Selten gab es so viele Anlässe, über die Bremer Innenstadt zu sprechen, wie momentan. Es fällt schwer, angesichts der Vielzahl der Probleme und Projekte einen Anfang und ein Ende zu finden. Was wird aus dem Sparkassengebäude am Brill, was aus dem Kaufhof, aus der alten C & A-Immobilie? Was kommt, wenn das Parkhaus Mitte abgerissen wird? Was wird aus Karstadt, aus dem Domshof?
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Angesichts derartiger Schwergewichte in der Innenstadt-Debatte wird eine Immobilie kaum wahrgenommen, für die ebenfalls eine Neunutzung vorbereitet wird: das ehemalige Hauptpostamt an der Domsheide. Das Gebäude ist von der Post an die Stadt zurückgegeben worden. Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt hat anschließend zu einem Ideenwettbewerb für die immerhin 7000 Quadratmeter große Immobilie aufgerufen. Der Bau liegt – aus Innenstadt-Sicht – zwar etwas abseits, er könnte dennoch eine zentrale Funktion übernehmen, in mehrfacher Hinsicht. Er lohnt deshalb einen zweiten Blick.
Zum einen ist da die Lage. Bisher ist es nur dem Forum am Wall (also der Bibliothek und der Gastronomie im Erdgeschoss) gelungen, das Niemandsland zwischen Marktplatz, Schnoor und Viertel mit Leben zu füllen. Quasi ein erster Brückenschlag. Ein zweites Projekt könnte diese Funktion unterstützen und stärken, dafür liegt das alte Postamt strategisch an der richtigen Stelle.
Zum anderen ist da die inhaltliche Neuausrichtung der Innenstadt, die auch für dieses Vorhaben relevant ist. Klar, Einkauf war und ist eine starke Motivation, in die Bremer Innenstadt zu kommen. Doch das schwächt sich spürbar ab. Das Cima-Institut hat, wie berichtet, im vergangenen Herbst Menschen in Bremen und Niedersachsen zu ihrem Verhalten bei Innenstadtbesuchen befragt. Vor allem für Jüngere steht der Einkauf nicht länger im Vordergrund. Das muss ein Ausrufezeichen sein für alle, die sich mit der Entwicklung des Stadtzentrums befassen.
In der Vergangenheit waren Versuche meist vergeblich, sich punktuell gegen eine gesellschaftliche Entwicklung zu stemmen. Es macht mit Sicherheit Sinn, das Handelsangebot in Bremen wieder zu verbessern, um die Erosion der Kundschaft zu bremsen. Aber nur zu versuchen, Leerstand mit neuen Ketten, Kiosken oder Billigshops zu füllen, hilft auf Dauer nicht. Auch Pop-up-Stores können nicht als Universalantwort dienen.
Derzeit gewinnen zwei Entwicklungen an Fahrt, über die seit Jahrzehnten in Bremen mehr gesprochen wird, als tatsächlich Handlungen folgen zu lassen. Zwar wird erstens das Schlagwort vom Wohnen in der Innenstadt auch reichlich überstrapaziert, aber tatsächlich ist es ein Baustein für eine nachhaltige Stadtkern-Entwicklung: Nur wenn Menschen dort wohnen, wo bisher gegen 19 Uhr die Bürgersteige hochgeklappt werden, entsteht neues Leben: Handel, Dienstleistung, medizinische Versorgung.
An der Martinistraße, an der Obernstraße und im ehemaligen Bundeswehr-Hochhaus wird bereits an zusätzlichen Wohnungen gebaut. Mit der Neunutzung der einstigen C&A-Niederlassung und des Kaufhof-Turms könnten weitere Wohnungen hinzukommen. Das macht Sinn. Denn erst wenn eine kritische Masse erreicht ist, zieht das andere Effekte wie Gastro-Ansiedlungen nach sich.
Zweitens ist da die Verlagerung der Universität und/oder Hochschule in die Innenstadt. Auch hier ist es schon fast ein wenig abgedroschen, immer wieder auf andere Städte zu verweisen, in denen im Stadtkern studiert wird. Die Dauerwiederholung macht den Hinweis aber nicht substanzloser: Wer zum Beispiel Osnabrück besucht, der kommt schnell zu dem Urteil, dass hier etwas grundsätzlich anders läuft als in Bremen. Bremen hat einen richtigen Schritt gemacht mit der Umsiedlung des Jura-Studiengangs an den Domshof. Das muss als Anfang verstanden werden, nicht als abgeschlossenes Einzelprojekt.
Beide Entwicklungsschienen – mehr Wohnen, mehr citynahe Uni – können damit auch als Vorgabe für weitere Vorhaben im Stadtkern verstanden werden. Auch für die alte Post. Wenn es den Wandel schaffen will, sollte Bremen ranklotzen.