Die Herausforderungen des Klimaschutzes verlangen aus Sicht der Grünen eine Abkehr von der Politik ausgeglichener Haushalte. Bremen soll deshalb für entsprechende Investitionen die sogenannte Schuldenbremse aussetzen. Das fordert ein Antrag, der am nächsten Wochenende die Landesmitgliederversammlung der Grünen inhaltlich beherrschen wird. Er trägt die Unterschriften nahezu der gesamten Parteiprominenz, insbesondere die von Finanzsenator Dietmar Strehl. Auch Bremens oberster Kassenwart bekennt sich also zu Schulden für den Klimaschutz.
Der Antrag stammt aus der Feder des Bürgerschaftsabgeordneten und Klimapolitikers Philipp Bruck. Er beruft sich auf die Arbeitsergebnisse der Enquete-Kommission des Landesparlaments. Sie hatte Ende vergangenen Jahres eine Klimaschutzstrategie für den Zeitraum bis 2030 vorgelegt. Stichworte sind unter anderem die energetische Sanierung des öffentlichen Gebäudebestandes, die weitere Ausdehnung des Bus- und Bahnnetzes, die massenhafte Installation von Photovoltaikanlagen und der Ausbau von Nah- und Fernwärmenetzen. Der Finanzbedarf für Bremen und Bremerhaven wird gegenwärtig auf rund sieben Milliarden Euro geschätzt. Hinzu kommen wohl jährlich zwischen 200 und 400 Millionen Euro für Personal, Betriebskosten und Förderprogramme.
Gelder in dieser Größenordnung lassen sich in den weitgehend festgelegten Haushalten von Land und Kommunen nicht auftreiben. "Deshalb wird es auch um Schulden gehen müssen", heißt es in dem Antrag für die Landesmitgliederversammlung. Dies sei einerseits schmerzhaft, weil grüne Finanzpolitik in Bremen die Neuverschuldung während des vergangenen Jahrzehnts gestoppt habe. "Aber Generationengerechtigkeit verlangt von uns auch, im Falle von konkurrierenden Interessen abzuwägen", lautet der zentrale Satz. "Wenn Klimaneutralität nur mit Schulden gelingt und ein ausgeglichener Haushalt nur mit einem Bruch des Pariser Klimaschutzabkommens, dann ist klar, dass die grüne Null der Klimaneutralität wichtiger sein muss als die schwarze Null der Haushaltspolitik."
Die rechtlichen Grundlagen für Klimaschutz auf Pump sieht Philipp Bruck gegeben. Nicht umsonst habe die Bremische Bürgerschaft bereits vor zwei Jahren eine Klimanotlage ausgerufen. Die Klimakrise stelle eine "existenzielle Bedrohung" für das kleinste Bundesland dar. "Diese Realität muss sich jetzt auch in der Bremischen Finanzpolitik widerspiegeln", meint der Bürgerschaftsabgeordnete. Grünes Licht gebe es auch von wissenschaftlicher Seite. Bruck bezieht sich dabei auf ein Gutachten, das der Jura-Professor Joachim Wieland im Auftrag der Enquetekommission erstellt hat. "Die Klimakrise ist eine Notsituation im Sinne der Verfassung", stellt Wieland in seiner Expertise fest. Soll heißen: Zur Bewältigung dieser Notlage kann vom grundsätzlichen Verbot neuer Schulden abgewichen werden.
Dass kreditfinanzierter Klimaschutz nicht die beste Lösung sei, wird in dem Antrag eingeräumt. Eigentlich sieht Philipp Bruck bei der Finanzierung der notwendigen Investitionen den Bund in der Pflicht. Besonders gefragt sei ein Beitrag der großen privaten Vermögen, außerdem "eine gerechte Besteuerung von Konzernen und das Schließen von Steuerschlupflöchern". Im Koalitionsvertrag des Ampelbündnisses gebe es allerdings keine entsprechenden Absichtserklärungen, bedauert Bruck. Deshalb müsse auf Landesebene vorangegangen werden. Für seinen Antrag, der neben der Unterschrift des Finanzsenators auch die von Umweltsenatorin Maike Schaefer und der Landesvorsitzenden trägt, erwartet er eine breite Mehrheit.