Genug ist genug. Auf ihrer letzten gemeinsamen Sitzung des Jahres 2022 fanden die Beiräte Östliche Vorstadt und Mitte deutliche Worte der Kritik an der chronischen Unterfinanzierung der Offenen Jugendarbeit in Bremen. Astrid Selle, ihre Fraktionskollegen von den Grünen Sona Terlohr und Steffen Eilers, Sprecher des Beirates Östliche Vorstadt, formulierten sehr deutlich, dass sie die seit Jahren andauernde Hängepartie leid seien. "Gesellschaftsbildung und Prävention muss doch dieser Stadt etwas wert sein", betonte Selle und Terlohr fügte hinzu: "Die Jugendlichen haben einfach keine Lobby in Bremen." Angesichts der drastischen Unterfinanzierung der Offenen Jugendarbeit in den Stadtteilen Mitte und Östliche Vorstadt, wie auch in ganz Bremen, sahen die Beiräte sich nicht in der Lage, über eine Budgetverteilung zu befinden. In der Folge haben sie im Controlling-Ausschuss am 22. November die Stimmabgabe zum Budgetierungsvorschlag verweigert, mit dem Hinweis auf die allgegenwärtige Mangelwirtschaft.
Wie ist die Situation der Träger?
In den Beratungen über das Stadtteilbudget für die Offene Jugendarbeit im gemeinsamen Controlling-Ausschuss für Mitte und Östliche Vorstadt mussten die Beiratsmitglieder 2022 wieder feststellen, dass eine auskömmliche Finanzierung mit den bereitgestellten Mitteln unmöglich ist. Einhelliges Fazit der Beiratsmitglieder: Der vorliegende Budgetierungsvorschlag werde zwangsläufig dazu führen, dass die Träger Öffnungszeiten und Angebote für 2023 reduzieren müssten. Eine für die Beiräte und Bremen nicht hinnehmbare Entwicklung. Wie dramatisch ihre Situation ist, schilderten einige Träger der Offenen Jugendarbeit detailliert. Da die Drittmittel erst später im Jahr ausgezahlt werden, bleibt für einige Träger wie für das Mädchen-Kulturhaus keine andere Möglichkeit, als die Einrichtung im Januar zu schließen. Ähnliche Sorgen äußerten die Vertreterinnen und Vertreter des BDP-Hauses, des Jugendtreffs Bahnhofsvorstadt sowie des Sportgarten e.V.. Besonders dramatisch ist die Lage indes im Sielwallhaus, wie Rolf Hundsack schilderte: Von Ende 2020 bis Ende 2021 sei die Heizung ausgefallen, und wegen des schlechten Gesamtzustandes musste das Gebäude teilweise gesperrt werden. Lange habe Immobilien Bremen nichts getan. Ob die Sanierung jetzt doch noch komme sei weiterhin ungewiss.
Was fordern die Beiräte?
Nach einer lebhaften Diskussion mit Staatsrat Jan Fries (Grüne) aus dem Sozialressort wurde von den beiden Beiräten einstimmig ein Beschluss zur deutlichen Verbesserung der finanziellen Lage der Offenen Jugendarbeit in Mitte und Östliche Vorstadt gefasst. Darin heißt es: "Der für die Jugendarbeit bereitgestellte Anteil aus dem Jugendhilfeetat Bremens beträgt 2,27 Prozent." Damit sei Bremen bundesweit das Schlusslicht. Das stellte Staatsrat Fries allerdings in Abrede. Die Empfehlung von Expertengremien liege indes bei bis zu zehn Prozent, so die Beiratsmitglieder. Die Beiräte sahen sich bezüglich der Budgetierung für das Jahr 2023 gezwungen, einen Beschluss zu formulieren. Darin fordern die Beiräte Mitte und Östliche Vorstadt die unmittelbare Verbesserung der Situation der Offenen Jugendarbeit unter anderem durch die Neubewertung der Mittelverteilung. Eine Bereitstellung von 3,5 Prozent des Jugendhilfeetats für die Jugendarbeit stelle das absolute Minimum dar. Perspektivisch sei unbedingt eine auskömmliche Finanzierung der Offenen Jugendarbeit sicherzustellen, um das Fachpersonal halten zu können und den Bestand der Angebote in den Stadtteilen zu ermöglichen. Und in dem Beschluss der Beiräte wird ferner gefordert, den Verwaltungsaufwand zu reduzieren und die Planungssicherheit zu erhöhen und zwar durch Festbetragsfinanzierung, Zuwendungsverträge mit mehrjähriger Laufzeit sowie Abschaffung der Planungsreserve. Außerdem heißt es in dem Forderungskatalog: Die Träger sollten ferner bezüglich der stark gestiegenen Energiekosten abgesichert werden. Abschließend wird gefordert, dass für den nahezu ganzjährig geöffneten Sportgarten e.V. mit seinen weit über den Stadtteilbezug hinausgehenden, vielfältigen Angeboten ein eigener Haushaltstitel geschaffen werden müsse.
Was wurde besonders kontrovers diskutiert?
Diese Forderung erheben die Beiräte bereits seit Jahren. Allergisch reagierten die Beiratsmitglieder, allen voran Helmut Kersting (Die Linke), auf die Idee, einzelne Träger für Offene Jugendarbeit gegeneinander auszuspielen. Tenor aus dem Sozialressort: Wenn eben nicht alle Einrichtungen im Haushaltsnotlageland Bremen auskömmlich finanziert werden könnten, müsse man vielleicht über eine Schließung einzelner Träger nachdenken. Zumindest konnte Staatsrat Fries in Aussicht stellen, dass die explodierenden Energiekosten im nächsten Jahr vom Senat finanziell abgefedert werden sollen. Dass das in keinem Fall reichen wird, hob Steffen Eilers hervor. Sonst sieht Fries mit Verweis auf den bis einschließlich 2023 festgezurrten Doppelhaushalt erst wieder für das Jahr 2024 finanzielle Spielräume, um etwa die Inflationsrate auszugleichen. Die Beiratsmitglieder befanden, dass das eindeutig zu spät sei, denn Personalkosten stiegen jetzt, von den Auswirkungen der galoppierenden Inflation gar nicht zu reden. Gutes, geschultes Personal inklusive Honorarkräften sei so nicht zu halten. Fries stellte zumindest eine Entbürokratisierung der personalaufwendigen Antragsmodalitäten in Aussicht. Der Staatsrat sagte, dass es keine politische Mehrheit für zusätzliche Mittel zur finanziellen Absicherung der Offenen Jugendarbeit gegeben habe. Andere Projekte hätten für den Senat eher Vorrang gehabt. Er verteidigte den Entschluss, insgesamt 700.000 Euro in Projekte mit überregionaler Strahlkraft zu vergeben und sie nicht nach dem Gießkannenprinzip zu verteilen. Fries betonte, dass es wohl nachvollziehbar sei, dass in bevölkerungsreichen, schwierigen Teilen am Stadtrand wie Gröpelingen mehr Geld auf einen Jugendlichen entfalle als beispielsweise in der Östlichen Vorstadt.