Wo lassen sich im dicht besiedelten Bremer Stadtgebiet noch größere Flächen für Gewerbeansiedlungen finden? Über diese Frage ist zwischen SPD und Grünen derzeit keine Einigung möglich. Die Sozialdemokraten haben eine Liste möglicher Standorte aufgestellt, doch der kleinere Koalitionspartner hat signalisiert, sie nicht mittragen zu wollen. Die SPD wird deshalb auf einen bereits geplanten Vorstoß in der Bürgerschaft verzichten, um den Koalitionsfrieden nicht zu gefährden.
Hintergrund der SPD-Pläne ist der anhaltende Bedarf an Grundstücken für Unternehmen, die sich ansiedeln oder erweitern wollen. In den vergangenen Jahren ist der noch aus Zeiten der Großen Koalition stammende, üppige Flächenvorrat kontinuierlich zusammengeschmolzen, denn es wurden mehr Grundstücke vermarktet, als neue Reserven gebildet werden konnten.
Knappheit regiert zudem bei kleineren Grundstücken für Handwerksbetriebe in der Nähe von Siedlungsschwerpunkten – also da, wo sich die Kundschaft befindet. Denn was nützt dem Klempnermeister das schönste Grundstück im Gewerbepark Hansalinie, wenn er von dort erst mal zehn oder zwanzig Kilometer Anfahrt bis zu seinem Auftraggeber hat?
Bereits für die Klausurtagung der SPD-Bürgerschaftsfraktion im Mai hatten ihre Wirtschaftspolitiker eine Liste möglicher neuer Gewerbestandorte vorbereitet, mit denen einem Flächenmangel in der Zukunft vorgebeugt werden soll. Sie umfasst fünf über das Stadtgebiet verteilte Areale. Eine größere Reserve sehen die Sozialdemokraten zum Beispiel in den Wiesen südlich des Flughafens.
Zwischen Neuenlander Feld und der Gemeindegrenze zu Stuhr könnten demnach vor allem Erweiterungsflächen für Airbus, einen der größten industriellen Arbeitgeber der Stadt, entstehen. Derzeit bemüht sich das Wirtschaftsressort des Senats bereits, nördlich des Flughafens in der Verlängerung der Hanna-Kunath-Straße auf einem derzeit noch bestehenden Kleingartenareal Ansiedlungsmöglichkeiten für Betriebe mit Luftfahrtbezug zu schaffen.
Für geeignet halten die SPD-Bürgerschaftspolitiker auch ein Gebiet zwischen der Autobahn 27 und dem Maschinenfleet, also Richtung Blockland, ungefähr in Höhe des Sander-Centers. Dort schwebt ihnen ein "Nordwest-Zentrum" mit großflächigen Angeboten für Industrie und Logistik, aber auch mit kleineren Grundstücken für Handwerker und Dienstleister vor.
Viel Wertschöpfung auf möglichst wenig Raum
Auch aus Sicht der Sozialdemokraten wäre dort allerdings zunächst einmal eine Machbarkeitsstudie anzufertigen. Weitere Gewerbeflächenpotenziale haben die Sozialdemokraten im Bereich Neustädter Hafen / Güterverkehrszentrum, im Bereich Neustadtsbahnhof / Woltmershausen sowie auf einem brachliegenden Teil des Güterbahnhofs ausgemacht. Dieses Areal könnte über das südliche Ende der Hemmstraße erschlossen werden.

Für Dieter Reinken, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, passt der Vorstoß zur Arbeit der Zukunftskommission von Bürgermeister Carsten Sieling (SPD), die Perspektiven für die Stadtentwicklung bis 2035 aufzeigen soll. "Wir brauchen einerseits das Recycling von Altflächen wie etwa am Güterbahnhof, aber wir kommen nicht umhin, vereinzelt auch Grünland unter den Pflug zu nehmen, wenn wir weiterhin ein attraktiver Gewerbestandort sein wollen", ist Reinken überzeugt. Er bedauert, "dass die Grünen momentan nicht das Bedürfnis haben, über dieses Thema zu sprechen".
In der Tat gibt es dort derzeit wenig Neigung in dieser Richtung. "Wir finden das voreilig", sagt der Grünen-Abgeordnete Robert Bücking. Die SPD-geführte Wirtschaftsbehörde sei gerade dabei, ihre Gewerbeflächenplanung für die Zeit nach 2020 fortzuschreiben. Die entsprechenden Vorschläge der Verwaltung solle man erst einmal abwarten, empfiehlt Bücking. Er hält eine ständig verfügbare Reserve von stadtweit rund 30 Hektar für ausreichend.
Grundsätzlich gehe es den Grünen bei der Gewerbeflächenplanung darum, viel Wertschöpfung auf möglichst wenig Raum zu konzentrieren und sich um entsprechende Ansiedlungen zu bemühen. In der Logistikbranche gebe es bei diesem Kriterium "deutlich Luft nach oben", findet Bücking. "Da entstehen manchmal nur zwanzig Jobs pro Hektar. Wir müssen deshalb mehr machen, als mit dem Filzstift schwarze Ränder um vorhandene Wiesen zu malen und uns dort neue Gewerbegebiete auszudenken."
Für vorbildlich hält Bücking die Wiederbelebung von Gewerbebrachen wie im Fall des Neustädter Lloyd-Industrieparks. Dort haben sich seit 2014 rund 30 Firmen mit gut 500 Arbeitsplätzen angesiedelt. Zum 1. August übernimmt das Immobilienunternehmen Beos die Fläche (wir berichteten). Einig ist sich Bücking mit den Sozialdemokraten in dem Wunsch, Handwerksfirmen und bestimmte Dienstleister besser mit geeigneten Flächen nahe oder in den Wohnquartieren zu versorgen. "Da ist das Angebot derzeit leider sehr knapp, da müssen wir was tun", sagt Bücking.