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Vorstoß im Bundesrat Bremer Senat will Krisengewinner besteuern

Der Ukraine-Krieg hat für massive Preissteigerungen gesorgt, manche Unternehmen verdienen an der Krise. Solche Zusatzgewinne will der Bremer Senat abschöpfen. Er hat eine Bundesratsinitiative gestartet.
31.05.2022, 18:13 Uhr
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Bremer Senat will Krisengewinner besteuern
Von Jürgen Theiner
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Bremen will erreichen, dass krisenbedingte Zusatzgewinne von Unternehmen steuerlich teilweise abgeschöpft werden. Der Senat hat am Dienstag einen entsprechenden Vorstoß im Bundesrat beschlossen. Rechtliche Details einer sogenannten Übergewinnsteuer müssten noch geklärt werden, sagten Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) und Finanzsenator Dietmar Strehl (Grüne) bei einer Pressekonferenz im Rathaus. In einem ersten Schritt sei ein Bekenntnis der Politik auf Bundesebene gefragt. Es müsse Einigkeit darüber bestehen, dass Extraprofite, die durch den Ukraine-Krieg entstanden sind, einer Abgabe unterworfen werden.

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Wie begründet der Senat seine Initiative?

Für die Landesregierung steht fest, dass gegenwärtig insbesondere auf den Energie- und Rohstoffmärkten aus der Ukraine-Krise Kapital geschlagen wird. So seien beispielsweise die Spritpreise in den vergangenen Monaten weit stärker gestiegen, als es die Entwicklung beim Rohöl rechtfertigen würde. Die so entstandenen Extraprofite hätten keine Rechtfertigung, sie seien kein Ergebnis von Produktverbesserungen oder Investitionen. Während sich solche Gewinne weiter anhäuften, gebe der Staat Milliarden aus, um die Mehrbelastungen der Bürger abzupuffern. Bremen müsse allein 60 Millionen Euro für die Energiepauschale und den Familienbonus aufbringen. Dadurch würden die öffentlichen Haushalte zusätzlich belastet – zu einem Zeitpunkt, an dem die finanziellen Folgen der Corona-Krise noch nicht annähernd bewältigt sind. Dies sei nicht hinnehmbar, meinen Bürgermeister und Finanzsenator.

Wie soll die Steuer ausgestaltet werden?

Hierzu hat der Senat bisher keine konkreten Vorstellungen. Aus Sicht von Strehl und Bovenschulte geht es jedenfalls nicht darum, die übermäßigen Gewinne komplett einzuziehen. "Ziel ist eine teilweise und befristete Abschöpfung", so der Bürgermeister. Einen konkreten Prozentsatz hat man im Rathaus noch nicht im Sinn. Auch müssten finanztechnische Fragen der Bemessungsgrundlage für die Übergewinnsteuer gründlich erörtert werden. Daher der Appell an den Bund, einen entsprechenden Gesetzesvorschlag auszuarbeiten.

Gibt es Vorbilder?

In Italien und Großbritannien gibt es erste Ansätze zu einer Übergewinnsteuer. Für die Berechnung des Übergewinns wird beim italienischen Modell der Umsatz betrachtet. Das Konzept stellt zwei Zeiträume zueinander ins Verhältnis: den Besteuerungszeitraum (Oktober 2021 bis März 2022) und den Vergleichszeitraum (Oktober 2020 bis März 2021). Auf die Differenz wird eine Steuer erhoben, wenn die Umsätze eines Unternehmens um mindestens fünf Millionen Euro gestiegen sind, der prozentuale Anstieg muss wenigstens zehn Prozent betragen. Die voraussichtlichen Mehreinnahmen für den italienischen Fiskus werden auf vier Milliarden Euro geschätzt. Das britische Konzept einer Übergewinnsteuer für Energiekonzerne orientiert sich nicht am Umsatz, sondern am Gewinn der Unternehmen. Geplant ist eine Abschöpfung von 25 Prozent. Bei der Gewinnberechnung dürfen die Energiekonzerne allerdings Kreditkosten herausrechnen, auch gibt es Freibeträge für Investitionen. Gemeinsam ist den italienischen und britischen Ansätzen die politische Bereitschaft, die sprunghaft gestiegenen Gewinne der Energiebranche für die staatliche Krisenbekämpfung heranzuziehen. Aufseiten der Bundesregierung ist das bisher kein Thema.

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Welche Reaktionen kommen aus Politik und Fachwelt?

Unter Ökonomen gibt es ein unterschiedliches Echo auf den Bremer Vorstoß. Der Wirtschaftswissenschaftler Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sagte dem WESER-KURIER, er habe zwar grundsätzlich Sympathie für eine stärkere Besteuerung leistungsloser Einkünfte, wie dies bei den krisenbedingten Profiten der Energiebranche der Fall sei. Aber: "Eine wirksame Übergewinnsteuer ist zu kompliziert, eine einfache zu grob." Das habe nicht zuletzt mit dem fein ziselierten deutschen Unternehmenssteuerrecht zu tun. Hierzulande gebe es auch deshalb noch keine schwungvolle politische Debatte zum Thema, "weil niemand eine zündende Idee zur Umsetzung einer Übergewinnsteuer hat", so Bach. Auch der Bremer Finanzwissenschaftler Rudolf Hickel sieht rechtliche Probleme, etwa bei der Abgrenzung normaler und exzessiver Gewinne. Er ist jedoch überzeugt: "Eine Unterscheidung ist seriös machbar." Die Bremer Bundesratsinitiative verdiene deshalb bundesweite Beachtung. Hickel fordert darüber hinaus für die "stark vermachteten Mineralölkonzerne" eine Kontrolle der Preisbildung durch die Wettbewerbsbehörden.

Die Linke in der Bürgerschaft begrüßte den Vorstoß des Senats ausdrücklich. "Während viele Menschen die gestiegenen Lebensmittelpreise und die nächste Heizrechnung fürchten, profitieren einige wenige Unternehmen im unvergleichbaren Ausmaß von der Krise", beklagte Linken-Finanzpolitiker Klaus-Rainer Rupp. "Es ist das alte Spiel: Kosten werden sozialisiert und Gewinne privatisiert. Damit muss Schluss sein."

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