Seit den Silvesterkrawallen wird wieder über eine generelle Registrierungspflicht für Schreckschusswaffen diskutiert: Nicht nur für das Führen außerhalb der eigenen Wohnung, sondern schon für den Erwerb soll demnach der Kleine Waffenschein Bedingung sein. Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) und einige innenpolitische Sprecher der Bürgerschaftsfraktionen unterstützen diese Forderung, andere sind skeptisch. Der Umgang mit nicht-scharfen Schusswaffen ist ein komplexes Thema – wir versuchen, die wichtigsten Begriffe, Vorschriften und Positionen dazu zu klären.
Wie viele dieser Waffen sind im Umlauf?
Nach einer Schätzung der Gewerkschaft der Polizei (GdP) vom Frühjahr 2021 waren in Deutschland mindestens 15 Millionen Schreckschuss-, Reizgas- und Signalwaffen (SRS-Waffen) im Umlauf. Registriert sind aber nur jene, für die ein Kleiner Waffenschein beantragt wurde, um sie auch außerhalb der eigenen Wohnung führen zu dürfen – etwa zur Selbstverteidigung und Abschreckung. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums waren Anfang 2020 knapp 665.000 dieser Waffenscheine im Nationalen Waffenregister verzeichnet. Ende 2022 hatten laut Innenbehörde genau 3257 Inhaber des Kleinen Waffenscheins ihren Wohnsitz im Bundesland Bremen.
Wer darf SRS-Waffen verkaufen?
"Der Handel mit Waffen ist nur für Inhaber einer Waffenhandelserlaubnis zulässig", sagt Rose Gerdts-Schiffler, Sprecherin des Innensenators. Die entsprechenden Geschäfte müssten aber niemandem melden, wie viele SRS-Waffen sie verkauft haben. Deshalb könne man auch nicht einschätzen, wie viele SRS-Waffen gerade in Bremen im Umlauf sind.
Wer bekommt den Kleinen Waffenschein?
Jeder Volljährige, wenn seine Zuverlässigkeit und persönliche Eignung zum Führen einer Waffe behördlich geprüft wurde. Dazu werden laut GdP "umfangreiche Auskünfte aus dem Bundeszentralregister, dem Staatsanwaltlichen Verzeichnis sowie aus anderen polizeilichen Systemen" eingeholt.
In Bremerhaven hat sich die Zahl der erteilten Kleinen Waffenscheine laut Innenbehörde von 2015 bis 2020 mehr als verdoppelt, was im Bundestrend liegt. In der Stadtgemeinde Bremen habe man von 2017 bis 2020 lediglich einen Anstieg von 4,8 Prozent verzeichnet.
Der Kleine Waffenschein berechtigt ausschließlich zum Führen von SRS-Waffen, keinesfalls aber zum Erwerb scharfer Schusswaffen. Die GdP betont zudem, dass es auch mit Kleinem Waffenschein nicht erlaubt sei, mit SRS-Waffen an Silvester zu schießen.
Wieso dann eine generelle Registrierung?
Damit werde "der Zeitpunkt, zu dem es einer waffenrechtlichen Erlaubnis bedarf, wesentlich vorverlagert", sagt Gerdts-Schiffler. "Wenn bereits bei Erwerb einer SRS-Waffe eine waffenrechtliche Erlaubnis vorliegen muss, würde dies voraussichtlich dazu führen, dass weniger SRS-Waffen überhaupt in den Umlauf gelängen." Zudem wären zumindest sämtliche neue Besitzer von SRS-Waffen sofort bei den Waffenbehörden registriert.
Was sagen die Abgeordneten dazu?
Kevin Lenkeit, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, findet an dem Vorstoß gut, dass dann vermutlich weniger junge Erwachsene eine SRS-Waffe kaufen würden. Grundsätzlich sei der freie Verkauf von täuschend echt aussehenden Waffen ein Problem, weil das Hantieren mit ihnen oft zu Polizeieinsätzen führe.
Auch Lenkeits CDU-Kollege Marco Lübke, von Beruf Polizist, begrüßt die Initiative, "weil so nur ein kleinerer Teil von Menschen an solche Waffen legal herankommt". Zudem könne die Behörde "Personen besser entwaffnen, indem man die Waffenscheine entzieht oder versagt". Das Kernproblem bliebe allerdings ungelöst: Menschen, die sich nicht an Normen und Gesetze halten, auch keinen Respekt vor Rettungskräften und anderen Personen haben. "Das sind so tiefgreifende gesellschaftliche Probleme, die wir mit einer Waffenrechtsverschärfung nicht lösen können."
Mustafa Öztürk, innenpolitischer Sprecher der Bremer Grünen, fordert, dass Erwerb, Besitz und Handel mit Schreckschusswaffen genau nach den Gesetzen für scharfe Schusswaffen geregelt wird. Die FDP-Innenpolitikerin Birgit Bergmann bezweifelt, dass ein erschwerter Erwerb von Schreckschusswaffen dazu führt, dass diese auch seltener in der Öffentlichkeit geführt oder gar benutzt werden: "Für Interessierte ist es nämlich gar kein Problem, sich Schreckschusswaffen in anderen europäischen Ländern zu besorgen." Politisch wichtiger sei die Frage, warum sich immer mehr Menschen Schreckschusswaffen beschaffen.
Gibt es nicht schon ein Vollzugsdefizit?
"Die bestehenden Regelungen werden durchgesetzt", versichert das Innenressort, während Lenkeit auf die Polizeistatistik verweist: "Das Land wird nicht unsicherer." Dem widerspricht CDU-Mann Lübke mit Blick auf die Silvesternacht entschieden: "Es ist davon auszugehen, dass eine Vielzahl der Menschen in der Silvesternacht entsprechende Waffen hätte gar nicht führen dürfen."
Grünen-Politiker Öztürk stimmt dem zu: "Die Polizei kann nicht immer überall alles kontrollieren, das dürfen wir als Gesellschaft auch nicht erwarten." Aber beim Kauf einer Waffe lasse sich das Vorhandensein eines Kleinen Waffenscheins eben viel effizienter kontrollieren als beim Führen der Waffe in der Öffentlichkeit. Bergmann verweist darauf, dass Deutschland bereist eines der strengsten Waffengesetze der Welt habe. Doch es sei die "absolute Ausnahme, dass legale Waffen verwendet werden, um Straftaten zu begehen".
Selbstverteidigung per Schrillalarm?
Statt Selbstaufrüstung per Schreckschusswaffe empfiehlt die GdP sogenannte Schrillalarm-Geräte in der Größe von Schlüsselanhängern: Mit denen kann man bei einem Angriff extrem laute Töne von bis zu 140 Dezibel erzeugen – das entspricht einem Düsentriebwerk in 25 Meter Nähe und liegt deutlich über der Schmerzgrenze. Schrillalarm (auch Panik- oder Taschenalarm genannt) unterliegt dabei keinem Waffengesetz, für den Erwerb muss man also nicht einmal volljährig sein.
"Alles, was keine Anscheinswaffe ist, ist besser", begrüßt Lenkeit die Alternative. "Er ist klein, kostet nicht viel und schaden kann er auch nicht", meint Lübke. "Es ist auf jeden Fall sicherer, sinnvoller und zielführender als eine Schreckschusswaffe zu führen." Öztürk findet, damit könne man "Gefahrensituationen wirksam entschärfen". Bergmann hingegen ist skeptisch: "Eine Lebensversicherung ist es nicht. Denn auch damit wird ein Angriff nicht zuverlässig abgewehrt oder beendet."