung. Trotzdem zeige die Polizei durchaus Präsenz im Viertel, und das habe oftmals auch einen positiven Effekt. Die Ortsamtsleiterin berichtet aber auch von Situationen, in denen die Anwesenheit der Polizisten zu einer aggressiven Stimmung geführt habe.

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Fasche sieht einen grundsätzlichen Stimmungswechsel in der Gesellschaft, durch den die Polizei an Autorität verloren habe. Als Grund führt er den Tod des US-Amerikaners George Floyd und die damit verbundene Debatte an. Die Polizei sei in Verruf geraten. "Passanten stellen sich immer häufiger gegen die Polizei, ohne die Hintergründe des Einsatzes zu kennen", sagt Fasche. Es werde früher der Punkt erreicht, an dem man mit Deeskalation nicht weiterkomme. Das passiere nicht nur an einzelnen Brennpunkten, sondern sei in der gesamten Stadt festzustellen. "Das ist auch kein exklusives Bremer Problem, wobei wir hier politisch gesehen natürlich besonders kritisch betrachtet werden", sagt Fasche. 

Matthiesen zufolge hat es im vergangenen Jahr 432 Angriffe auf Polizisten und Polizistinnen gegeben. "Es gibt eine neue Qualität und Intensität der Gewalt", so der Polizeisprecher. Ein härteres Durchgreifen sei keine Lösung, stattdessen werde in Schulungen verstärkt Kommunikation und Deeskalation gelehrt. Mit präventiver Deeskalation durch die Polizei habe sie gute Erfahrungen gemacht, sagt Harttung. 

Zur Sache

Keine Entspannung in Sicht

Der Polizei steht ein weiteres arbeitsreiches Wochenende bevor. Zum einen ist erneut gutes Wetter angekündigt, was die Menschen wieder an die bekannten Brennpunkte treibt. Zum anderen findet am Sonnabend das Spiel zwischen Werder und dem HSV im Weserstadion statt. Die Partie ist als Hochrisikospiel eingestuft und für 20.30 Uhr angesetzt. "Intensive Vorbereitungen" seien bereits angelaufen, teilt die Polizei mit. "Die späte Anstoßzeit und die damit verbundene Dunkelheit bei Spielende kommen der Polizei nicht entgegen", so Polizeisprecher Nils Matthiesen. 

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