Wie viel Geld hat Bremen in den nächsten Jahren aus Brüssel zu erwarten? Bis vor Kurzem schien es darauf ein klare Antwort zu geben: spürbar weniger als bisher. Bei den Zahlungen aus den beiden großen Strukturfonds der Europäischen Union, so zeichnete sich ab, würde Bremen in der kommenden Förderperiode 2021 bis 2027 wohl Abstriche von etwa 20 Prozent hinnehmen müssen. Und nicht nur das. Die Eigenmittelquote, mit der Bremen europäische Zuschüsse ergänzt, sollte von gegenwärtig 50 auf dann 60 Prozent steigen.
Die Aussichten auf einen EU-Wiederaufbaufonds zur Bekämpfung der Corona-Folgen haben diese Perspektiven nun verändert. Der Bremer EU-Parlamentarier Joachim Schuster (SPD) geht davon aus, dass das kleinste Bundesland unterm Strich für die nächsten Jahre wohl mit mehr Mitteln aus Brüssel rechnen kann. Zum Volumen ließen sich derzeit allerdings noch keine seriösen Aussagen treffen, sagte Schuster dem WESER-KURIER. „Was die Dimension angeht, schwimmen wir völlig.“
Viel Geld für Projekte
In der zu Ende gehenden Förderperiode erhält Bremen aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) 103 Millionen Euro. Ausgegeben wird das Geld für eine ganze Reihe von Projekten. Ein Beispiel: das sogenannte Starthaus, eine zentrale Anlaufstelle für Unternehmensgründer. Die Einrichtung berät Interessenten von der Geschäftsidee über den Markteintritt bis in die Wachstumsphase der neuen Firma. An den Kosten beteiligt sich die EU mit 1,5 Millionen Euro, was der Hälfte der Kosten entspricht. Andere geförderte Vorhaben waren zum Beispiel die Herrichtung des Naherholungsbereichs Waller Sand, der Bau der Sporthalle auf dem Campus Ohlenhof in Gröpelingen und ein Forschungsprojekt in der Logistikwirtschaft. Aus dem zweiten großen Topf, dem Europäischen Sozialfonds ESF, bekommt Bremen in der Förderperiode 2014 bis 2020 76 Millionen Euro. Nutznießer waren unter anderem das Berufsförderungswerk Friedehorst in Lesum und das Mütterzentrum Osterholz-Tenever.
Über den Finanzrahmen für die Förderperiode 2021 bis 2027 hatte Brüssel vor Beginn der Corona-Pandemie noch nicht abschließend entschieden. Die europäischen Institutionen und die Mitgliedsstaaten waren noch kräftig am Feilschen, und klar schien lediglich, dass insgesamt weniger Geld für EFRE und ESF zur Verfügung stehen wird. Zum einen weil Themenfelder wie Klimaschutz und Migration in den Vordergrund drängen, zum anderen weil Großbritannien als Nettozahler in den EU-Haushalt ausgefallen ist. Von der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 2020 wurde eine Einigung erwartet.
Wiederaufbaufond mit bis zu einer Billion Euro
Die Corona-Pandemie hat nun eine ganz neue Agenda gesetzt. Um die Folgen in den Griff zu bekommen, plant die EU-Kommission einen Wiederaufbaufonds (Recovery Fund), der ein Volumen von bis zu einer Billion Euro erreichen könnte. Eingetütet ist noch nichts, denn die Modalitäten dieses Fonds sind umstritten. Der von der EU-Kommission angekündigte 6. Mai als Termin für die Vorlage eines Konzepts ging ins Land, ohne dass ein belastbares Papier auf den Tisch gekommen wäre.
Doch Schuster geht davon aus, dass in den kommenden Wochen – ungeachtet noch offener Detailfragen – ein europäisches Investitionsprogramm beschlossen wird, von dem auch Bremen profitiert. Unterm Strich, so glaubt der EU-Abgeordnete, werden diese Mittel die Verluste bei EFRE und ESF mehr als ausgleichen. Darauf setzt im Übrigen auch der Senat, der seinen 1,2 Milliarden schweren Bremen-Fonds lediglich als Ergänzung noch ausstehender Bundes- und EU-Programme zur wirtschaftlichen Erholung betrachtet.