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Krankenhäuser im Umbruch Bremer Kliniken müssen sich spezialisieren

Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard will die Bremer Kliniklandschaft neu ordnen. Ein Gutachten weist in die gleiche Richtung: Bestimmte Behandlungsangebote sollen an einzelnen Standorten gebündelt werden.
30.12.2022, 05:00 Uhr
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Bremer Kliniken müssen sich spezialisieren
Von Jürgen Theiner

Die Bremer Kliniken müssen sich verändern, um angesichts von Fachkräftemangel, demografischer Entwicklung und wichtiger Trends im Gesundheitswesen auch künftig die bestmögliche Behandlung bieten zu können. Das ist die Grundaussage eines Gutachtens zur Zukunft der stationären medizinischen Versorgung.  Die Gesundheitsbehörde hatte die Expertise bei der Essener Fachberatung HCB in Auftrag gegeben. Ihre wichtigste Empfehlung lautet: Bestimmte medizinische Angebote sollten an einzelnen Krankenhausstandorten gebündelt werden. Das erhöhe die Behandlungsqualität und laste die knappen Ressourcen an Fachkräften besser aus.

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Die Endfassung des Gutachtens liegt dem WESER-KURIER vor. In dem 95 Seiten starken Papier werden zunächst die gesellschaftlichen und medizinischen Veränderungsprozesse benannt, die auf den Krankenhaussektor einwirken. Einer der wichtigsten ist die Demografie. Ab Mitte des Jahrzehnts werden bundesweit jedes Jahr rund 500.000 Menschen mehr den Arbeitsmarkt verlassen als neue hinzukommen. Die jetzt schon bestehenden Engpässe insbesondere beim Pflegepersonal dürften sich deshalb weiter verschärfen. Ein weiterer Trend geht zu mehr ambulanten Behandlungen. Während die Zahl der stationären Versorgungsfälle also mittelfristig eher zurückgehen wird, müssen die einzelnen Kliniken in ihrem jetzigen Zuschnitt trotzdem weiter die passende Infrastruktur samt Personal für verschiedenste medizinische Disziplinen vorhalten. Sinnvoll ist es deshalb aus Sicht der HCB-Experten, bestimmte Behandlungsangebote an einzelnen Klinikstandorten zu bündeln. Nicht jeder soll alles aus einer Hand anbieten. Diese Empfehlung entspricht der Position, die Fachverbände schon länger vertreten. Demnach steigt die Qualität einer Operation oder einer Therapie, wenn sie von spezialisierten Teams in größerer Fallzahl erbracht wird.

Konkret rät HCB dazu, in der Bremer Krankenhauslandschaft einen sogenannten Maximalversorger zu haben, also ein Klinikum, das das gesamte medizinische Leistungsspektrum hochwertig abdeckt. Nach Lage der Dinge wäre dies das Klinikum Mitte. Hinzu kämen vier Krankenhäuser als Notfallzentren. Gegenwärtig bieten sieben der neun Kliniken im Stadtgebiet eine Notfallversorgung an. Ergänzend sollte es aus Sicht von HCB zwei bis drei Häuser als sogenannte Schwerpunktversorger geben, deren Fachabteilungen über das Basisangebot (Innere Medizin und Allgemeinchirurgie) hinausgehen.

Wo genau welche medizinischen Behandlungen künftig angesiedelt sein sollten, das sagt HCB nicht. Das Beratungsinstitut benennt nur die Standorte vorhandener Mehrfachangebote. So bleibt es also die Aufgabe der Gesundheitsbehörde und der Träger der einzelnen Kliniken, sich auf ein entsprechendes Konzept zur Umverteilung und Bündelung zu verständigen. In den vergangenen Monaten gab es bereits einen entsprechenden Versuch. In mehreren Gesprächsrunden bemühte sich Senatorin Claudia Bernhard (Linke), die Klinikchefs für einen Konsens zu gewinnen. Im Gespräch war beispielsweise, dass das St.-Joseph-Stift seine Augenklinik an das Klinikum Mitte abgibt und dafür anderweitig entschädigt wird. Ein weiterer Vorschlag lief darauf hinaus, Krebstherapien am Klinikum Mitte und dem Diako in Gröpelingen zu bündeln. Die Gespräche verliefen jedoch ergebnislos. Letztlich gab es bei den Krankenhausträgern keine Bereitschaft zu grundlegenden Strukturveränderungen.

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Dabei kann es nicht bleiben, meint Olaf Woggan. Er ist Chef der AOK, Bremens größter Krankenkasse, die wie die anderen Kostenträger auch ein Interesse an effizienten Strukturen hat. Er könne zwar verstehen, dass es für die Krankenhäuser nicht leicht ist, ihr Leistungsspektrum zu verändern. Dies freiwillig und rechtzeitig zu tun sei allerdings besser als eine "kalte Strukturbereinigung". Was Woggan meint: Wer die Augen vor wirtschaftlichen Notwendigkeiten und Trends in der stationären Versorgung verschließt, könnte irgendwann schlicht pleite sein. Zuletzt wirtschafteten rund 60 Prozent aller deutschen Krankenhäuser in den roten Zahlen.

Nicht nur von den Kassen dürfte der Druck auf die Bremer Kliniken in nächster Zeit steigen. Auch Senatorin Bernhard hat ihren eigentlichen Trumpf noch nicht ausgespielt. Ihre Behörde hat nämlich letztlich die Planungshoheit über die Versorgungsstrukturen. Der Landeskrankenhausplan wird in bestimmten zeitlichen Abständen fortgeschrieben und kann Vorgaben für das Profil der einzelnen Standorte machen. Dieser Hebel wurde bisher noch nicht genutzt. Für Mitte Februar will Bernhard eine weitere Runde aller Akteure der Bremer Kliniklandschaft einberufen. Dann wird sich zeigen, ob Bewegung in die Sache kommt.

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