Der stadteigene Klinikverbund Gesundheit Nord (Geno) wird selbst dann eine Belastung für den Bremer Haushalt bleiben, wenn der eingeschlagene Sanierungskurs in den kommenden Jahren erfolgreich abgeschlossen werden sollte. Das legen Zahlen nahe, die den Wirtschaftsausschuss des Unternehmens vor kurzem beschäftigt haben und die dem WESER-KURIER vorliegen. Eine Essener Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hatte die Mittelfristplanung des Verbundes für die Zeit bis 2026 unter die Lupe genommen. An einigen Feststellungen, zu denen die Prüfer in ihrer als vertraulich eingestuften Auswertung gelangen, wird die Bremer Politik in den nächsten Jahren nicht vorbeikommen.
Wie ist die aktuelle Lage?
In der Corona-Pandemie haben sich die vier Geno-Häuser in Mitte, Nord, Ost und Links der Weser wacker geschlagen. Trotz hoher Einnahmeverluste durch verschobene Operationen und lagebedingter Mehrausgaben blieb das Minus einigermaßen beherrschbar. Für 2021 wird mit einem operativen Ergebnis von minus 43,8 Millionen Euro gerechnet – also ohne Berücksichtigung von Zinsen, Abschreibungen und Steuern. Ein Großteil dieses Betrags wird voraussichtlich durch Corona-Hilfen von Bund und Land aufgefangen. Deren Höhe steht allerdings noch nicht genau fest.
Wie ist die Perspektive?
Im Frühjahr hatte die Unternehmensspitze einen Sanierungskurs eingeschlagen, der unter anderem den Abbau von 440 Stellen vorsieht. Ausgenommen ist die Pflege. Auch im Sachkostenbereich werden Einsparungen angestrebt. Bei den klinischen Leistungen sieht die Mittelfristplanung einen moderaten Anstieg vor, sodass 2025 das Vor-Corona-Niveau wieder erreicht wäre.
Geht die Rechnung des Managements auf, dann kann die Geno 2024 erstmals seit vielen Jahren wieder ein positives operatives Ergebnis ausweisen. Geplant sind 4,6 Millionen, 2025 und 2026 dann jeweils rund 10 Millionen Euro. Ein solches bescheidenes Plus bräuchte ein Klinikverbund von der Größe der Geno auch mindestens, um notwendige Investitionen vornehmen zu können.
Wo liegt das Problem?
Das operative Ergebnis ist nur ein Teil der Wahrheit. Diese Kennzahl zeigt, ob ein Unternehmen aus dem laufenden Geschäft heraus Gewinne erwirtschaften kann oder nicht. Bei der Geno gibt es jedoch erhebliche Altlasten. In erster Linie sind hier die Abschreibungen zu nennen, vor allem auf den Klinikneubau am Standort Mitte. Hierfür muss die Gesundheit Nord jährlich mehr als 20 Millionen Euro in ihre Bilanz einstellen. Weitere acht Millionen Euro werden für Schuldzinsen fällig, auch wenn dieser Posten bis 2026 auf etwa sechs Millionen Euro sinken dürfte.
Von einem positiven Gesamtergebnis des Klinikverbundes wird deshalb auch 2026 noch keine Rede sein können. Die Essener Fachleute rechnen für das Jahr mit einem Verlust von rund 19 Millionen Euro. Gibt es wenigstens Licht am Ende des Tunnels? Eher das Gegenteil, denn 2030 wird zusätzlich ein Kredit über 100 Millionen Euro fällig, den die Geno für den Neubau in Mitte aufgenommen hatte.
Welche konkreten Folgen haben die finanziellen Probleme der Geno?
Alleineigentümerin der Gesundheit Nord ist die Stadtgemeinde Bremen. Deren jährlicher Haushalt hat ein Volumen von rund 3,5 Milliarden Euro. Ein Großteil dieser Ausgaben ist mehr oder minder festgelegt, die Spielräume sind sehr gering. Wenn also Zuschüsse an die Geno geleistet werden müssen, ist für andere Ausgaben wie etwa Bildung, Kultur oder Wirtschaftsförderung schlicht weniger Geld da. Insofern schmerzen die 15 Millionen Euro, die Bremen dem Klinikverbund in den vergangenen Jahren jeweils als sogenannten Betriebskostenzuschuss überwies.
Ein finanzieller Kraftakt wie 2018, als die Geno außer der Reihe 205 Millionen Euro erhielt, wird in naher Zukunft nicht wieder möglich sein. Dafür sorgt schon die in der Landesverfassung festgeschriebene Schuldenbremse. Sie schreibt im Grundsatz ausgeglichene Haushalte vor. Wegen der Pandemie ist sie gegenwärtig ausgesetzt, nach gegenwärtigem Stand wird sie aber ab dem Jahr 2024 wieder greifen.
Wie geht die Politik mit dem Problem um?
Schon unter der alten rot-grünen Koalition bestand stets die Erwartung, dass die Gesundheit Nord ihre Hausaufgaben macht und ihre betrieblichen Strukturen so reformiert, dass die Stadt nicht ständig als Geldgeber einspringen muss. "Unsere Geduld ist endlich", sagte beispielsweise der damalige Fraktionsvize der Grünen, Björn Fecker, als die Bürgerschaft 2018 die 205-Millionen-Euro-Finanzspritze beschloss.
Was allerdings konkret passieren soll, wenn sich die Geno wirtschaftlich nicht stabilisiert, sagte schon damals niemand, und auch heute hat darauf niemand eine Antwort. Eine Insolvenz will kein verantwortlicher Akteur des gegenwärtigen Regierungsbündnisses auf seine Kappe nehmen. In jedem Fall wird der Handlungsdruck auf die Politik in naher Zukunft weiter zunehmen, auch wegen der Probleme an einzelnen Geno-Standorten. So steht beispielsweise ein Fragezeichen hinter der Zukunft des Klinikums Links der Weser. Der Bau aus den späten 1960er Jahren gilt als marode und muss entweder neu gebaut, aufwendig saniert oder aufgegeben werden.