Im Prüfbericht zur möglichen Verlegung der Straßenbahn in Bremens Innenstadt hat es bei den Ergebnissen im letzten Moment erhebliche Veränderungen gegeben. Das geht aus internen Unterlagen hervor, die dem WESER-KURIER vorliegen. Der Bericht ist am Dienstag in einer Runde der Regierungskoalition vorgestellt worden. In der Endfassung wird von deutlich mehr Zeitbedarf und doppelt so hohen Kosten ausgegangen als im Entwurf, der wenige Tage vorher galt. Der Bericht soll Grundlage für die Entscheidung sein, ob die Straßenbahn von der Obern- in die Martinistraße wechselt. Zeit und Kosten sind dafür wesentliche Parameter: je länger und höher, desto unwahrscheinlicher wird diese Lösung.
Die Bremer Koalition aus SPD, Grünen und Linken konnte sich bisher nicht über die Verlegung einigen. Es gibt einen Zwist, der sich in den vergangenen zwei Monaten hochgeschaukelt hat. Die Grünen sind gegen den Plan, die SPD dafür, die Linken tendenziell auch. Ja sagen außerdem die Handelskammer und das Aktionsbündnis Innenstadt, in dem sich verschiedenen Investoren, Kammern und die Gewerkschaft versammeln.
Zuständig für das Thema ist die Bau- und Verkehrsbehörde mit Senatorin Maike Schaefer an der Spitze. Die Grünen-Politikerin hat wiederholt erklärt, dass sie die Straßenbahn in der Obernstraße belassen will. Schaefer sollte trotzdem noch einmal die Variante Martinistraße prüfen. Das Ergebnis stammt aus ihrem Haus und fußt unter anderem auf Berechnungen der Bremer Straßenbahn AG (BSAG).
In der Fassung des Prüfberichts, die am Freitag vergangener Woche in einen kleinen Verteiler gegangen ist, wird der Zeitbedarf für eine Verlegung mit fünf bis acht Jahren angegeben. Die reine Bauzeit ist mit ein bis zwei Jahren veranschlagt. „Grob geschätzt aus Erfahrung laufender Projekte“, heißt es in der Vorlage. Bis zum darauffolgenden Montag, als der finale Bericht zur Vorbereitung der Koalitionsrunde verbreitet wurde, war die Bauzeit auf 7,5 bis elf Jahre angewachsen. Als Maximum sind das drei Jahre mehr. Deutlich mehr Zeit wird jetzt für die planerische Vorbereitung und die Bürgerbeteiligung angenommen. Gleiches gilt für das anschließende Planfeststellungsverfahren; es dauert in dieser Fassung maximal drei und nicht mehr zwei Jahre. Die reine Bauzeit ist so wie vorher geblieben.
Warnung vor Risiko von Klagen
Über das Wochenende ist ein Aspekt in den Bericht eingeführt worden, der vorher nicht enthalten war: die Konkurrenz zu anderen Neubauprojekten der Bremer Straßenbahn AG (BSAG), zum Beispiel in der Überseestadt und im Stadtteil Osterholz. Dadurch seien in dem Unternehmen bereits viele Ressourcen gebunden. Gewarnt wird außerdem vor dem Risiko gerichtlicher Klagen, die zu Verzögerungen führen könnten. Auch diesen Punkt gab es in dem Bericht vorher nicht.
Die Kosten für die Verlegung der Straßenbahn in die Martinistraße werden in der ersten Fassung des Prüfberichts mit 20 bis 25 Millionen Euro veranschlagt. Für den Betrieb des ÖPNV gebe es keine Änderung. Anders in der zweiten, endgültigen Fassung. Dort liegt die Summe der Investitionen bei mindestens 50 Millionen Euro. Wesentlicher Grund ist unter anderem, dass etwas einberechnet wird, was es in der Aufstellung vorher als Kostenpunkt nicht gab: den Rückbau und die hochwertige Gestaltung der Obernstraße. Auch beim Betrieb des ÖPNV ist die Lage anders geworden. Nun wird angenommen, dass eine mögliche neue Linienführung durch den größeren Aufwand bei Personal und Fahrzeugen rund 100.000 Euro pro Jahr mehr kosten würde.
Dass es nach zweieinhalb Monaten Prüfung während weniger Tage derart gravierende Änderungen in der Einschätzung der BSAG-Experten gibt, hält das Verkehrsunternehmen für einen „normalen Vorgang“. Der Prüfbericht sei unter Hochdruck erarbeitet worden, dabei könne es durchaus vorkommen, dass sich maßgebliche Daten noch einmal veränderten. In der Frage werde ein enger Kontakt zur zuständigen Bau- und Verkehrsbehörde gepflegt. „Das ist ein Wechselspiel unterschiedlicher Abteilungen und Institutionen“, erklärt BSAG-Sprecher Jens-Christian Meyer.