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Digitales Kataster geplant Bremens Bäume auf einen Klick

Der Umweltbetrieb Bremen ist dabei, den städtischen Baum-Bestand in einem digitalen Kataster erfassen zu lassen. Die meisten der 70.000 Straßenbäume sind im System. Jetzt sind die Parkbäume an der Reihe.
07.04.2015, 00:00 Uhr
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Bremens Bäume auf einen Klick
Von Christian Weth

Beim Nachnamen von Heiner Baumgarten ist es noch so wie früher: Er verrät, was der Mann macht. Baumgarten arbeitet beim Umweltbetrieb. Er leitet den Bereich Grünpflege und Entwicklung. Man könnte ihn auch Bremens obersten Gärtner nennen. Oder den Herrn der Bäume. Er weiß, wie es den Buchen, Weiden und Eichen geht. Und bald sogar, wie es um jeden einzelnen Baum bestellt ist. Mit einem Mausklick. Baumgarten ist dabei, den städtischen Bestand in einem digitalen Kataster erfassen zu lassen. Die meisten der 70.000 Straßenbäume sind bereits im System. Jetzt kommen die 220.000 Parkbäume an die Reihe.

Iris Bryson macht vor, wie das virtuelle Werkzeug funktioniert. Sie hat das Büro gegenüber von Baumgarten. Er ist ihr Chef, sie ist Referatsleiterin. Der Baum mit der Ziffer 4129 soll’s sein. Er ist auf einem speziellen Stadtplan zu sehen, den Bryson auf dem Monitor hat. Sie klickt die Zahl an und kennt plötzlich jedes kleinste Baum-Detail. Sie braucht nur von einem Bildschirmfenster abzulesen: „Quercus robur, Stieleiche. Kronenumfang: sieben Meter. Höhe: 14 Meter. Gepflanzt: 1960. Vitalität: 80 Prozent.“ Nein, sagt sie, ganz gesund sei die Eiche nicht.

Der Grund wird auf einem anderen Computerfenster sichtbar. „Totholz“ steht dort. Auch die Zahl der betroffenen Äste ist vermerkt: Fünf. Und: „Porling“ – ein Pilz hat sich in den Stamm gefressen. „Das Wichtigste“, sagt Bryson, „ist hier unten rechts zu lesen“. Ein Monat samt Jahreszahl. „Januar 2016“, der nächste Kontrolltermin. Um ihn geht es letztlich bei diesem Kataster. Es soll das Überprüfen der Bäume individueller machen. Und dem Umweltbetrieb gleichzeitig helfen, Zeit sowie Kosten bei der Kontrolle zu sparen.

>> Was nützt ein Kataster, wenn Personal fehlt?

Bislang war die Kontrolle vor allem Zettelwirtschaft. Auf Bögen trugen die Prüfer ein, wie gut oder wie schlecht es dem oder jenen Baum ging. Und was geschehen muss, damit die Verkehrssicherheit gewährleistet bleibt. Jetzt machen sie das mit Tablet-Computern. Die Daten werden direkt in das Kataster eingespeist, kein Auswerten von Papier mehr, kein Aufstellen von Kontrollplänen anhand von Aktenordnern.

Das übernimmt der Rechner. „Er zeigt uns mit einem Klick, welche Arbeiten an wie vielen Bäumen notwendig sind.“ Referatsleiterin Bryson demonstriert, was Baumgarten meint. Sie umkreist mit dem Mauszeiger einen Teil der Neustadt und tippt „Totholz“ ein. Eine Zahl erscheint: „720“, liest sie vor. So viele Bäume müssen in diesem Areal ausgelichtet werden.

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Das Kataster ist im Grunde ein Kompromiss. Ursprünglich sollte nämlich jeder Baum auf öffentlichem Boden zweimal im Jahr überprüft werden. So wollte es der Gesetzgeber. Und stieß auf Widerstand: „Keine Kommune hat so viel Personal fürs Grün, um das leisten zu können.“ Bereichsleiter Baumgarten blickt aus dem Fenster. Überall sei die Zahl der Kollegen verringert worden. In Bremen wurde sie sogar halbiert, von 400 auf 200.

Darum hätten die Städte angefangen, einen Kontrollmodus zu suchen, den Richter, Rechtsanwälte und Versicherer gleichermaßen akzeptieren. Herausgekommen sei ein Takt, der sozusagen auf jeden Baum zugeschnitten und der berücksichtige, wie krank beziehungsweise gesund er sei. Je nach dem, zu welcher Diagnose die Kontrolleure kämen, sei der Intervall mal länger, mal kürzer.

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Manchmal gibt es auch gar keinen. Referatsleiterin Bryson hat mehrere Bäume auf dem Stadtplan ihres Rechners ausprobiert. Bei ihnen erscheint auf dem Monitor nur ein einziger Hinweis: „Keine Daten vorhanden.“ Vor allem bei Parkbäumen ist das so. Sie sind noch nicht erfasst. Damit soll im Sommer begonnen werden, wenn sie in voller Blüte stehen.

Testgelände Wolfskuhlenpark

Hamburg hat mit dem Erfassen der Bestände in Grünanlagen schon angefangen. 245 000 Straßenbäume und dreimal so viele Parkbäume gibt es in der Hansestadt an der Elbe. Baumgarten kennt die Zahlen aus dem Effeff. Bis Ende vergangenen Jahres hatte er in Hamburg einen ähnlichen Posten wie jetzt in Bremen. Und mit dem digitalen Kataster ähnliche Probleme wie jetzt in Bremen. An der Straße sei es einfach, Bäume zu erfassen. „Dort stehen sie einzeln und in regelmäßigen Abständen.“ Anders als in Parks, wo es wild durcheinander gehe.

Bryson veranschaulicht auch diesen Satz ihres Chefs. Diesmal aber nicht am Computer im Büro, sondern mit einem Tablet-PC draußen im Wolfskuhlenpark. Er ist Testgelände. Dort sind die ersten Bäume mittlerweile erfasst und ihre Daten ins System gespeist. „Die hier vorne, die unmittelbar am Fußweg und die beiden hohen da.“ Iris Bryson zeigt erst auf sie, dann auf das Gehölz dahinter. „Das werden wir vorerst als Ganzes erfassen, nicht jeden Baum separat.“ Sonst würde die Arbeit einfach zu lange dauern. Baumgarten will in den nächsten drei Jahren rund 50 000 Parkbäume im Kataster eingetragen haben. Ein Unterfangen, das erst einmal Geld kostet, bevor das Digitalisieren sparen hilft. Der Bereichsleiter beziffert die Ausgaben für die drei Jahre auf knapp eine Million Euro. „Geräte, Programme, Lizenzen, Schulungen für Mitarbeiter – da kommt was zusammen.“

Bryson weiß längst, wie das Erfassen mit dem Tablet geht. Sie steht vor einer Trauerbuche, die tatsächlich ein trauriger Anblick ist. Bryson nennt sie „unser Sorgenkind“. Ein Brandkrustenpilz hat sich an den Wurzeln ausgebreitet. Die Krone wird mit überdimensionalen Gummibändern zusammengehalten, damit sie nicht bei heftigem Wind auseinanderbricht. Bryson tippt alles auf dem Tablet ein, zum Schluss den nächsten Kontrolltermin. In wenigen Monaten ist sie wieder dort.

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