Zwei Nachrichten aus der vergangenen Woche, die ein Menetekel sind: Betten-Wührmann verlässt nach 135 Jahren seinen Standort am Bremer Brill und zieht in einen Laden außerhalb der Innenstadt. Wührmann und der Brill – das ist eine Einheit, beides wurde immer zusammen gedacht. In Zukunft nicht mehr.
Kaum war dieser Schlag verdaut, kam der nächste: Grashoff hört auf. In diesem Fall geht eine 149-jährige Tradition zu Ende. Kein Bistro mehr mit erlesener Küche und angeschlossenem Delikatessengeschäft. Grashoff ist eine Institution, ein beliebter Treffpunkt mitten in Bremen. Nicht ganz zu vergleichen mit dem gleichaltrigen Borchardt in Berlin, wo sich die Schönen, Reichen und Wichtigen ausstellen und nebenher das legendäre Wiener Schnitzel verzehren. Ein bisschen hat Grashoff davon aber auch. Vorbei. Nur die Marke und seine Produkte bleiben erhalten. 21 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Bistro, Feinkostladen und Catering suchen eine neue Arbeit.
Die City verliert an Qualität
Läden schließen, andere machen auf. Die Welt im Wandel, alles ganz normal. So könnte man das sehen und zur Tagesordnung übergehen. Das würde aber verkennen, wie sehr der Weggang von Wührmann und Grashoff einen Trend untermauert: Die Bremer Innenstadt verliert dramatisch an Qualität.
Es gibt mannigfach Beispiele, dass inhabergeführte Fachgeschäfte aufgeben und austauschbare Läden anonymer Ketten nachrücken, oft Telefonshops und Drogerien. Davon betroffen sind auch ehemalige 1-A-Lagen wie die Sögestraße. Dort wird auf der Ecke zur Lloydpassage gerade ein großes Gebäude umgebaut. Der Eigentümer nimmt viel Geld in die Hand und will damit welches verdienen. Wo vorher von Roland-Kleidung hochwertige Ware verkauft wurde, zieht nun die Drogeriekette dm ein. Noch einer dieser Märkte, von denen es in der Innenstadt schon viele gibt. Sie machen viel Profit, auch während der Corona-Krise. Solche Mieter garantieren bei langfristigen Verträgen einen ordentlichen Zins. Und wer will es den Immobilienbesitzern verdenken, dass sie diese Chance nutzen? Im Sinne Bremens ist das aber nicht.
Wahrlich kein Wohlfühlort mehr
Hört man den Inhabern von Wührmann und Grashoff zu, nennen sie Gründe für ihre Entscheidung, die weit über das eigene Geschäft hinausweisen. Beide sehen die Innenstadt in einem Strudel, der schon lange anhält und den Boden noch nicht erreicht hat. Geschäftsaufgaben und Leerstände, viele schmuddelige Ecken – Bremens Kern ist, abgesehen von Marktplatz, Schnoor und Böttcherstraße, wahrlich kein Wohlfühlort, der Lust darauf macht, zu flanieren, einzukehren und einzukaufen. Nicht wenige Bremerinnen und Bremer haben sich abgewandt und fahren lieber nach Hamburg, Oldenburg oder Groningen. Das sind meist Kunden, die etwas mehr im Portemonnaie haben, das Klientel von Grashoff und Wührmann. Andere halten es mit Dodenhof, Weserpark oder der Waterfront – das ist bequem, alles da, gut parken kann man auch.
An manchen Orten tut sich was
Diese Menschen, beide Gruppen, wieder zurückzuholen, ist das Gebot der Stunde bei der Entwicklung der Innenstadt. An manchen Orten tut sich ja durchaus etwas: Balgequartier, Lebendiges Haus, Sparkassengelände. Richtig ist auch, in der City mehr Wohnungen zu schaffen und zu einem anderen Nutzungsmix zu kommen. Es ist aber nicht mehr endlos Zeit dafür. Gerade für solche Geschäfte, die nicht das Kapital großer Unternehmen im Kreuz haben, wird es eng. Das hat sicherlich mit der Pandemie zu tun, aber mehr noch damit, dass es an einem attraktiven Umfeld fehlt.
Schuld daran sind der extrem zähe Strukturwandel, teilweise die Unentschlossenheit des Senats und ganz konkret ein Großprojekt, das nicht vorankommt. Geschlagene vier Jahre plant der Bremer Unternehmer Kurt Zech nun schon ein neues Areal rund um das Parkhaus Mitte, das abgerissen werden soll. Wie es aussieht, werden weitere Jahre ins Land gehen, bevor Neues entsteht. Das hat Konsequenzen, denn so lange nicht feststeht, was dieses Neue sein wird und wann es kommt, halten sich andere Investoren zurück. Eine Blockade, die viele Geschäfte nicht überleben werden.