Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Krankenhäuser Bremer Kliniken müssen sich dem Wandel stellen

Die stationäre Gesundheitsversorgung steht vor einem Umbruch. Doch in Bremen wehren sich die Kliniken oft schon gegen kleine Veränderungen. Besser wäre es, den Wandel mitzugestalten, meint Jürgen Theiner.
11.11.2022, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Bremer Kliniken müssen sich dem Wandel stellen
Von Jürgen Theiner

Bremens Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) erhält in diesen Tagen viel Post. Es handelt sich um Karten, die der Betriebsrat des Klinikums Ost (KBO) entworfen und in der Belegschaft verteilt hat. Diverse Fotomotive des Krankenhauses zieren die Vorderseite, darüber der Schriftzug: „Rettet das Krankenhaus im Bremer ­Osten“.

Man stutzt. Hat Bernhard die Schließung des Klinikums verfügt? Droht den gut 1800 Mitarbeitern die Arbeitslosigkeit? Sind die Menschen in Osterholz, Hemelingen und Mahndorf bald von medizinischer Versorgung abgeschnitten? Keineswegs. In dem Standardtext auf der Rückseite der Karte protestieren die Unterzeichner dagegen, „dass medizinische Bereiche des Klinikums Ost verlagert werden sollen“. Konkret geht es darum, dass die recht kleine Unfallchirurgie des KBO geschlossen werden soll. Auch eine Umsiedlung des Lungenzentrums ans Klinikum Mitte wird aktuell geprüft. Patienten würden dann statt am KBO acht Kilometer weiter in einem der leistungsfähigsten Krankenhäuser Norddeutschlands behandelt.

Lesen Sie auch

Acht Kilometer! Die meisten Deutschen würden die Aufregung um die geplanten Veränderungen überhaupt nicht begreifen. Sie leben im ländlichen Raum oder in Kleinstädten und sind froh, wenn sich in einem Radius von 30 oder 40 Kilometern um ihren Wohnort ein einfaches Kreiskrankenhaus befindet, in das sie im Notfall innerhalb einer Dreiviertelstunde eingeliefert werden könnten. Von einer stationären Versorgung wie in Bremen können diese Menschen nur träumen. In Bremen existieren zehn Krankenhäuser mit der gesamten therapeutischen Bandbreite, teilweise auf universitätsmedizinischem Niveau. Doch gegen jeden Eingriff in vorhandene Strukturen wird hier vehement protestiert, auch wenn er hilft, die Defizite zu verringern oder die Behandlungsqualität zu verbessern.

Auch bei den einzelnen Krankenhausträgern sind die Beharrungskräfte stark. Die Klinikmanager wissen eigentlich, dass angesichts des medizinischen Wandels nicht alles beim Alten bleiben kann. Der Trend zu mehr ambulanten Leistungen schreitet voran. Die bereits vorhandenen Überkapazitäten im stationären Bereich drohen weiter anzuwachsen und die wirtschaftliche Talfahrt vieler Häuser zu beschleunigen. Doch statt diese Herausforderung als Chance zu begreifen und durch Kooperationen zu besseren Ergebnissen zu kommen, wird gemauert, wie sich gerade bei den ergebnislos beendeten Gesprächen der Bremer Klinikbetreiber gezeigt hat.

Es ging um die Bündelung von Behandlungsangeboten an bestimmten Kliniken. Alle wissenschaftliche Erkenntnis sprach im Vorfeld für solche Strukturveränderungen: Denn wenn bestimmte medizinische Leistungen – wie etwa Kniegelenkprothetik oder komplexe chirurgische Eingriffe – in großen spezialisierten Fachabteilungen mit hohen Fallzahlen erbracht werden, sind die Ergebnisse in aller Regel besser, als wenn ein Arzt eine solche OP nur ab und zu ausführt. Dem einzelnen Patienten wird es doch vor allem darauf ankommen, ob er beispielsweise nach einer Knieoperation wieder richtig gut laufen kann. Und nicht so sehr, ob er dafür innerhalb des Bremer Stadtgebiets fünf oder fünfzehn Kilometer zum jeweiligen Klinikum anreisen musste.

Lesen Sie auch

Senatorin Bernhard ist angesichts des Strukturkonservatismus in den Führungsetagen der Kliniken und in Teilen der Belegschaften um ihre Position nicht zu beneiden. Sie weiß, dass die stationäre Versorgung vor unausweichlichen Veränderungen steht und dass dringend damit begonnen werden muss, in den Stadtteilen die ambulanten Behandlungsangebote aufzubauen, die in Zukunft benötigt werden.

Da es freiwillig bisher nicht geht, wird sie schlicht Zwang auf die Kliniken ausüben müssen, damit Bewegung in die Sache kommt. Dafür stehen der Senatorin konkrete Instrumente zur Verfügung, etwa indem sie die staatlichen Versorgungsaufträge für die einzelnen Häuser ändert. Die Krankenkassen als Kostenträger dürfte sie dabei an ihrer Seite haben. Die Kliniken wären gut beraten, es nicht so weit kommen zu lassen. Noch ist Zeit, den Wandel mitzugestalten.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)