Trotz vieler Lockerungen gilt eine der frühen Corona-Maßnahmen weiterhin: die Maskenpflicht. Im Einzelhandel sind es die Betreiber, die ihre Kundschaft darauf hinweisen muss; wer das nicht tut, riskiert Ärger mit dem Ordnungsamt und seine Gesundheit. Was erleben die Menschen, die in Kiosken im Viertel oder an Tankstellen arbeiten, mit Maskenverweigerern? Der WESER-KURIER hat nachgefragt.
Inzwischen müsse sie weniger Menschen darauf hinweisen, dass die Maskenpflicht auch in ihrem Kiosk gilt, berichtet Johanna Reich, Inhaberin der Flaschenpost am Ostertorsteinweg. "Die haben wir eigentlich ganz gut erzogen", sagt sie und lacht. "Jetzt ist es entspannter als früher." Sowohl an der Tür als auch an der Spuckschutzwand an der Ladentheke hängen handgeschriebene Erinnerungen für alle, die sie doch noch brauchen: "Maskenpflicht!" In den vergangenen anderthalb Jahren hat sich in dem Kiosk, den Reich seit 14 Jahren betreibt, vieles verändert: Erst kam die Maskenpflicht, dann das Alkoholverbot. Als Konsequenz daraus änderte sie die Öffnungszeiten, die Flaschenpost macht jetzt schon um 22 statt um 24 Uhr zu. Denn es sei immer wieder zu Diskussionen gekommen, weil die Leute ohne Maske in den Kiosk kamen oder zu später Stunde Alkohol kaufen wollten. "Das war schlimm", sagt Reich.
Viele Bußgeldbescheide sind noch in Arbeit
Wie viele der 12.755 Anzeigen wegen Verstoßes gegen die Corona-Verordnung in diesem Jahr (Stand: 24. September) ihre Ursache in einer fehlenden Maske haben, kann das Innenressort nicht sagen. Es sei aber eindeutig die Mehrheit der Fälle, erklärt die Pressestelle. Dies beruhe auf dem Eindruck der Ordnungskräfte, die für die Anzeigen zuständig sind. Wer entgegen der rechtlichen Vorgabe keine Maske trägt, muss mit einem Bußgeld von mindestens 50 Euro rechnen. Im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie haben sich die Anzeigen wegen Ordnungswidrigkeiten stark erhöht: 2020 seien es fast achtmal so viele gewesen wie 2019, heißt es aus dem Innenressort. Noch lange seien nicht alle Bußgeldbescheide ausgestellt, geschweige denn bezahlt worden.
Wer ohne Maske reinkomme, müsse sofort wieder raus, sagt Mustafa Khudur. Denn Ärger mit dem Ordnungsamt will er nicht. In dem kleinen Kiosk kurz vor dem Ziegenmarkt, der seinem Sohn gehört, hängen bunte LED-Lichtschläuche über dem Spuckschutz, an das Schaufenster sind eine rosafarbene und eine blaue Einwegmaske geklebt. Wenn Leute ohne Maske hereinwollten, gebe es manchmal Stress, meist passiere das am Wochenende, sagt er. Manche wollten "nur kurz" etwas einkaufen, auch mit Betrunkenen sei es schwierig. Allerdings sei das inzwischen weniger geworden. Khudur zeigt sich auch kompromissbereit: Wer keine Maske habe, aber wisse, was er haben wolle, dem bringe er das Gewünschte nach draußen.

Emre Basar ist froh, dass sich auch das Partypublikum im Viertel mit der Maskenpflicht arrangiert hat.
Es gebe inzwischen mehr Party- und weniger Barpublikum, sagt Emre Basar, Geschäftsführer des Viertelkiosk kurz hinter der Sielwallkreuzung. Damit habe sich auch die Stimmung verändert. Mit den Studierenden, die früher viel bei ihm eingekauft hätten, sei es entspannter umzugehen. Aber von Problemen mit Blick auf die Maskenpflicht will er nicht sprechen. "Sogar das Partypublikum ist bereitwillig", sagt er. Dass jemand keine Maske trage, komme "sehr selten" vor. In der Regel sei der Kiosk von 7 oder 8 bis 23 Uhr geöffnet, allerdings sitzt Basar manchmal auch bis in die Nacht am Ladentisch: "Die Umsätze sind lange nicht mehr wie früher."
"Tankstellenbediensteter wird zum Polizisten"
Nach dem tödlichen Angriff auf einen Tankstellenmitarbeiter in Idar-Oberstein (Rheinland-Pfalz) Mitte September hat der Tankstellen-Interessenverband der Politik große Vorwürfe gemacht. "Mit den Corona-Regeln wälzt die Politik polizeiliche Aufgaben auf Unternehmen ab. Der Tankstellenbedienstete wird zum Polizisten", kritisierte Sprecher Herbert Rabl im Gespräch mit der "Welt". Die Beschäftigten seien verunsichert und wünschten sich mehr Schutz und Hilfe, sagte er.
Die freie BMÖ-Tankstelle in Hastedt liegt auf einem großen Hof an der Stresemannstraße, Autohäuser, ein Baumarkt und Discounter sind in der Nähe. In dem schmalen Shop neben den Zapfsäulen steht Ulrike Richter hinter dem hohen Glastresen mit Brötchen und Gebäck. Sie macht ihre Schicht alleine, das ist der Normalfall. Mindestens einmal am Tag komme jemand herein, der keine Maske trage, sagt sie: "Aber seit diesem Tankstellenvorfall sprechen wir niemanden mehr an." Ihre Chefin habe diese Anweisung gegeben, um ihr Personal zu schützen. Angst hat Richter nicht, sie arbeitet eigentlich in der Gastronomie im Viertel, ist Auseinandersetzungen mit Menschen gewohnt. Und aggressiv sei an der Tankstelle noch niemand geworden, viele Stammkunden verkehrten dort. Grundsätzlich habe sie den Eindruck, dass die Leute nachlässiger geworden seien, was das Maskentragen angeht, sagt Richter.
"Mehr als die Menschen darauf hinweisen, können wir nicht", erklärt Guido Koenig, Pächter der Total-Tankstelle am Osterdeich. Behaupte ein Kunde dann, dass er von der Maskenpflicht befreit sei, dürfe er noch nicht einmal verlangen, das Attest zu sehen. "Mich ärgert, dass das Ordnungsamt uns den Schwarzen Peter zuschiebt", sagt er. Die Beschäftigten an den Tankstellen seien in der Verantwortung, die Maskenpflicht durchzusetzen. Seinen Mitarbeiterinnen habe er geraten, keine Diskussionen einzugehen und Beleidigungen abperlen zu lassen. Anders als zum Beispiel in der Gastronomie gebe es nicht die Möglichkeit, Kunden ohne Maske einfach wegzuschicken, sagt Koenig – denn wer in den Shop komme, habe ja bereits getankt. Wolle er das Benzin nicht verschenken, müsse er die Leute zum Bezahlen hereinlassen.