Kaffee könnte vor einer Corona-Infektion schützen, das legen die ersten Forschungsergebnisse eines Teams um Chemiker Nikolai Kuhnert von der Jacobs University Bremen nahe. Für viele Kaffeeliebhaber klingt das wie ein Sechser im Lotto. Aber was genau bedeuten die Ergebnisse?
Was wurde getestet?
In einem Laborexperiment untersuchten die Forscher, wie sich das Coronavirus, Kaffee und menschliche Wirtszellen in Wechselwirkung zueinander verhalten. Dabei konnten sie feststellen: "Die im Kaffee enthaltene 5-Caffeoylchinasäure, auch Chlorogensäure genannt, hemmt das Andocken des SARS CoV-2-Spike-Proteins an der menschlichen Zelle", sagt Kuhnert. Das würde im Umkehrschluss bedeuten, dass auch der Infektionsprozess gehemmt wird.
Kaffee wurde bereits vor Veröffentlichung der Forschungsergebnisse aus Bremen ein positiver Effekt für das Immunsystem nachgesagt. So haben Forscher aus Schanghai – auf der Suche nach einem Medikament gegen Corona – herausgefunden, dass die im Kaffee enthaltenen Bitterstoffe eine wichtige Rolle hinsichtlich der Immunabwehr bei Menschen spielen.
Was bedeuteten die Bremer Ergebnisse für die Praxis?
"Als Chemiker können wir für die Praxis zwar nicht beantworten, ob Kaffeetrinken wirklich als vorbeugende Maßnahme zum Infektionsschutz dienen könnte. Aber wir können sagen, es ist plausibel", so Kuhnert. "Dass Kaffee auch andere positive Wirkungen hat, ist gut nachgewiesen", sagt der Wissenschaftler. So gebe es eine gute Beweislage dafür, dass regelmäßige Kaffeetrinker seltener an Diabetes Typ II leiden würden. "Wenn der Effekt auch in der Praxis so wirkt, wie unter Laborbedingungen, könnte das dazu führen, dass sich weniger Menschen anstecken, wenn sie Kaffee trinken", sagt der Forscher.
Für das Experiment wurden 200 Milliliter, rund eine Tasse, handelsüblicher Filterkaffee verwendet – diese Menge reicht laut den Resultaten der Forscher schon, um genug 5-Caffeoylchinasäure aufzunehmen. Gleiches gilt auch für entkoffeinierten Kaffee. "Wer keinen Kaffee mag, kann einen Mate Tee aus Südamerika trinken oder Artischocken essen – dort ist ebenfalls Caffeoylchinasäure enthalten", erklärt Kuhnert.

Professor Nikolai Kuhnert.
Inwieweit Kaffeetrinker aber wirklich besser vor dem Coronavirus geschützt sind und wie lange die hemmende Wirkung der Chlorogensäure anhält, müssen weitere Untersuchungen zeigen. Auch in Bezug auf Long Covid könnten diese Erkenntnisse interessant sein. "Durch epidemiologische Studien könnte man etwa feststellen, ob sich regelmäßige Kaffeetrinker wirklich seltener mit Corona infizieren", sagt Kuhnert.
Bis Epidemiologen die Ergebnisse von Kuhnerts Team bestätigen können, wird es aber vermutlich noch dauern. "Es wird schwer, das experimentell nachzuweisen", sagt der Chemiker. "Man kann Probanden ja nicht in zwei Gruppen aufteilen, der einen Gruppe Kaffee geben, der anderen nicht und dann beide Gruppen Coronaviren aussetzen – ein solches Experiment darf aus ethischen Gründen nicht durchgeführt werden."
Wie kamen die Forscher auf das Experiment?
"Mein Team und ich beschäftigen uns generell mit Lebensmitteln wie Tee, Kaffee und Kakao und deren gesunden chemischen Verbindungen. Dann kam die Corona-Pandemie und wir wollten schauen, welche Rolle diese Verbindungen dabei spielen können", erklärt Kuhnert den Ansatz seines Forschungsprojekts.
Um der Frage nachgehen zu können, welche Wechselwirkungen es auf chemischer Ebene zwischen dem Coronavirus und den Heißgetränken gibt, mussten die Forscher aber zunächst eine neue experimentelle Methode entwickeln. "Außerdem mussten wir warten, bis die Kodifizierung des Corona-Spike-Proteins zugänglich gemacht wurde" so Kuhnert. "Das hat dazu geführt, dass wir erst jetzt unsere Ergebnisse veröffentlichen konnten."