Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Hal över Wie die "Pusdorp" auf die Fährsaison vorbereitet wird

Vor dem Saisonstart bringt Hal övern die Flotte auf Vordermann. Das nutzt die Prokuristin, um ein Schiff als Fähre zuzulassen – ein Kniff, der ihr besonders beim Personalmangel zugute kommt.
12.02.2024, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Karolina Benedyk

Andreas Blecher ist an Deck der "Pusdorp". Mit einem Block in der Hand geht er das etwa 20 Meter lange Schiff entlang. Auf dem Oberdeck bleibt er stehen. An der Reling beäugt er das Gitternetz. "Ist das hier ein Fahrgastbereich? Dann müsst ihr die Netze wieder gescheit festmachen", sagt er und hebt mit seinem Fuß das Netzende an, "das ist nicht sicher genug. Kinder könnten hier durchrutschen." Der Schiffsführer, sogenannter Nautiker, überprüft die Sicherheit des Schiffes. Kurz vor Saisonstart muss es "wieder auf Vordermann gebracht werden", sagt er. Dafür machen sich ein Schiffsbauer, ein Maschinenbauer und der Nautiker Blecher an die Arbeit. Alle fünf Jahre müssen Eigner ihre Schiffe untersuchen lassen, an Bord und dann in der Werft.

Nicole Mohr, Prokuristin von Hal över, steht neben den drei Männern. "Kein Problem, ich habe erst vergangene Woche Kabelbinder gekauft", sagt sie, lacht und schreibt das Wort Netz auf ihre To-do-Liste. Im Laufe der Untersuchung kommen noch einige Stichpunkte dazu.

Alle fünf Jahre steht eine Schiffsuntersuchung an

Die "Pusdorp", der Name steht mit weißen Buchstaben auf der schwarzen Schiffswand, gehört zur Flotte der Hal över. Sie ist eine von aktuell sieben Schiffen der Hal över und soll bald als vierte Fähre starten. Die Saison beginnt im Frühjahr. Ihre technische Zulassung steht noch aus: "Das ist so etwas wie der Schiffs-TÜV", so Blecher. Der Saisonstart sei für Hal över eine kostspielige Angelegenheit. Dafür lege die Prokuristin Mohr bis zu 100.000 Euro pro Schiff zur Seite. "Das veranschlage ich für die Nachbesserungen jedes Schiffes. Die können sehr kostenintensiv werden. Bei der 'Pusdorp' wird das aber weniger sein, denke ich", so Mohr.

1954 ist die "Pusdorp" erbaut und seit ihrem Umbau als Tagesausflugsschiff auf der Strecke zwischen Pier2/Waterfront, Molenturm/Überseestadt und dem Lankenauer Höft nicht aus dem Bremer Stadtbild wegzudenken. An der Schlachte kennen sie die Bürgerinnen und Bürger möglicherweise dadurch, vermutet Mohr, dass auf ihr das Feuerwerk des "Schlachtezaubers" gezündet wird. Selbst finanzieren kann Hal över das Schiff nicht. "Das ist unser einziges Schiff, das von der Stadt mitsubventioniert wird", sagt Mohr. Hal över verdiene mit dem Schiff kein Geld. "Wir machen das allein für die Stadt."

Im Aufenthaltsraum des Personals überprüft Blecher die Schiffspapiere. "Das passt alles soweit", sagt er. Um das Fährzeugnis auszustellen, muss für die Sicherheit an Bord gesorgt sein. Nach und nach arbeitet Blecher seine Liste ab. An den Bordwänden prüft er, ob die Kennzeichnungen richtig und vollständig sind. Über Deck geht er ins Steuerhaus und fragt nach der Ankerfallprobe, schaut nach dem Verbandskasten. Er weist auf die Einsenkungsmarke hin, die beim nächsten Werfttermin nachgestrichen werden muss. Währenddessen schlüpfen die anderen Mitglieder der Schiffsuntersuchungskommission in den Maschinenraum. Auch den Generator überprüfen sie auf seinen technischen Zustand hin.

Mohr beantwortet die Fragen routiniert. Feuerlöscher? Hier. Krankentrage? Passt. Defibrillator? Vorhanden. Genug Rettungswesten? Ja. Sie kennt jede Einzelheit des Schiffes und nennt die Zahlen aus dem Stegreif. "Nervös bin ich bei der Untersuchung nicht", sagt sie. "Ganz im Gegenteil: Ich finde die Untersuchungen sehr gut. Nach einer gewissen Zeit wird man ja betriebsblind."

Für uns ist das die tollste Regelung überhaupt.
Nicole Mohr, Prokuristin von Hal över

Im Moment taktiert die "Pusdorp" als Tagesausflugsschiff. Die Prokuristin von Hal över bemüht sich allerdings, eine Fährzulassung zu erhalten. "Dadurch ändert sich für die Gäste nichts. Es ist eher ein Kunstgriff", sagt sie. Mit dem Schritt reagiert sie auf den Personalmangel, der auch in ihrer Branche herrsche. Denn bislang bedarf es für den Betrieb des Schiffes einen Schiffsführer mit Unionspatent. Die Ausbildung dauert sechs Jahre, die Prüfung am Simulator beschreibt Mohr als "unangemessen anspruchsvoll". "Man kann es sich so vorstellen: Es ist wie eine Lkw-Prüfung, nur für einen Golffahrer", sagt sie. Zusätzlich muss ein Matrose mit großer Abschlussprüfung an Deck sein. Im Fährdienst bedarf es lediglich einen Fährführer mit einer Ausbildung und zwei Jahren Berufserfahrung. "Für uns ist das die tollste Regelung überhaupt", sagt Mohr. "In unserer Branche wird alles schwieriger, nur das wurde vereinfacht."

Nächster Stopp: Werft

Am Ende kann Blecher ihr gute Nachrichten übermitteln: "Bis auf kleine Mängel gibt es nichts zu beanstanden." Ein neues Beiboot müsse sie noch besorgen. "Um die 5000 Euro kann das kosten", sagt er. "Das muss nämlich vom Schiffsausrüster kommen und die Normierung lassen sie sich gerne etwas kosten." Mohr habe mit mehr gerechnet, sagt sie und lacht: "Ich glaube, ich bin schon so abgehärtet."

Lesen Sie auch

Die Besichtigung ist fertig und guten Gewissens könne Blecher das vorläufige Fährzeugnis ausstellen, bis alle Mängel beseitigt sind. Nächster Schritt für das Schiff: Werft. Dann kann die "Pusdorp" mit neuem Lack in die neue Saison starten. Das große F für Fähre dürfen sie gleich mit anmalen.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)