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Bremen könnte Anteile übernehmen Politik stellt Weichen für Wasserwirtschaft

Soll Bremen den Betrieb des Kanalnetzes und die Trinkwasserversorgung wieder kommunal organisieren? Derzeit sind hierfür Hansewasser und die SWB zuständig. Das Thema wird den SPD-Parteitag im Juni beschäftigen.
19.05.2021, 05:00 Uhr
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Politik stellt Weichen für Wasserwirtschaft
Von Jürgen Theiner

Die Bremer SPD strebt eine Neuordnung der kommunalen Wasserwirtschaft an. Auf dem Landesparteitag der Sozialdemokraten am 12. Juni soll darüber diskutiert werden, ob es zu einer Rekommunalisierung sowohl der Stadtentwässerung als auch der Trinkwasserversorgung kommt. Das bedeutet: Bremen würde die Kläranlagen und das Kanalnetz vom privaten Betreiber Hansewasser und das Trinkwassernetz von der SWB zurückkaufen. Das finanzielle Volumen beliefe sich insgesamt auf einen hohen dreistelligen Millionenbetrag.

Zumindest für den Abwasserbereich ist im rot-grün-roten Koalitionsvertrag festgehalten, dass eine Grundsatzentscheidung über die Zukunft der Entsorgung noch in der laufenden Legislaturperiode getroffen werden soll. 1999 hatte Bremen – zu Zeiten der großen Koalition – Kläranlagen und Kanalnetz an Hansewasser verkauft. 2028 läuft der Leistungsvertrag, den die Stadt damals mit dem Unternehmen geschlossen hatte, aus. Dann könnte ein Rückkauf erfolgen, bis 2026 müsste der Vertrag gekündigt werden.

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2028 bestünde zudem eine Kündigungsoption für den Trinkwasser-Liefervertrag mit der SWB. Es würde sich also die Gelegenheit eröffnen, Ver- und Entsorgung unter einem Dach zu bündeln – entweder komplett in städtischer Regie oder in Form einer Kooperation mit privaten Akteuren, wie dies 2018 bei der Strukturreform von Müllabfuhr und Straßenreinigung geschah. Der SPD-Finanzpolitiker Arno Gottschalk bestätigte am Mittwoch Informationen des WESER-KURIER, wonach dem Landesparteitag ein entsprechender Antrag vorliegen wird. Stoßrichtung: Bremen soll die "Chancen nutzen", die eine solche Bündelung bieten würde.

Was die bestehende Partnerschaft mit dem Entsorger Hansewasser angeht, setzt sich das Thema aus Gottschalks Sicht von selbst auf die Tagesordnung. Denn wenn 2028 der Vertrag über den Betrieb der Kläranlagen und des Kanalnetzes ausläuft, kann er von der Stadt nicht einfach verlängert werden. "Man müsste neu ausschreiben. Und dann stellt sich natürlich die Frage, ob es sinnvoll ist, dass die Kommune diese Aufgabe selbst übernimmt", sagt der Finanzexperte der Bürgerschaftsfraktion. Verschiedene Modelle seien denkbar, von einer Mehrheitsbeteiligung an einer künftigen Betreibergesellschaft bis zur vollständigen Übernahme. Gegenwärtig hält die Stadt Bremen gut ein Viertel der Anteile von Hansewasser, ist also bereits Gesellschafter. Die Gewinne fließen allerdings nur an die privaten Mehrheitseigentümer  Gelsenwasser und SWB. Genau das ist Gottschalk ein Dorn im Auge: "Die Rendite ist deutlich zweistellig, und es kann nicht so bleiben, dass die Stadt da leer ausgeht."

Würde Bremen tatsächlich eine überwiegende oder vollständige Rekommunalisierung der Stadtentwässerung anstreben, ginge es in jedem Fall um viel Geld. Der Wert der Kläranlagen und des Kanalnetzes liegt bei rund 600 Millionen Euro. Diese Werte müssten von der Stadt abgelöst werden. Arno Gottschalk hält dies aber grundsätzlich für machbar, ohne die Gebührenstabilität zu gefährden. Käme noch die Übernahme der Trinkwasserversorgung hinzu, wie es die Sozialdemokraten diskutieren, wäre mit weiteren rund 400 Millionen Euro zu rechnen. Unterm Strich stehen also Strukturveränderungen mit einer finanziellen Dimension von rund einer Milliarde Euro zur Debatte. Hierin liegt auch der große Unterschied zur 2018 vollzogenen Rekommunalisierung der Müllabfuhr. Dort wurden lediglich organisatorische Änderungen vorgenommen, die Stadt erwarb damals keine Vermögenswerte.

Die innerkoalitionäre Diskussion über das Thema ist noch gar nicht richtig angelaufen, da gibt es schon erste Misstöne. Gottschalk sieht nämlich Versäumnisse bei den grünen Senatsressorts für Umwelt und Finanzen, die inhaltliche Vorarbeit leisten sollen. Gottschalk verweist auf die Absichtserklärung im Koalitionsvertrag: "Wenn wir bis zum Ende der Wahlperiode klären wollen, wie es beim Abwasser langfristig weitergeht, brauchen wir dafür fachliche Grundlagen. Es ist ärgerlich, dass die beiden Ressorts bisher nichts vorbereitet haben." Im Umweltressort hat man für diesen Vorwurf wenig Verständnis. Bereits im Januar sei auf Staatsräteebene mit Vorarbeiten begonnen worden, sagt Behördensprecher Jens Tittmann. In Kürze sei mit einer Senatsvorlage zu rechnen, in der dargelegt wird, wie der Prüfauftrag aus dem Koalitionsvertrag abgearbeitet wird.

Bei Hansewasser verfolgt man die jetzt anlaufende Debatte aufmerksam. Sprecher Oliver Ladeur sieht in dem Prüfauftrag im Koalitionsvertrag kein Problem, schließlich gehe es darum, "die beste Lösung für die Zukunft der Abwasserwirtschaft in Bremen zu finden". Der SPD-Vorstoß zur Rekommunalisierung widerspreche jedoch diesem Gedanken, "denn er nimmt ein Ergebnis vorweg".

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Wasserwirtschaft

Die Ver- und Entsorgungsstrukturen in der kommunalen Wasserwirtschaft sind vielfältig. Meistens haben jedoch die jeweiligen Kommunen das Sagen in den Unternehmen, Eigenbetrieben oder Zweckverbänden. Bezogen auf die Zahl der betroffenen Einwohner lag der Anteil privatwirtschaftlicher Akteure bei der Abwasserableitung 2018 in Deutschland bei lediglich fünf Prozent, bei der Abwasserbehandlung bei sechs Prozent. Beim Trinkwasser hatten Versorger mit privater Beteiligung 2017 einen Marktanteil von gut 20 Prozent.

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