Für den Zentralelternbeirat (ZEB) steht außer Frage, dass die schrankgroßen Lüftungsanlagen in Bremer Schulen überdimensioniert sind. Die eingebauten raumlufttechnischen Anlagen – kurz: RLT-Anlagen – seien für Räume ab 600 Quadratmeter geeignet, sagt Elternsprecher Martin Stoevesandt. Bei einer Klassengröße von 64 Quadratmetern werde dieser Wert um das Zehnfache übersteigen. "Das wäre so, als wenn man einen Zwölf-Zylinder-Motor in eine Ente einbaut." Wie berichtet, hatte der pandemiebedingte Einbau der Lüftungsanlagen an mehreren Schulen für Unmut und Unverständnis gesorgt. Aus der Schule an der Düsseldorfer Straße in Blockdiek waren die Geräte daraufhin wieder entfernt worden.
Seit Herbst sind nach IB-Angaben 178 Standgeräte und 36 Deckengeräte an Bremer Schulen und Kitas installiert worden. Doch wirklich in Betrieb gegangen ist bislang offenbar nur ein geringer Bruchteil. Zum Beispiel in der Grundschule am Halmerweg in Gröpelingen, wie Schulleiterin Angela Heidrich bestätigt. An zahlreichen anderen Schulen scheint sich der Start zu verzögern. So wie in der Grundschule An der Gete. "Die Geräte sind eingebaut, aber nicht in Betrieb", sagt Rektorin Gundel Timm. Elternsprecher Stoevesandt glaubt auch zu wissen, woran das liegt. Die elektrische Ausstattung der Anlagen überfordere die vorhandenen Möglichkeiten. "Das ist, als würden etliche Backöfen gleichzeitig laufen. Das gibt die Schulelektronik nicht her. Gerade in Altbauten wie der Schule an der Horner Heerstraße."
Immobilien Bremen (IB) widerspricht der ZEB-Kritik mit Hinweis auf die vom Bund vorgeschriebenen Förderbedingungen. Kleinere und geräuschärmere Anlagen sind laut IB-Sprecher Fabio Cecere keine Alternative, weil sie die erforderliche Frischluftmenge nicht liefern könnten. Die Größe der Anlagen erklärt er mit der Unterbringung der notwendigen Filtertechnik. Einigen Platz erfordert es laut Cecere auch, niedrige Schallemissionen und die energetisch nötige Wärmerückgewinnung zu gewährleisten. Ein rein praktischer Gesichtspunkt kommt hinzu: "Zusätzlich mussten diese Geräte aufgrund der begrenzten Förderfristen schnell und unproblematisch einzubauen sein."
Vor vorschnellen Pauschalurteilen warnt Marcus Werth, dessen Ingenieurbüro sich auf Haus- und Versorgungstechnik spezialisiert hat. Bei 25 oder mehr Personen in einem Raum müssten Lüftungsanlagen für Frischluft eine gewisse Größe haben, dafür gebe es klare Bemessungsgrundlagen. "Da kann man nicht so kleine Mickey-Maus-Anlagen hinstellen." Wenn die Geräte was taugen sollten, müssten sie Schrankgröße haben. Die Betriebsgeräusche sieht er nicht als entscheidendes Problem. "Die Anlagen geben ein Geräusch ab wie jeder Kühlschrank." Der Vorteil: Je größer die Anlagen, desto leiser seien sie. Zu beachten sei auch der Energiespareffekt. Statt die Fenster aufzureißen, dadurch Energie zu vergeuden und die Kinder frieren zu lassen, komme aus den Geräten angewärmte Luft.
Allerdings gibt Werth auch zu bedenken: Wenn solche Geräte in den Klassenräumen stehen, müsse die erforderliche Infrastruktur geschaffen werden – auf jeden Fall für die Stromversorgung, womöglich auch für den Heizungsanschluss. Zugleich müsse man bei der Debatte den Zweck vor Augen haben: "Ein anderer Fall ist es, wenn es um Filteranlagen zur Raumluftreinigung von Covid-Viren geht." Einigen Spielraum bei der Gerätegröße sieht unterdessen Ingenieur Manfred Risse aus Achim. "Es gibt inzwischen kleine kompakte geräuscharme RLT-Geräte, die unter der Decke in Nähe der Fenster befestigt werden", sagt er. Dadurch erspare man sich lange und voluminöse Rohrleitungen.
