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Raumluftanlagen "Wer denkt sich denn so was aus?"

Mit den sperrigen Be- und Entlüftungsanlagen konnte man sich an der Grundschule Blockdiek nie anfreunden. Nun sind die Geräte wieder weg – anderswo will man dem Beispiel nacheifern.
30.12.2022, 05:00 Uhr
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Von Frank Hethey

Als Befreiungsschlag im Kampf gegen zu hohe Viruskonzentration in Innenräumen waren die raumlufttechnischen Anlagen gedacht, kurz: RLT-Anlagen. Doch als die schrankgroßen Geräte dann in der Schule an der Düsseldorfer Straße in Blockdiek eingebaut wurden, hielt sich die Begeisterung in Grenzen. "Diese Dinger gaben ein dumpfes Brummgeräusch von sich", sagt Elternsprecherin Stefanie Behrmann. Selbstgebasteltes habe sich im Luftstrom immerzu hin- und herbewegt, die Kinder hätten in einem permanenten Luftzug gesessen. Am Ende sei den entnervten Lehrkräften nichts anderes übrig geblieben, als den Stecker zu ziehen.

Nun ist die Grundschule die ungeliebten Lüftungsgeräte ganz los. Nur wenige Wochen währte der Spuk, ehe Immobilien Bremen die insgesamt 29 Anlagen wieder entfernen ließ. Ein ziemlicher Aufwand – mussten doch auch die voluminösen Lüftungsrohre zu den Fenstern abmontiert werden. Mit Interesse vernahm man die Kunde in der Schule an der Horner Heerstraße. Nach den Herbstferien wurden dort 19 Anlagen installiert. Zwar sind sie bis heute nicht in Betrieb gegangen. Dennoch macht Schulleiter Stephan Menne aus seinem Herzen keine Mördergrube. "Wir wollen diese Anlagen auch nicht haben", sagt er.

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Insgesamt sind in Bremen 248 RLT-Anlagen an 13 Grundschulen, einem Gymnasium und einer Kita eingebaut worden. Dem Ganzen liegt ein Förderprogramm der Bundesregierung zugrunde. "Mit dem Förderprogramm leisten wir einen wichtigen Beitrag dazu, auch in der kalten Jahreszeit die Ansteckungsgefahr mit Corona zu reduzieren", hatte der damalige Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) im September 2020 erklärt. Pro Standort übernahm der Bund bis zu 80 Prozent der Gesamtkosten, maximal 500.000 Euro. Die restlichen 20 Prozent wurden laut Bildungsbehörde über den Bremen-Fonds finanziert.

Bis Ende vergangenen Jahres konnte die Förderung beantragt werden, seit Juni 2021 auch für den Neueinbau stationärer RLT-Anlagen. Zuvor hatte der Bund nur die Um- und Aufrüstung bestehender Geräte bezuschusst. Von dem Angebot machte Bremen regen Gebrauch, dabei hielt sich die Bildungsbehörde nach eigener Angabe an Verlautbarungen aus den Schulen. So auch im Falle der Schule an der Düsseldorfer Straße. "Die Schule hatte seinerzeit Bedarf angemeldet", sagt Ressortsprecher Aygün Kilincsoy. Damals seien alle Unterrichtsräume mit Lüftungsgeräten versehen worden. "Die Räume, in denen das mit dem Förderprogramm vom Bund ging, haben wir mit sogenannten RLT-Anlagen versehen."

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Auch die Schule an der Horner Heerstraße berichtete der Behörde von Problemen mit der ordnungsgemäßen Lüftung. Danach habe man lange nichts gehört, so Schulleiter Menne. Bis es irgendwann hieß, die Anlagen würden in den Herbstferien eingebaut. Rechtzeitig klappte das allerdings weder an der Grundschule in Blockdiek noch in Horn. In beiden Schulen wurden die Anlagen im laufenden Betrieb installiert. In Horn auch nicht wie angekündigt innerhalb eines Tages, sondern an vier Tagen. "Die Kinder mussten anderweitig untergebracht werden", so Menne. Sein Fazit: "Der Ablauf war inakzeptabel."

Vom Ergebnis waren nicht nur die Kinder entgeistert. "Wer hat sich denn so was ausgedacht?" war laut Menne eine häufig gestellte Frage. Auch er selbst konnte nur schwer an sich halten. Vergebens protestierte er bei verschiedenen Ansprechpartnern gegen die riesigen Anlagen. "Aber es war zu spät, der Einbau war nicht mehr zu verhindern." Die gleiche Erfahrung machte man in Blockdiek. "Wir haben uns an mehrere Stellen gewandt, um das zu stoppen", sagt Elternsprecherin Behrmann. Man habe aber nirgends Gehör gefunden. 

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Dass die Anlagen die Größe eines Kleiderschranks haben, ist Menne zufolge schon problematisch genug – angesichts der beschränkten Raumgrößen im Altbau der Horner Schule. "Aber vor allem die Rohre übertreffen meine schlimmsten Erwartungen", sagt er. Auch Elternsprecherin Behrmann stieß sich an den "Riesenrohren", die nicht verkleidet werden konnten. Menne kann sich des Eindrucks nicht erwehren, die Kinder seien in einem Technikraum geparkt. Schon allein der Schattenwurf der Anlagen gibt ihm zu denken. "Die Raumästhetik ist komplett dahin."  

Nur mit einem Kopfschütteln quittiert Behrmann das Intermezzo mit den RLT-Anlagen. Zumal es an der Schule in Blockdiek genügend Sanierungsbedarf gebe. "Da gibt es definitiv andere Baustellen. Vernünftiger wäre es gewesen, sich der Fenster anzunehmen", sagt sie.

In der Bildungsbehörde sieht man die Dinge anders. "Die Zweckmäßigkeit dieser Anlagen ist nach wie vor unbestritten", sagt Kilincsoy. Über die künftige Verwendung der wieder ausgebauten Lüftungsanlagen macht er sich keine Sorgen. Andere Schulen hätten bereits Interesse an ihnen gezeigt, "sodass sie jetzt woanders eingebaut werden können". 

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