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Mehr Mitarbeiter im Gesundheitsdienst 31 Millionen Euro für das Bremer Gesundheitsamt

Das Gesundheitsamt hatte schon vor der Pandemie mit Personalengpässen zu kämpfen. Jetzt bringt die Krise Bundesmittel in Höhe von 31 Millionen Euro für neue Stellen. Allerdings ist es schwer, diese zu besetzen.
03.08.2021, 17:52 Uhr
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Von Timo Thalmann Sabine Doll

Der Bremer Senat rechnet mit rund 31 Millionen Euro zusätzlichen Bundesmitteln für den Ausbau des öffentlichen Gesundheitsdienstes. Das Geld stammt aus dem sogenannten Pakt für den öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD), auf den sich die Gesundheitsministerinnen und -minister von Bund und Ländern mit Blick auf die Erfahrungen aus der Corona-Pandemie im September 2020 geeinigt haben. Der Pakt sieht vor, dass der Bund insgesamt vier Milliarden Euro an die Länder verteilt, um die Gesundheitsämter personell aufzustocken, zu modernisieren und zu vernetzen. Dafür sollen bis 31. Dezember dieses Jahres bundesweit etwa 1500 neue Stellen entstehen, bis 2022 noch einmal weitere 3500.

Die 31 Millionen Euro für Bremen verteilen sich auf die Jahre 2021 bis 2026. Wie aus der Antwort des Senats auf eine große Anfrage der FDP-Fraktion zur Personalsituation im Gesundheitswesen hervorgeht, hat Bremen im Vorgriff auf diese zu erwartenden Bundesmittel bereits zum Haushaltsjahr 2020 Stellen im Volumen von 21 Vollzeitbeschäftigten geschaffen – davon konnten bislang knapp 15 Stellen besetzt werden. Darunter finden sich drei von 4,5 Arzt-Stellen, vier von vier Stellen für medizinische Fachangestellte und sechs der sieben gesuchten Gesundheits- und Krankenpfleger. Weitere Stellen sind der Verwaltung sowie der Informationstechnik zugeordnet. Sie alle werden derzeit aus dem Bremen-Fonds finanziert.

Die verbliebenen sechs unbesetzten Stellen lassen die Zahl der insgesamt offenen Stellen weiter anwachsen. Denn auch das ergibt sich aus der Senatsantwort: Dem Gesundheitsamt fehlen immer mehr Mitarbeiter. Mit Stand vom März dieses Jahres waren unterm Strich Arbeitsstellen im Umfang von 33 Vollzeitmitarbeitern nicht besetzt. Im Januar 2018 waren es knapp 19. Vor allem bei Präventionsfachkräften sowie Ärztinnen und Ärzten tut sich die Behörde mit der Mitarbeitergewinnung schwer, wie aus dem Bericht hervorgeht.

"Der Personalabbau der vergangenen Jahre und Jahrzehnte hat sich als massiv negativ herausgestellt", sagt Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) dem WESER-KURIER. Das habe sich bereits deutlich vor Corona gezeigt. Während der Pandemie hätte Personal aus anderen Bereichen zur Bewältigung der Krise abgezogen werden müssen. "Es gibt immer noch viele unbesetzte Stellen, das ist völlig unzureichend. Wir sind mit Hochdruck daran, diese zu besetzen", betont die Senatorin. Eine Arbeitsgruppe sei dafür eingerichtet worden.

Der ÖGD-Pakt mit der Finanzierung zusätzlicher Stellen über fünf Jahre sei eine Chance für das Gesundheitsamt. In der Pandemie habe es einen Bedeutungszuwachs erfahren. "Das zeigt ganz klar, wir brauchen diese Stellen – und sie müssen vor allem nachhaltig erhalten bleiben, auch über die fünf Jahre hinaus. Wie sich das in den zukünftigen bremischen Haushalten auswirken wird, kann ich heute nicht beurteilen", so Bernhard. "Dass wir es uns aber nicht leisten können, dies durchhängen zu lassen, hat das vergangene Jahr deutlich gemacht."

Die Pandemie habe vor allem auch deutlich gemacht, dass bestimmte Bereiche mit dringend mit Fachkräften aufgestockt werden müssten: Gerade das Thema Prävention spiele in den Stadtteilen eine extrem wichtige Rolle, auch durch die Pandemie gebe es viel aufzuarbeiten. "Stichwort ist hier der Kindergipfel. Da verschränken sich die Bereiche Bildung, Soziales und Gesundheit - und in diesem Zusammenhang spielt das Gesundheitsamt eine große Rolle", betont Bernhard. Auch das Team der Familienhebammen müsse aufgestockt werden, "das nicht erst seit Corona", so Bernhard.

Das Gesundheitsressort geht laut der Senatsantwort davon aus, bis Ende Jahres zumindest für die verblieben sechs Stellen aus dem ÖGD-Pakt Mitarbeiter zu finden, weist aber zugleich auf den allgemeinen Fachkräftemangel für medizinisches Personal und insbesondere bei Ärzten hin. So suchten auch niedergelassene Praxen lange nach Nachfolgern, wenn der Ruhestand naht. Diese Situation habe sich aufgrund der zusätzlichen Aufgaben – etwa in den Impfzentren – im vergangenen Jahr noch stärker ausgewirkt als in den Jahren zuvor. Teilweise lägen bei Stellenausschreibungen daher keine oder lediglich ein bis drei Bewerbungen vor. 

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Die Folge: Verzögerungen und Beeinträchtigungen seien in allen Bereichen festzustellen. "Eine ständige, entschiedene Priorisierung der Aufgabenwahrnehmung war notwendig", heißt es dazu in der Senatsantwort. Und weiter: "Die Problemlagen des öffentlichen Gesundheitsdienstes in der gesamten Bundesrepublik wurden im Stresstest der Corona-Pandemie deutlich." Der Pakt für den ÖGD sei eine Antwort darauf.

Die bislang zu dünne Personaldecke im Gesundheitsamt wird auch durch die Auswertung der Überstunden deutlich, die die FDP-Fraktion ebenfalls angefragt hat. Demnach haben mit Stand 31. Mai 2021 alle Beschäftigten, die in die Bewältigung der Corona-Pandemie eingebunden waren – ausgenommen die befristet eingestellten rund 110 zumeist studentischen Mitarbeiter für die Kontaktnachverfolgung – zusammen rund 9000 Überstunden geleistet. Erfasst wurde die Arbeitszeit ab 1. Mai 2020; nur Beschäftigte, die seitdem mehr als 50 Überstunden angesammelt haben, sind in diese Rechnung eingegangen. 

Zur Sache

Hoher Altersschnitt

Schon jetzt ist absehbar, dass der Personalbedarf im öffentlichen Gesundheitsdienst mittelfristig weiter steigen wird. Der Grund ist das Alter der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. So ist kein Arzt oder Sozialarbeiter im Bremer Gesundheitsamt derzeit unter 35 Jahre alt. Die Mehrzahl ist älter als 50. Das trifft auf 25 von 39 Ärztinnen und Ärzte sowie auf elf der 17 Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter. Jeweils fünf von ihnen scheiden bis Ende 2023 aus Altersgründen aus. Dazu kommen noch schwer vorhersagbare vorzeitige Abgänge, weil Mitarbeiter Möglichkeiten des Vorruhestands nutzen oder aufgrund von Dienst- oder Erwerbsunfähigkeiten ausscheiden.

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