Alles andere als glücklich ist Gundel Timm mit den zwölf RLT-Anlagen an ihrer Schule. "Die sehen schon monströs aus", sagt sie. Auch wegen der Rohre gebe es die schönen Klassenräume von vorher rein optisch nicht mehr. Einmal abgesehen davon, dass die schiere Größe der Geräte auch viel Raum beanspruche. Den wenig anheimelnden Anblick versuchen die Lehrkräfte, so gut es geht zu bemänteln. In der Schule An der Gete hängen Kinderzeichnungen an den Anlagen, am Halmerweg nutzt man die magnetische Oberfläche zum Befestigen von Tagesplänen.
Wie ihr Schulleiterkollege von der Horner Heerstraße versuchte auch Gundel Timm, den Einbau der Anlagen in letzter Minute abzuwenden. Doch vergebens: "Man sagte mir, der Auftrag sei schon erteilt worden." Zu Beginn des Jahres wurden die insgesamt zwölf Geräte dann installiert – in den beiden Altbauteilen der Schule. Weil die Anlagen bislang nicht laufen, kann sie auch nichts zum Geräuschpegel sagen. "Es hieß, die Anlagen sollen nur im Flüsterton zu hören sein", so Timm. Wirklich beruhigend findet sie das allerdings nicht. Denn: "Auch Flüsterton kann störend sein." Nun harrt sie der Dinge, die da kommen mögen. Wenn die Anlagen angeschlossen seien, werde man sich Gedanken über die weiteren Schritte machen.
Den Praxistest hat man in der Schule am Halmerweg schon hinter sich. Dort wurden die Lüftungsanlagen von November bis Januar eingebaut und sind inzwischen in Betrieb. Anders als in Blockdiek haben in Gröpelingen weder ein penetranter Brummton noch ein ständiger Luftzug einen Proteststurm hervorgerufen. "Bislang hat es keine Beschwerden gegeben", sagt Schulleiterin Heidrich. Eine mögliche Ursache: Nach ihrem Eindruck sind die Geräte an ihrer Schule kleiner als jene in Blockdiek. Bleibt der ästhetische Aspekt. "Schick sind die Anlagen nicht", sagt Heidrich. Man versuche jedoch, sie in den Schulalltag zu integrieren – etwa durch die zusätzliche Verwendung als Magnettafel.
Wie Immobilien Bremen bestätigt, wurde der Einbau der Anlagen bis jetzt nur an einer Schule gestoppt. Und das, obwohl es entsprechende Anfragen mindestens von zwei weiteren Schulen gegeben hat – von den Einrichtungen an der Horner Heerstraße und An der Gete. Elternsprecher Stoevesandt hat eine Erklärung dafür, warum den gleichen Anfragen einmal Gehör geschenkt wird und sonst nicht. Nach seinen Informationen hatte die kürzlich in den Ruhestand verabschiedete Schulleiterin einen besonders guten Draht zu Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD).
Nur in einem vorläufigen Ruhestand befinden sich derweil die in Ungnade gefallenen RLT-Anlagen aus Blockdiek. Laut IB-Sprecher Cecere haben sie eine einstweilige Bleibe in einem leeren Schulgebäude der ehemaligen Berufsschule an der Ellmersstraße gefunden. Dort seien die Geräte "temporär zwischengelagert" und warteten auf ihre Wiederverwendung. "Entsprechende Planungen sind in Vorbereitung." Ein kleiner Trost: Dezentrale RLT-Anlagen in den Klassenräumen sind nicht das Modell der Zukunft. Werth betont, bei Schulneubauten seien zentrale Lüftungsanlagen längst Standard. "Die Geräte stehen dann in einer Technikzentrale und die Leitungen verlaufen durch die Decke."