Hülsenfrüchtler wie Erbsen oder Bohnen sind nicht nur wichtige Bestandteile einer pflanzenbasierten Ernährung, sie sind auch wertvolle Zwischenfrüchte in der Landwirtschaft: In ihren Wurzelknöllchen gehen sie eine Symbiose mit Rhizobien ein. Diese Bakterien sind – anders als Pflanzen – in der Lage, Stickstoff aus der Luft zu binden und daraus Ammonium zu bilden. In dieser Form können auch Pflanzen Luftstickstoff als Nährstoff verwerten und benötigen keinen mineralischen Stickstoffdünger. Im Gegenzug versorgen die Pflanzen die Bakterien mit anderen Nährstoffen, die sie mittels Photosynthese produzieren. Nach der Ernte dient das Grün der Hülsenfrüchtler noch als biologischer Dünger und wertet den Boden auf.
Auch im Meer haben Forscher schon lange beobachtet, dass Mikroorganismen Stickstoff aus der Atmosphäre binden – allerdings weit mehr, als durch die bekannten Organismen zu erklären war. Einen Teil dieser Erklärungslücke hat ein Team vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen nun geschlossen: Im tropischen Atlantik vor Barbados entdeckten sie bislang unbekannte Verwandte der terrestrischen Rhizobien.
Als Teil eines großen Projektes namens EUREC4A, an dem zahlreiche Forschungseinrichtungen mit mehreren Forschungsschiffen und -flugzeugen beteiligt waren, sind Wiebke Mohr und ihre Kollegen im Jahr 2020 auf zwei Schiffen rund 120 Meilen vor der Küste unterwegs gewesen. Dabei nahmen die Fachleute Wasserproben aus den oberen 200 Metern, dem lichtdurchfluteten Bereich des Meeres.
„Die biologische Aufnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre ins Meer geschieht mittels Photosynthese“, erklärt Mohr. Algen binden das CO2 in ihrer Biomasse, sinken nach ihrem Tod ins Sediment ab und halten das Treibhausgas so für lange Zeit von der Atmosphäre fern. Die Verfügbarkeit von Stickstoff als Nährstoff der Algen beeinflusst, wie stark diese wachsen, und damit, wie viel CO2 aus der Atmosphäre verschwindet.
Durch Erderwärmung beeinflusst
„Um diesen Faktor für die Zukunft zu verstehen, müssen wir verstehen, wie die Stickstofffixierung als Quelle von Stickstoff im Meer beeinflusst wird durch Versauerung, veränderten Nährstoffeinfluss und Erwärmung“, erläutert die Mikrobiologin. „Das können wir aber nur modellieren, wenn wir wissen, welche Organismen den Stickstoff fixieren.“
In früheren Studien haben Forscher zunächst gasförmigen Stickstoff aus dem Isotop 15N zu Meerwasserproben zugegeben. 15N ist eine Form des Stickstoffs, die in der Natur nur sehr selten vorkommt. 24 Stunden später sammelten die Forscher mit Filtern alles Plankton aus der Wasserprobe ein, das mehr als 0,7 Mikrometer durchmisst. Im Labor lässt sich dann 15N vom in der Natur weit häufigeren 14N unterscheiden. Dadurch können die Forscher nachvollziehen, wie viel des zugefügten Stickstoffgases am Ende von Mikroorganismen fixiert worden sein muss.
Drei bis vier Gattungen von Cyanobakterien kennt die Wissenschaft, die im Meer den atmosphärischen Stickstoff binden können. Doch davon gibt es in den Wasserproben zu wenige, um die Stickstofffixierung zu erklären: „Wenn wir ausrechnen, wie viele Stickstofffixierer da sein müssen, dann passt das häufig nicht zusammen“, sagt Mohr.
Ein Puzzle aus ganz viel DNA
„Wir haben deshalb auf unseren Ausfahrten Proben genommen und deren Metagenome sequenziert“, berichtet die Bremer Forscherin. Metagenome sind die Summe allen Erbgutes, das sich in einer Probe finden lässt, das dadurch aber nicht einzelnen Organismen zugeordnet ist. Anhand von Datenbanken und Bioinformatik lassen sich die einzelnen Genome jedoch aus diesen Metagenomen rekonstruieren.
„Wir kannten schon lange einen Teil des Gens, das für die Stickstofffixierung verantwortlich ist“, erläutert die Mikrobiologin. Doch ebenso lange ging die Fachwelt davon aus, dass dieses Gen für das Enzym Nitrogenase zu einem Vertreter der Gammaproteobakterien gehöre. Mohr und ihre Kollegen konnten nun nach drei Jahren Arbeit an den Metagenomen nachweisen, dass der Besitzer des Gens in diesem Fall ein Alphaproteobakterium sein müsse. In der Natur kommt es immer wieder vor, dass Bakterien einander Gene übertragen. So muss auch dieses Bakterium gelernt haben, Stickstoff zu fixieren.
In einem weiteren Schritt haben die Forscher eine Gensonde hergestellt, ein Molekül, das spezifisch an die RNA in den Ribosomen des mutmaßlichen Alphaproteobakteriums bindet und über eine Fluoreszenz im Mikroskop sichtbar gemacht werden kann. Damit gelang der Nachweis, dass das nur vom Metagenom bekannte Bakterium tatsächlich in den Meerwasserproben existiert. Es handelt sich um ein Rhizobium, das mit Kieselalgen eine ähnliche Partnerschaft eingeht, wie es terrestrische Rhizobien mit Hülsenfrüchtlern tun. Die Forscher tauften es Candidatus Tectiglobus diatomicola.
Die Suche geht weiter
„Um die Kieselalge in ihrem Wachstum zu unterstützen, fixiert das Bakterium 100-mal mehr Stickstoff, als es für sich selbst benötigen würde“, berichtet Mohr. Damit liegt es in einer vergleichbaren Größenordnung wie die bekannten Cyanobakterien. Vor allem in Meeresregionen, in denen Cyanobakterien nicht vorkommen, dürfte es wesentlich für die Stickstofffixierung und damit auch die CO2-Aufnahme sein. „Wir wissen allerdings noch zu wenig, um seine globale Bedeutung verlässlich einzuschätzen“, sagt die Bremer Forscherin. Vor allem die Frage, in welchen Regionen es wie häufig vorkommt, sollen weitere Ausfahrten beantworten. Mohr selbst ist zudem neugierig, welche weiteren Bakterien im Meer Stickstoff fixieren. Denn die Lücke aus den Messdaten kann das jüngst entdeckte Rhizobium nur teilweise schließen.