Sie sind da. Und sie sind viele. So viele, dass die Laune vieler Einzelhändler zwischen Ansgarikirchhof und Lloydpassage, gerade, mit Verlaub, ziemlich besch... ist. Denn so sehen viele Stellen auf dem Boden, vor allem unter den Bäumen, öffentliches Mobiliar und auch die oberen Bereiche in der Passage aus, sie sind verdreckt durch den Kot der Stadttauben. Die Kaufleute wollen diese Situation nicht länger hinnehmen. Sie fordern ein Ortsgesetz, das Privatpersonen oder gemeinnützigen Organisationen die Fütterung der Tauben untersagt.
„Die Probleme mit den Tauben haben in letzter Zeit zugenommen“, sagt Jens Ristedt, Vorsitzender der Cityinitiative und Mitglied im Lenkungskreis des Business Improvement Districts (BID) Ansgarikirchhof. „Es werden immer mehr Tauben. Das liegt auch daran, dass sie fast täglich gefüttert werden. Deshalb fordern wir das Verbot.“ Aus den Fenstern seines Modehauses hat Ristedt die Situation an dem Platz gut im Blick. Man kann es übrigens ausprobieren: Stellt man sich für ein paar Minuten unter eine der Platanen, ist man ziemlich schnell umringt von einem Schwarm erwartungsfroh gurrender Tauben.
Für Wirt Danell Akbari, der vor zwei Monaten mit dem Restaurant „Savador Rodizio“ die zur Hutfilterstraße geneigte Seite der Handwerkskammer bezogen hat, sind die Tauben, oder vielmehr ihre Hinterlassenschaften, ein echter Standortnachteil. Wo das Lokal seine Außenterrasse hat, steht auch eine der Platanen, in der die Vögel gerne sitzen – und dann eben auch mal was nach unten fallen lassen. Und zwar auch auf die Tische, Stühle, Sonnenschirme und manchmal auf die Teller von Akbaris Gästen. „Da verliert doch jeder sofort den Appetit“, sagt er. „Und es ist im Moment durch Corona sowieso schon eine schlimme Zeit für uns. Wir haben seit der Öffnung des Lokals schon 200 Euro ausgegeben, weil wir den Gästen wegen der Tauben nichts berechnen wollten.“
Ristedt und auch die neue City-Managerin Carolin Reuther betonen, dass der Taubendreck einerseits die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt senke – die der Senat aber gerade mit Hochdruck erhöhen will. „Es ist auch ein psychologisches Problem. Menschen halten sich nicht gerne dort auf, wo es dreckig ist“, sagt Reuther, „aber die Stadtreinigung kann die Böden gar nicht so oft reinigen, wie es nötig wäre.“ Zudem, sagen beide, sei der Kot auch hygienisch bedenklich, beispielsweise im Sand der Spielkisten, die im Sommer auf dem Ansgarikirchhof stehen. Hinzu komme, dass übrig gebliebenes Futter andere Tiere wie Ratten anlocke.

Der Strahler in der Lloydpassage ist eigentlich mit Abwehrstacheln versehen – die Taube hat sich trotzdem dort niedergelassen.
Verbot muss kontrolliert werden
Auch Andreas Meyer, Geschäftsführer der Handwerkskammer, deren denkmalgeschützte Substanz unter dem Taubendreck leidet, würde ein Fütterungsverbot begrüßen. „Allerdings muss das dann auch kontrolliert werden“, sagt er. Die SPD-Fraktion arbeitet im Moment ebenfalls am Thema. Mit einer kleinen Anfrage will sie die Vor- und Nachteile eines Ortsgesetzes abklären.
In Bremerhaven ist das Taubenfüttern – wie in vielen anderen deutschen Großstädten auch – verboten. „Wir haben das Problem mit den Tauben eher am Deich als in der Innenstadt“, sagt Stadtsprecher Volker Heigenmooser. „Das Gesetz kann eine Handhabe gegen Fütterung sein, löst aber nicht alle Probleme.“ Auch in der Behörde von Umweltsenatorin Maike Schaefer (Grüne) teilt man diese Einschätzung. Im Koalitionsvertrag haben SPD, Grüne und Linke die Anschaffung von Taubenhäusern nach dem Augsburger Modell vereinbart. Dieses sieht vor, die Tauben artgerecht zu füttern und ihre Population durch den Austausch der Gelege gegen Gipseier zu steuern – nach diesem Prinzip funktioniert auch das Taubenhotel, das Stadtwerke und das Tierheim am Müllheizkraftwerk eingerichtet haben.
In Vegesack beginnt voraussichtlich Mitte 2021 ein Modellversuch mit einem Taubenhaus. Bis Jahresende soll ein Standort gefunden sein, bislang sind laut Sprecher Jens Tittmann noch drei im Gespräch. Das Modell soll dann engmaschig begleitet und bei Erfolg auch auf Bremen ausgeweitet werden. „Wir sind an dem Thema dran und wollen es effizient regeln“, sagt Senatorin Schaefer. „Dabei haben wir natürlich auch die Bremer City im Auge, das ist das erklärte Ziel des Ressorts.“
Ein Fütterungsverbot alleine aber würde Tierschützer wie die Mitglieder des Vereins Stadttauben Bremen, der sich für Taubenhäuser einsetzt, in Rage bringen – auf ihre Unterstützung setzt aber die Behörde bei dem Modellversuch. Während des Lockdowns hatten auch Tierschutzbund und die Organisation Peta für „kontrollierte Fütterungsstellen mit artgerechtem Futter“ in Städten geworben. Ein Fütterungsverbot würde laut Tittmann auch nur einen Teil des Problems lösen. Was dadurch nicht geregelt wäre: unachtsam in die Gegend geworfene Essensreste, für Tauben im Wortsinn ein gefundenes Fressen.