Das kleinste Bundesland hat von der EU in den kommenden Jahren weniger Fördermittel zu erwarten. Über die Frage, wie diese Verluste aufgefangen werden sollen, gibt es Streit im Senat. Die Zeit drängt, denn bis Dienstag kommender Woche müssen sich die beteiligten Ressorts geeinigt haben. Spätestens dann erwartet das Bundesarbeitsministerium, das bei der Verteilung der Gelder ein Wörtchen mitzureden hat, eine Antwort aus Bremen.
In der Vergangenheit hatte der Zwei-Städte-Staat stets von Zahlungen aus zwei großen EU-Töpfen profitiert, EFRE und ESF. Das erste Kürzel bedeutet Europäischer Fonds für regionale Entwicklung. Er stellt das wichtigste Instrument dar, mit dem Brüssel die wirtschaftliche Angleichung der Regionen voranbringen will. Aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds ESF werden Projekte zur Beschäftigungsförderung und sozialen Integration unterstützt.
Für die EU-Förderperiode 2021 bis 2027 hatte sich frühzeitig angekündigt, dass Brüssel die EFRE-Mittel leicht anheben, die ESF-Zahlungen aber stark reduzieren würde. Zwölf Millionen EFRE-Plus stünde ein Minus beim ESF von 56 Millionen Euro gegenüber. Ein solcher Netto-Verlust von 44 Millionen Euro träfe Bremen hart. Der Bund hatte sich bereit erklärt, solche Härten, die auch auf andere Bundesländer zukommen, durch Ausgleichszahlungen abzupuffern. Das Angebot aus Berlin: Für jeden Euro, den die Länder aus ihren EFRE- in die ESF-Budgets umschichten, legt der Bund einen Euro drauf.
In bescheidenem Umfang Beiträge leisten
An Heiligabend erreichte Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) sowie die Senatsmitglieder Claudia Schilling (Häfen, SPD), Anja Stahmann (Soziales, Grüne), Maike Schaefer (Umwelt, Grüne) und Dietmar Strehl (Finanzen, Grüne) eine E-Mail, in der Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) einen Handlungsvorschlag unterbreitete. Sie schlug vor, 20 Millionen Euro aus dem Bremer EFRE-Kontingent in Richtung ESF umzubuchen und so 20 Millionen Euro aus Berlin einzuwerben. Bremens Netto-Verlust würde dadurch auf 24 Millionen Euro begrenzt. Vogt war dem Vernehmen nach bereit, in Vorleistung zu gehen und den größten Teil der notwendigen Umschichtungen aus dem Etat ihres Hauses zu bestreiten, unter anderem durch Abstriche bei der Innovationsförderung. Doch auch von den anderen Häusern wurde erwartet, dass sie in bescheidenem Umfang Beiträge leisten.
Umso enttäuschter war die Wirtschaftssenatorin, als bis zur ersten Senatssitzung im neuen Jahr noch keine offiziellen Reaktionen aus den angeschriebenen Ressorts vorlagen. Ihrem Ärger darüber verlieh Vogt in der Kabinettsrunde deutlichen Ausdruck. In einem neuerlichen Schreiben, das vom 7. Januar datiert und dem WESER-KURIER vorliegt, mahnt Vogt Bewegung an. Bremen müsse sich kurzfristig gegenüber dem Bund erklären, denn sonst bestehe die Gefahr, dass der Bund die angebotenen Ausgleichszahlungen streicht.
Vogt treibt die Sorge um, dass vor allem zahlreiche bremische Förderprogramme zur Qualifizierung von Erwerbslosen vor dem Aus stünden, falls die Einschnitte beim ESF zu hart ausfallen. „Wir würden damit eine Situation erzeugen, die angesichts der Corona-Auswirkungen und der damit verbundenen Notwendigkeit, Menschen zu qualifizieren und auch soziale Härten abzufedern, vollkommen kontraproduktiv wäre“, heißt es in dem neuerlichen Schreiben.
Sauer ist Vogt dem Vernehmen nach vor allem auf das Ressort Wissenschaft und Häfen. Dort sei keinerlei Bereitschaft zu spüren, etwas von den eigenen EFRE-Mitteln abzugeben, um den Deal mit dem Bund zu ermöglichen. Nach außen wird das nicht so drastisch formuliert. „Die anderen Senatsressorts möchten natürlich sicherstellen, dass sich ihre EFRE-geförderten Projekte weiterhin realisieren können“, sagt Vogts Sprecherin Kristin Viezens. Man sei in den Gesprächen auf „unterschiedlich starke Bedenken gestoßen“. Es gebe allerdings die begründete Hoffnung, zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen.
EFRE und ESF
Der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und der Europäische Sozialfonds ESF sind zwei Fördertöpfe der EU, von denen Bremen erheblich profitiert. Diverse Projektträger, die in den Stadtteilen Quartiersarbeit leisten oder Langzeitarbeitslose für den Arbeitsmarkt qualifizieren, sind auf ESF-Mittel angewiesen. Aus dem EFRE-Topf werden unter anderem Forschung und Entwicklung im Bereich der Hochschulen gefördert, aber auch der Ausbau von Infrastruktur.