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Manipulierte Kassen Bremen entgehen erhebliche Einnahmen

Frisierte Rechnungen, manipulierte Kassen und Schummelei: Bremen entgehen seit Jahren erhebliche Einnahmen. Die Finanzbehörde will dagegen vorgehen.
30.08.2016, 00:00 Uhr
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Bremen entgehen erhebliche Einnahmen
Von Pascal Faltermann

Frisierte Rechnungen, manipulierte Kassen und Schummelei: Bremen entgehen seit mehreren Jahren erhebliche Einnahmen. Die Finanzbehörde will dagegen vorgehen.

Steuer-Schummelei in Restaurants und Kneipen, frisierte Rechnungen beim Friseur, Mängel in der Kassenführung in Spielhallen oder selbst entwickelte Betrugssoftware beim Apotheker: Die Probleme sind den Behörden und der Politik seit Jahren bekannt. Steuerbetrüger versuchen einiges an den Ladenkassen, um den Staat auszutricksen.

Manipulierte Registrierkassen oder auch Mogel-Kassen bleiben allerdings häufig unerkannt. Im Einzelhandel, in der Ga­s­tro­no­mie, in Apo­the­ken und an­de­ren Bran­chen mit hohem Bar­geld­an­teil wie Ta­xis, Tank­s­tel­len und Fri­seu­re in Bremen gibt es aber seit mehreren Jahren Hinweise auf einen „erheblichen Einnahmeausfall der öffentlichen Hand“. Das geht aus der Antwort des Bremer Senats auf eine Kleine Anfrage der Bremer FDP-Fraktion hervor.

Gastwirte lassen Zwischenrechnungen nach Feierabend unter den Barhocker fallen, Betriebe bearbeiten per Stornofunktion die Einnahmen, oder elektronische Kassensysteme werden durch Umprogrammierung beeinflusst. Die Pizzeria, die Spielhalle, der Imbiss – die Beispiele sind vielfältig. Die Aufzählung soll aber nicht eine ganze Branche kriminalisieren und als Betrüger darstellen.

Steuerhinterziehung durch manipulierte Ladenkassen

Eine genaue Schätzung, wie viel Geld im Jahr durch Steuerhinterziehung über manipulierte Registrierkassen im Land Bremen am Fiskus vorbeigehen, ist laut der Senatsantwort nicht möglich, da es an belastbaren Grundlagen für eine Berechnung fehle. Das gelte auch für das Ausmaß des Steuerausfalls bundesweit, es könne nur grob geschätzt werden.

Der Bundesrechnungshof vermutet, dass in Deutschland jährlich bis zu zehn Milliarden Euro Steuern bei Bargeldgeschäften durch manipulierte Ladenkassen hinterzogen werden. Seit Jahren drängen die Länder und der Rechnungshof beim Bund darauf, etwas gegen die milliardenschwere Steuerhinterziehungen durch manipulierte Kassen im Einzelhandel und im Gastgewerbe zu unternehmen.

Fakt sei, dass speziell geschulte Kassenprüfer des Finanzamtes bei Betriebsprüfungen in Bremen oftmals nicht ordnungsgemäß geführte Kassen feststellen. Dies lasse vermuten, dass es weitere Ungereimtheiten gebe. Wenn allerdings digitale Aufzeichnungen wie Kassendaten gelöscht werden oder durch Manipulationssoftware verändert, bleiben die Vorfälle „oftmals unentdeckt“, heißt es aus dem Senat. Sogenannte „Neben-der-Kasse-Geschäfte“ führen dazu, dass Steuermindereinnahmen nicht in vollem Umfang erfasst werden können.

Manipulation kann nicht immer nachgewiesen werden

Das Finanzamt für Außenprüfung hat im Jahr 2013 zwei Manipulationen an Kassen nachgewiesen. Beide Fälle führten dazu, dass es jeweils hohe Mehrergebnisse gab und ein Strafverfahren eingeleitet wurde. Die Steuerfahndung hingegen identifizierte von 2013 bis 2015 insgesamt fünf Kassen, an denen getrickst wurde. Auch dadurch habe es beachtliche zusätzliche Einnahmen für den Staat gegeben: 2013 waren es 182.835 Euro, 2014 sogar 382.282 Euro und im Jahr 2015 noch 40.262 Euro. Diese Fälle seien alle strafrechtlich relevant gewesen.

Hinzu kommen die Vorfälle, bei denen eine Manipulation nicht nachgewiesen werden konnte, aber Mängel in der Kassenführung auftraten. Dabei gab es steuerliche Mehreinnahmen von knapp 980.000 Euro (2014) und im Jahr darauf sogar 1,76 Millionen Euro.

Auch statistische Erhebungen in Bremen über den Anteil der Steuerhinterziehung einzelner Branchen liegen der Finanzbehörde nicht vor, eine Schätzung sei nicht möglich. Somit sind nur die Zahlen der Steuerfahndung und der Betriebsprüfungen belegbar. Unabhängig von einer Manipulation sind es vor allem Apotheken, Gastronomie und Hotelgewerbe sowie Spielhallen, die bei Überprüfungen am stärksten auffallen.

Neues Personalkonzept soll Einnahmen steigern

Die Kontrolle von Betrieben gehört für die Prüfer der Finanzbehörde zum „Tagesgeschäft“, die Anzahl dieser Kontrollen pro Jahr hat das Amt allerdings nicht erfasst. „Ziel ist es, insbesondere die Anzahl an Kassenauslesungen zu steigern“, sagt Dagmar Bleiker, Sprecherin der Finanzsenatorin, Karoline Linnert (Grüne). Unter anderem aus diesem Grund „wird die Kassenprüfung im Finanzamt für Außenprüfung derzeit neu strukturiert und ausgerichtet.“ Darüber hinaus werde zwischen den Bereichen Steuerabteilung und dem Finanzamt für Außenprüfung an einem neuen Personalkonzept gearbeitet. Insgesamt soll durch diese Maßnahmen eine Einnahmesteigerung für das Land erreicht werden.

Die Abgeordneten des Bremer Landtags hatten auf Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in der Sitzung am 24. August den Senat aufgefordert, sich im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zügig für eine Pflicht zur Anschaffung einer elektronischen manipulationssicheren Registrierkasse einzusetzen. Das Gesetz soll demnach bereits Anfang 2017 in Kraft treten.

Bremer SPD und Grüne setzen sich im Bund dafür ein, dass in Deutschland ähnlich wie in Österreich eine Bagatell-Umsatzgrenze von 17.500 Euro im Jahr im Gesetz festgeschrieben wird. Die Bundesregierung will dem Steuerbetrug einen Riegel vorschieben und setzt auf zertifizierte technische Sicherheitseinrichtungen.

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