
Knapp vier Wochen nachdem die Finanzaufsicht Bafin Anzeige gegen die Bremer Greensill Bank erstattet hat, ist klar: Die Wirtschaftsabteilung der Bremer Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Personaldecke die Ermittlungen gegen das Geldinstitut allein nicht stemmen können. Der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel rechnet mit dem bisher kompliziertesten Fall für die Bremer Staatsanwaltschaft: „Die Ermittlungen und der Prozess werden nochmals das übersteigen, was die Staatsanwaltschaft in der Vergangenheit beim Beluga-Prozess gegen Niels Stolberg und im Fall Bremer Vulkan zu leisten hatte.“
Der Insolvenzverwalter Michael Frege geht bei seiner Arbeit von einer Verfahrensdauer zwischen fünf und zehn Jahren aus. Auch für die Staatsanwälte ist das eine Ansage. Was es den Ermittlern laut Hickel schwierig macht: "Im Gegensatz zum Bremer Vulkan und zum Fall der Beluga-Reederei gibt es bei der Greensill Bank eine unglaubliche Verflechtung. Es handelt sich hier schließlich um ein internationales Finanzkonglomerat und ein von Greensill dominiertes Finanz-Netzwerk.“ Dabei verweist der Wirtschaftswissenschaftler darauf, dass es in Großbritannien bereits Ermittlungen gibt, was die Rolle Sanjeev Guptas und seines Konzerns GFC Alliance angeht. Die Expansion des Unternehmens wurde von Greensill Capital, der Mutter der Bremer Greensill Bank, finanziert.
Der Prozess verlangt laut Hickel höchste Kompetenz: „Es geht ja um den Nachweis der Bilanzfälschung. Es geht außerdem um die Nichtausweisung und Identifizierung von Forderungen und um die Factoring-Geschäfte beim Thema Verpackungen – also die sogenannten Supply-Chain-Fonds.“ Beim Blick auf die Personalsituation der Bremer Ermittlungsbehörde stellt der Wirtschaftswissenschaftler fest: „Bei aller Qualität überfordert das die Staatsanwaltschaft in Bremen.“ Im Stolberg-Prozess habe sie eine hohe Kompetenz zu den Ermittlungen um Bilanzfälschung gezeigt.
Laut Bremer Justizressort laufen seit vergangener Woche Gespräche über die Personalsituation angesichts des zu erwartenden Großverfahrens. Die Staatsanwaltschaft soll bis Donnerstag Justizsenatorin Claudia Schilling (SPD) über den Sachstand der Ermittlungen und den dafür nötigen, zusätzlichen Personalbedarf berichten. Ressortsprecher Matthias Koch sagte dem WESER-KURIER: „Es steht auch für die Senatorin außer Frage, dass die Abteilung mit weiterem, zusätzlichem Personal ausgestattet werden muss, um das anstehende umfangreiche Verfahren bewältigen zu können."
Laut Koch ist die zuständige Wirtschaftsabteilung der Bremer Staatsanwaltschaft momentan mit sechseinhalb Vollzeitstellen besetzt. Sie sind unter anderem für Ermittlungsverfahren der Insolvenzverschleppung zuständig, der Steuerhinterziehung, des Subventionsbetrugs, des Kreditbetrugs, des Kapitalanlagebetruges oder auch der Verletzung von Buchführungspflichten.
Der Sprecher der Bremer Staatsanwaltschaft, Frank Passade, sagte, dass man mit dem Insolvenzanwalt über den Termin für ein gemeinsames Gespräch geredet habe. Über den bisherigen Stand der Ermittlungen machte er keine Angaben. Die Türen zu den Büroräumen der Greensill Bank an der Martinistraße trugen zumindest am Montagmorgen kein Polizeisiegel. Was Durchsuchungen der Räume angeht, sagte Ressortsprecher Koch: „Ohne zu sehr ins Detail gehen zu wollen, ist in Verfahren gegen insolvente Firmen stets zu bedenken, dass ein gerichtlich bestellter vorläufiger Insolvenzverwalter gesetzlich verpflichtet ist, das gesamte Vermögen der insolventen Firma in Besitz zu nehmen – also auch sämtliche Geschäftsunterlagen, die Geschäftsräume, den Unternehmensdatenbestand, die Geschäftskonten und so weiter.“
Aus diesem Grund sei es üblich, dass Insolvenzverwalter und Staatsanwaltschaft in solchen Ermittlungsverfahren eng zusammenarbeiten. Die Justizsenatorin habe auch vor diesem Hintergrund vollstes Vertrauen, dass die Staatsanwaltschaft alle strafprozessual erforderlichen Schritte veranlasst habe oder veranlassen werde. Amtshilfe aus Niedersachsen sei nicht möglich, ergänzt Koch: „Gesetzlich ist es schlicht nicht möglich, mit den Ermittlungen in einem solchen Verfahren eine Staatsanwaltschaft eines anderen Bundeslandes zu betrauen.“
Die Ermittlungen werden zeigen, gegen welche Beschäftigten der Greensill Bank sie sich konkret richten. Das Ende des Strafprozesses könnte Zivilprozesse nach sich ziehen, bei dem geschädigte Kommunen versuchen werden, auf Schadenersatz zu pochen. Die Bafin wollte sich am Montag nicht zu den bisherigen Ermittlungen der Bremer Staatsanwaltschaft äußern.
Die Summe, die der Einlagensicherungsfonds vom Bundesverband deutsche Banken an Kunden der Greensill Bank zahlen muss, liegt bei 3,1 Milliarden Euro. Eine Milliarde Euro davon sei über die gesetzliche Einlagensicherung abgedeckt, zwei Milliarden Euro seien über die freiwillige Einlagensicherung der privaten Banken garantiert.
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