War die Erhöhung der Abwassergebühr im Jahr 2017 rechtens? Diese Frage ist Gegenstand eines Rechtsstreits vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG). Angestrengt hat ihn der frühere Hochschullehrer Ernst Mönnich bereits vor fast drei Jahren. Dass die juristische Klärung irgendwelche Fortschritte macht, kann man indes nicht behaupten, und genau das bringt den Kläger auf die Palme. Für Mönnich ist es unverständlich, dass ein Rechtsstreit, von dessen Ausgang indirekt Zehntausende Bremer Privathaushalte betroffen sind, schon so lange ruht. „Hier herrscht ein Stillstand der Rechtspflege“, beklagt der ehemalige Professor für Volkswirtschaftslehre.
Mönnich hat sich über die Jahre einen Ruf als „Abwasserrebell“ erworben. Er sah die Privatisierung der Stadtentwässerung im Jahr 1998 kritisch. Nach seiner Überzeugung kassiert der damalige Erwerber Hansewasser über die Abwassergebühr zu viel für den Betrieb von Kanalnetz und Kläranlagen. 2009/2010 klagte Mönnich gegen seinen persönlichen Abwassergebührenbescheid – ein Verfahren, das nach wie vor anhängig ist. Zwischenzeitlich hatte das Oberverwaltungsgericht beschlossen, bei der Preisprüfungsstelle der Wirtschaftsbehörde ein Gutachten zu der Frage einzuholen, wie ein angemessenes Entgelt für die Leistungen aussehen könnte, die Hansewasser erbringt.
Im Februar 2018 legte Ernst Mönnich juristisch nach. Er erhob vor dem OVG eine sogenannte Normenkontrollklage gegen die Anhebung der Abwassergebühr im Jahr 2017. Seinerzeit hatte die Stadtbürgerschaft den Betrag von 2,64 auf 2,82 Euro pro Kubikmeter angehoben. Mönnich ist überzeugt: Für einen solchen Anstieg gab und gibt es keine belastbare kalkulatorische Grundlage. Seine eigenen Berechnungen legen eher Spielräume für eine Gebührensenkung nahe.
Verzögerung eingeräumt
Um die rechtliche Klärung zu beschleunigen, stellte Mönnich im Herbst 2019 einen Verfahrensantrag: Das Gutachten der Preisprüfungsstelle, so sein Vorschlag, solle von seiner privaten Gebührenklage auf die Normenkontrollklage übertragen werden. Im Januar schloss sich dieser Anregung auch die Stadt als Gegenseite im Prozess an. Sie wird in dem Verfahren durch die Umweltbehörde vertreten. Doch bisher hat sich das OVG nicht in der Lage gesehen, über diesen Antrag zu entscheiden. Auch nicht über den Wunsch von Hansewasser, als betroffene Institution zu dem Verfahren beigeladen zu werden.
Für Kläger Mönnich ist das unverständlich. Wie soll der Prozess vorankommen, wenn nicht einmal einfache Verfahrensanträge vom OVG innerhalb eines Dreivierteljahres positiv oder ablehnend beschieden werden? „Es geht bei der Normenkontrollklage ja nicht um meine persönliche Abwasserrechnung, sondern um Millionenbeträge, die den Privathaushalten meiner Ansicht nach zu Unrecht abverlangt werden“, macht Mönnich geltend.
OVG-Sprecher Friedemann Traub räumt ein, dass das Verfahren stockt. „Das ist in der Tat schon relativ alt“, so der Richter. Die Normenkontrollklage werde vom 2. OVG-Senat verhandelt, der sich auch schon mit Ernst Mönnichs persönlicher Gebührenklage befasst hat. „Das Problem ist, dass es diesen Senat in der ursprünglichen Zusammensetzung nicht mehr gibt“, begründet Traub den Stillstand. Alle beteiligten Richter seien zwischenzeitlich entweder auf andere Stellen befördert worden oder in den Ruhestand getreten. Die notwendige Einarbeitung der neuen Senatsmitglieder ins laufende Verfahren habe eine gewisse Zeit in Anspruch genommen. Es sei nun aber davon auszugehen, dass über den gemeinsamen Verfahrenantrag von Mönnich und Stadt „im Laufe der nächsten sechs bis acht Wochen entschieden wird“, schätzt Gerichtssprecher Traub. Keine Vorhersage wagt er allerdings zu der Frage, wann das Gesamtverfahren abgeschlossen sein könnte.
Begrenzte Kapazitäten
Rechtsanwalt Andreas Reich wundert das nicht. Der erfahrene Verwaltungsrechtler, der am Stern eine Kanzlei betreibt, sagt aus Erfahrung: „Dass Verfahren am Oberverwaltungsgericht zwei, drei Jahre oder sogar länger dauern, kommt leider vor.“ Manchmal brauche das OVG allein ein Jahr, um über die bloße Zulässigkeit von Berufungen gegen Urteile des Verwaltungsgerichts zu entscheiden. Allerdings seien die Kapazitäten des OVG eben auch endlich. Seine zwei Senate könnten nur eine begrenzte Zahl von Verfahren bewältigen.