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Schulen in Bremen Gewalt gegen Lehrer nimmt zu

Verbale und physische Gewalt gegen Lehrkräfte nimmt zu – das ist das Ergebnis einer Umfrage der Lehrergewerkschaft VBE. Der Personalrat Schulen warnt davor, das Problem zu unterschätzen.
16.12.2022, 05:00 Uhr
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Gewalt gegen Lehrer nimmt zu
Von Frank Hethey

In Deutschland nimmt die verbale und physische Gewalt gegen Lehrkräfte zu. Das geht aus einer Befragung von bundesweit 1300 Schulleiterinnen und Schulleitern hervor, die der Verband Bildung und Erziehung (VBE) alle zwei Jahre in Auftrag gibt. Das Meinungsforschungsinstitut Forsa stellte fest, in den zurückliegenden fünf Jahren seien 62 Prozent der Lehrkräfte direkt beschimpft, bedroht, beleidigt, gemobbt oder belästigt worden. Gegenüber 2018 ist das ein Zuwachs von 14 Prozentpunkten. Im gleichen Maße hat nach Auskunft der Schulleitungen das Cyber-Mobbing zugenommen, es stieg von 20 Prozent (2018) auf 34 Prozent (2022). Eine steigende Tendenz ist auch bei körperlichen Angriffen zu verzeichnen: Vor vier Jahren lag die Quote bei 26 Prozent, jetzt bei 32 Prozent.

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Die Bremer Bildungsbehörde kommt auf 17 Fälle seit Januar 2021. Zwei Mal seien Lehrkräfte direkt angegangen worden, sechs Mal hätten sie bei Konflikten körperlich eingreifen müssen. In vier weiteren Fällen sei ein Konflikt mit Schülern verbal und körperlich ausgetragen worden. Zusätzlich hat die Behörde fünf ausschließlich verbale Vorfälle gezählt – davon zwei in der Schule in Form eines Wutausbruchs sowie drei digitale Grenzüberschreitungen. Ein Defizit beim Umgang mit Gewaltvorfällen – im Behördenjargon: "besondere Vorkommnisse" – kann die Bildungsbehörde nicht erkennen. "Bei Gewalt wird sofort reagiert", sagt Ressortsprecher Aygün Kilincsoy. "Solche Fälle werden von uns sehr ernst genommen."

Allenfalls teilweise kann Claudia Dreyer, Leiterin des Gymnasiums an der Hamburger Straße, die Umfrageergebnisse bestätigen. An ihrer Schule beobachtet sie in den vergangenen Jahren "mehr Diffamierungen über das Internet", aber keine deutliche Zunahme körperlicher oder verbaler Gewalt gegen Lehrkräfte. Dreyer hat auch nicht den Eindruck, dass dieses Thema zunehmend tabuisiert werde. Anders ihre Kolleginnen und Kollegen bei der Forsa-Umfrage: Fast 50 Prozent der Schulleitungen erklärten, mit Gewalt gegen Lehrkräfte werde nicht offen umgegangen. Vor zwei Jahren waren nur 30 Prozent dieser Ansicht.

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Erst in der vergangenen Woche hat eine Lehrerin beim Personalrat Schulen über fortgesetzten Vandalismus an ihrer Schule in Hemelingen geklagt. Die Reifen ihres Autos auf dem Schulparkplatz werden immer wieder zerstochen. Solche Alarmmeldungen kennt Dagmar Reinkensmeier, beim Personalrat zuständig für Arbeitsschutz und Gesundheitsmanagement, zur Genüge. Auch aus eigener Erfahrung: An ihrer Schule in Gröpelingen drohten Eltern einmal, "die Schule abzufackeln". Die Dunkelziffer sei hoch. Häufig wiegelten Schulleitungen aus Imagegründen ab, das Meldeverfahren bei der Behörde werde zu selten genutzt. "Wir müssen eine Kultur des Hinguckens entwickeln", fordert Reinkensmeier. "Und das bedeutet: sofort gegen Beleidigungen direkt vorgehen."

Skeptisch beurteilt Reinkensmeier die Rolle der Schulleitungen. Aus ihrer Sicht tragen gerade die dazu bei, Gewalt gegen Lehrkräfte unter den Teppich zu kehren. Immer wieder würden Betroffene bei den Schulleitungen vorstellig, ohne dass ihnen wirklich geholfen werde. "Das Thema wird dann oft heruntergespielt, nach dem Motto: ist doch alles nicht so schlimm." Im neuen Notfallordner, der allen Bremer Schulen seit September vorliegt, sieht Reinkensmeier eine gute Arbeitsgrundlage gegen Krisen- und Notfälle an Schulen. Doch die Präventionsarbeit müsse auch mit Leben gefüllt werden. Die vier- bis fünfköpfigen Kriseninterventionsteams an den Schulen bedürften der Fortbildung. "Aber dafür ist wegen der Arbeitsverdichtung keine Zeit." 

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Dass Gewalt gegen Lehrkräfte auch in Bremen zum Schulalltag gehört, steht für Reinkensmeier außer Zweifel. "Ganz viele neue junge Kolleginnen und Kollegen werden beleidigt und bedroht." Nach ihrem Eindruck sinkt die Hemmschwelle, telefonisch gegenüber Personen im Schuldienst über die Stränge zu schlagen. Auch Cyber-Mobbing werde zunehmend ein Thema. "Darum ist eine Kultur des Hinguckens erforderlich, sonst fühlen sich die Lehrkräfte allein gelassen."

Für Aufsehen hatten kürzlich die Vorgänge an der Tami-Oelfken-Schule in Bremen-Nord gesorgt, einer inklusiven Grundschule mit stark steigenden Schülerzahlen. Die Elternvertreterin Servet Terves beklagt regelmäßige Schülerangriffe auf das Personal. Vergleichbare Rückmeldungen hat der Personalrat erhalten. "Fast täglich wird beleidigt, getreten, geschubst", sagt Reinkensmeier. In der Bürgerschaft war die "Problemschule" Gegenstand einer kontroversen Debatte.

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