Abreißen oder stehen lassen? Soll der ehemalige Kaufhof, das mit Abstand größte Gebäude in der Innenstadt, weichen, um einer neuen, möglicherweise deutlich attraktiveren Bebauung Platz zu machen? Oder ist es klüger, die Immobilie lediglich zu entkernen und das Gerippe aus Stahlbeton anders auszufüllen? Eine Frage, deren Antwort bislang offengeblieben ist. Bausenatorin Özlem Ünsal (SPD) hatte gegenüber dem WESER-KURIER versichert, beide Varianten mit gleicher Sorgfalt prüfen zu lassen. Doch nun schlägt die Waage nach kurzer Zeit bereits klar zu einer Seite aus.
In Berichtsbitten haben sich unabhängig voneinander die Fraktionen der Linken und der FDP beim Senat nach dem Kaufhof-Gebäude erkundigt. Sie wollen wissen, wie es an dem Ort weitergeht. Im November hatte die Stadtentwicklungsgesellschaft Brestadt die Immobilie erworben, seitdem liegt in Bremer Hand, was mit ihr passiert. Überlegt wird das offenbar aber schon nicht mehr, die Entscheidung scheint festzustehen: Der riesige Komplex am Hanseatenhof soll erhalten werden. Das geht aus den Stellungnahmen der Bauverwaltung hervor.
"Seitens der Brestadt ist vorrangig ein Refurbishment des Gebäudes mit einer nachhaltigen Neustrukturierung und umfassenden Sanierung angedacht", heißt in den Vorlagen für die Baudeputation. Bei der Immobilie werde es sich nach derzeitigem Erkenntnis- und Sachstand "im Wesentlichen um eine Bestandsentwicklung handeln". Die Rede ist in den Vorlagen mehrfach von "Umnutzung" und "Teilrückbau".
Eine der Grundlagen, diesen Weg zu beschreiten, ist das bis heute unter Verschluss gebliebene Gutachten zur Transformation des früheren Kaufhofs. Das Bauressort bezieht sich an mehreren Stellen auf das Fazit, ohne Details zu nennen. Tätig geworden waren die Gutachter Anfang vergangenen Jahres, zu einer Zeit, als das Gebäude noch der Branicks Group gehörte, einem börsennotierten Immobilienunternehmen aus Frankfurt. Für einen Kaufpreis von 37,2 Millionen Euro wechselte es in das Eigentum der Stadt.
Das Geld stammt aus einem 300-Millionen-Euro-Topf des Senats, mit dem die Brestadt bei ihren ersten Projekten wirtschaften kann. Neben dem Kaufhof gehört das unmittelbar angrenzende Parkhaus Mitte dazu. In dem Fall steht der Abriss fest. Beginnen sollen die Arbeiten im Jahr 2027.
Ein weiteres Indiz, dass mit dem Kaufhof anders geplant wird als mit dem Parkhaus, ist dieser Satz aus der Verwaltungsvorlage: "Ziel ist, im Verlaufe des Jahres 2028 in die Vermarktung der ersten, neu gestalteten Flächenangebote zu gehen." Mit Abriss und Neubau wäre das wegen der kurzen Zeit unmöglich. Zumal das Gebäude mit einer Bruttogeschossfläche von mehr als 50.000 Quadratmetern noch einen Mieter hat. In den beiden oberen Etagen sitzt das Elektronikunternehmen Saturn mit seinen Verkaufsräumen. Die Stockwerke darunter hatte der Möbelhändler Opti belegt. Er ist vor knapp drei Monaten ausgezogen, seitdem herrscht dort Leerstand. Die Brestadt denkt nach eigenen Angaben über eine Zwischennutzung nach, hat aber noch keine Lösung.
Abriss oder Erhalt? Die Bausenatorin wollte damit nach eigenen Worten ergebnisoffen umgehen. Ihre eigene Partei und die Grünen in der Regierung sahen das früh anders. SPD-Chef Falk Wagner warb sofort nach dem Verkauf an die Stadt dafür, den ehemaligen Kaufhof umzubauen. Er wünscht sich Wohnungen in dem Komplex, auch und vor allem für Auszubildende und Studierende. Als weitere Option ruft Wagner einen Hörsaal auf – der jüngst an den Domshof gezogene Fachbereich Jura der Universität hat noch keinen. Die Grünen halten nach eigenen Angaben am 52 Jahren alten Kaufhofgebäude fest, weil das ressourcenschonend sei und die vertrauten Strukturen in der Innenstadt nicht vollkommen über den Haufen geworfen würden.
Einzig die Linken pochen darauf, beim Kaufhof ernsthaft auch einen Abriss zu überlegen: "Es wäre jetzt die Gelegenheit, mit einer Bausünde der Vergangenheit aufzuräumen", erklärt Linken-Fraktionsvorsitzende Sofia Leonidakis. Das Gebäude sei nicht nur klotzig und begrenze die Entwicklungsmöglichkeiten des Gesamtareals, es berge auch bauliche und finanzielle Risiken. Ein Beispiel, wie Kosten beim Umbau durch die Decke gehen können, sei das Bundeswehrhochhaus der Gewoba in der Bahnhofsvorstadt. Leonidakis erhofft sich eine Planung, die Kaufhof und Parkhaus baulich zusammen denkt: "Die Variante des Kaufhof-Abrisses sollte deshalb nicht schon im Vorfeld ausgeschlossen werden."