Der Samstag vor Weihnachten ist der umsatzstärkste im ganzen Jahr – eigentlich. Vor allem, wenn so traumhaftes Bummelwetter wie in diesem Jahr herrscht. Doch der Corona-Lockdown lässt die Innenstadt nun völlig anders aussehen, geschäftiges Leben findet nur noch punktuell statt. Wir haben uns bei den wenigen umgehört, die überhaupt öffnen dürfen.
Nein, kostendeckend sei das wirklich nicht, sagt Saman Hassanzadeh. „Doch Präsenz zahlt sich immer aus, man muss für seine Stammgäste da sein.“ Der Iraner verkauft gemeinsam mit Mehmet Atas auf dem Marktplatz Glühwein, Apfelpunsch und heiße Schokolade – alles alkoholfrei, versteht sich. „Dabei ist der Alkohol doch gar nicht die Ursache der jetzigen Situation“, wundert er sich. Seit 25 Jahren lebt Hassanzadeh jetzt in Deutschland. Glühwein gehöre einfach dazu im Advent, findet er. Eigentlich betreibt er das IO Casa del Caffe in der Domshofpassage, heute flitzt er hin und her. Doch in der Passage herrscht noch weniger Betrieb als auf dem Markt, Latte macchiato und Espresso sind kaum gefragt.
Beim Holländischen Blumenkönig in der Kreyenstraße, einem Seitenarm der Lloyd-Passage, kann man die Adventsgestecke und Weihnachtssterne in den dunklen Schaufenstern kaum sehen – eigentlich müsste hier am frühen Samstagnachmittag Hochbetrieb herrschen. Die Flaute spürt auch Kim Nguyen, die den benachbarten Asia-Imbiss Pho Mama betreibt. „Ganze zwei Kunden hatte ich heute“, beklagt sie. „Jetzt warte ich noch bis 15 Uhr, dann schließe ich. Es lohnt sich einfach nicht.“
Bei der Filiale der Optiker-Kette Mr. Spex bietet sich ein anderes Bild, manchmal bilden die Kunden vor der Tür sogar eine kleine Schlange. „Es dürfen eben immer nur zwei eintreten“, erklärt Filialleiter Steffen Kieras. Mit einem normalen Samstag sei das Kundenaufkommen jedoch überhaupt nicht zu vergleichen: „Da haben wir von 10 bis 19 Uhr etwa 500 bis 600 Kunden. Heute waren es in zwei Stunden gerade einmal 19.“
Optiker dürfen öffnen
Online kann man Termine für Sehtests oder kleinere Reparaturen vereinbaren, das hält auch den Personalaufwand niedrig. Kostendeckend läuft es dennoch auch bei Mr. Spex nicht. „Zum Glück haben wir den Online-Shop“, sagt Kieras. „Dass die Optiker öffnen dürfen, muss sich wohl noch mehr herumsprechen.“ Auch am Heiligabend will er zumindest für vier Stunden öffnen.
„Etwa 100 Kunden hatten wir bis jetzt“, sagt Michael Gieseke von Tabac & Pfeife in der Katharinen-Passage. „An normalen Samstagen haben wir die Zahl spätestens am Mittag erreicht.“ Immerhin vier der sechs Mitarbeiter sind anwesend, verkaufen auf zwei Stockwerken neben Zigaretten, Tabak und Zigarren auch edle Spirituosen. „200 Whisky- und 40 Rum-Marken haben wir vorrätig“, sagt Gieseke, „und das wird auch gut gekauft.“ In der Krise gönnten sich die Leute offenbar öfters mal einen guten Schluck.
Weniger gut gingen aktuell klassische Raucher-Geschenke wie Feuerzeuge, Etuis oder Pfeifen. „Die Laufkundschaft fehlt ebenso wie die Touristen“, bedauert Gieseke. Bei den Zigarren hätten die gerne zur Eigenmarke „Stadtmusikanten“ gegriffen. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt, entsprechend gut läuft der Lotto-Umsatz: „Die Leute tippen ja heute gleich für das kommende Wochenende mit.“ Wenn jedoch der Markt auf dem Domshof ende, lasse auch sofort das Geschäft in der Passage nach: „Eigentlich sind nur noch die Vormittage gut.“
Das merkt man auch im Tee-Geschäft in der Sögestraße: Um die Mittagszeit warten die Kunden noch geduldig vor der Ladentür, doch nachmittags um halb drei reicht schon eine Auszubildende als Bedienung. Mehr los ist dort, wo süße Leckereien angeboten werden. Im Traditionscafé Knigge steht man zwar nicht Schlange, aber es herrscht Betrieb. Offenbar ist die Nachfrage so groß, dass es sich lohnt, auch an den Feiertagen durchgängig zu öffnen – so verkündet es zumindest ein Aufsteller vor der Türe.
Ansonsten mildern zahlreiche Straßenmusiker die Tristesse: Eine Combo spielt unverdrossen José Felicianos „Feliz Navidad“, eine junge Geigerin bietet Klassisches und ein osteuropäischer Akkordeon-Spieler lässt seine Finger über Tastatur und Bassknöpfe fliegen. Um das spärliche Publikum konkurrieren auch jene, die Spenden sammeln oder eine Obdachlosen-Zeitung verkaufen. Der letzte Adventssamstag wirkt in diesem Jahr eher wie ein Sonntag im Februar.
Buden werden vorzeitig abgebaut
Die 20 Weihnachtsmarkt-Stände in der Innenstadt werden an diesem Sonntagabend schon wieder abgebaut. Das bestätigte Rudi Robrahn, Vorsitzender des Bremer Schaustellerbundes, am Samstag. Eigentlich hätten die Buden noch bis Mittwochabend stehen dürfen. „Aber das lohnt sich nicht mehr“, sagt Robrahn. Auch wenn der Umsatz an den elf Tagen kaum kostendeckend war, seien die Schausteller doch am Ende zufrieden: „Es hatte Signalwirkung und war gut fürs Gemüt.“