Wie kann Bremen die erforderlichen Klimaschutz-Investitionen in Milliardenhöhe trotz Schuldenbremse stemmen? Die Enquetekommission „Klimaschutzstrategie für das Land Bremen“ hatte Ende vergangenen Jahres ihren Abschlussbericht vorgelegt. Zudem wurde ein Gutachten bei dem Verfassungsrechter Joachim Wieland in Auftrag gegeben. Es soll Veränderungen an der Schuldenbremse aufzeigen, die möglich und notwendig sind, um finanzielle Spielräume für eine Klimaschutzoffensive zu schaffen. Am Freitagnachmittag ist die Wieland-Expertise dem Arbeitskreis Finanzen der Enquetekommission vorgestellt worden. Vorab hat sich Arno Gottschalk, Haushaltsexperte der SPD und Ersatzmitglied in dem Gremium, mit einer Einschätzung zu Wort gemeldet: „Investitionen in die Zukunft sind wichtiger als die Schuldenbremse.“
„Außer vielen Feinheiten“ zeichne sich vor allem der Weg ab, über eine Änderung der Landesverfassung die Kommunen Bremen und Bremerhaven aus der bestehenden Schuldenbremse zu entlassen. „Kreditaufnahmen der beiden Städte wären dadurch möglich“, sagt Gottschalk und weiß: „Dazu braucht die Koalition die Stimmen der CDU.“ Das gelte ebenfalls, um den wirksamen Klimaschutz als Verfassungsziel festzuschreiben.
Martin Michalik, umwelt- und klimapolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion sowie Vorsitzender der Enquete-Kommission beurteilt das Wieland-Papier so: „Die Vorschläge der Klima-Enquete sind ohne Aufweichung der Schuldenbremse machbar. Wir haben nun ein unabhängiges Fachgutachten vorliegen, das glasklar zeigt: Bremen kann sein Ziel der Klimaneutralität im Rahmen des bestehenden Haushaltsrechts erreichen. Der Senat ist jetzt gefordert, den Klimaschutz ohne Buchungstricks ernst zu nehmen und die Maßnahmen zügig einzuleiten.“
Ein weiterer Punkt des Wieland-Gutachtens legt für Arno Gottschalk die Prüfung nah, ob der Klimawandel nicht ähnlich der Corona-Pandemie eine Bedrohungslage für den Haushalt darstelle, die Ausnahmen von einem weiteren Schuldenstopp begründen könne. Bundesweit sei die Diskussion darüber noch nicht abgeschlossen. Um das Ziel der Klimaneutralität bis 2038 in Bremen zu erreichen, „brauchen wir eine Grundsatzerklärung, am besten noch in diesem Jahr“.
Die wichtigsten Ziele sieht Gottschalk in der Bewältigung der „Riesenaufgabe“, die öffentlichen Immobilien zu modernisieren. Spielräume müssten geprüft werden, etwa was öffentliche Beteiligungsunternehmen angehe. Auch im Bereich Verkehr, vor allem dem öffentlichen Personennahverkehr, für den die Enquete den zweithöchsten Investitionsbedarf ermittelt habe, zeichneten sich Möglichkeiten der Kreditfinanzierung ab. Gottschalk schwebt die sukzessive Aufstockung des Kapitals der Bremer Straßenbahn AG vor – um die Investitionskraft des Unternehmens zu stärken „und die Verkehrswende anzuschieben“, so der SPD-Politiker. „Das sind die großen Sachen, wo das Land Vorbildfunktion hat.“
Komplexe wie die Dekarbonisierung der Stahlwerke, die nicht ohne Ko-Finanzierung zu machen seien, „können wir jetzt nicht direkt angehen“. Wo eine solche gemeinsame Finanzierung notwendig ist, erwartet er „starke Förderprogramme“ der Europäischen Union und des Bundes. Aufgrund des „günstigen Zeitfensters durch niedrige Zinsen“ sei an eine Erhöhung der Grundsteuer beispielsweise nicht gedacht.
„Um Bremen und Bremerhaven klimaneutral zu machen, sind Investitionen in Höhe von sechs bis sieben Milliarden Euro plus dreistellige Millionenbeträge jährlich für Personal, Beratungen, Förderprogramme und so weiter nötig“, sagt der klimapolitische Sprecher der Grünen, Philipp Bruck. Das habe die Klima-Enquete herausgearbeitet. „Der rasant fortschreitende Klimawandel macht innerhalb sehr kurzer Zeit hohe Investitionen nötig, um die schlimmsten Folgen der Erderwärmung noch abzuwenden. Das ist aus dem normalen Haushalt nicht finanzierbar." Ohne diese Investitionen werde der Klimawandel am Ende noch teurer.
Auch Bruck argumentiert, „die Klimakrise sollte im Rahmen der Schuldenbremse als außergewöhnliche Notsituation anerkannt werden, ebenso wie die Corona-Pandemie oder eben auch die Wiedervereinigung“. Aus seiner Sicht wäre ein Klimaschutz-Fonds als Ausnahme von der Schuldenbremse das klarste und transparenteste Instrument, um die erheblichen Investitionen in den Klimaschutz umzusetzen. "Diese Variante sollte daher besonders intensiv geprüft werden. Aber auch die anderen Möglichkeiten wie Bürgschaften für Anleihen der Bremer Aufbaubank, die nicht unter die Schuldenbremse fallen, bis zu den Ausnahmen für Sondervermögen müssen sorgfältig in Betracht gezogen werden.“
Für Klimaschutz-Senatorin Maike Schaefer (Grüne) ist es "durchaus angemessen investive Ausgaben schuldenfinanziert zur Abwendung der Klimakrise zu tätigen, wie zum Beispiel Gebäude zu sanieren oder den ÖPNV weiter zu stärken." Dies sei ökologisch und betriebswirtschaftlich sinnvoll und damit nachhaltig. Für Schaefer ist klar: "Wenn wir jetzt nicht in Maßnahmen investieren, die die Klimakrise aufhalten und die Gefahren, die mit der Klimakatastrophe einhergehen, abwehren, dann kostet das die nächsten Generationen das Doppelte – wenn nicht gar das Dreifache. Dennoch fallen auch Schuldenfonds unseren Kindern und Enkelkindern zur Last. Deswegen müssen wir sorgsam haushalten." Dabei dürfe der Bund die Kommunen nicht allein lassen.