Das Land Bremen wird seine selbst gesteckten Klimaziele für 2020 zwar verfehlen, doch die Bemühungen um eine Reduzierung der Treibhausgase kommen jetzt erkennbar voran. Beim lokalen Energieversorger SWB deutet sich der Ausstieg aus der Kohleverstromung an, und Bremens größtes Kohlekraftwerk – der 350-Megawatt-Meiler in Farge – soll zum Teil auf die Verbrennung von Biomasse umgestellt werden.
Die drei Kohlekraftwerke im Stadtgebiet tragen bisher einen erheblichen Teil zum Ausstoß klimaschädlichen Kohlenstoffdioxids bei. In die Pläne des Farger Betreibers ist bisher nicht einmal die Umweltbehörde eingeweiht. Die Anlage direkt an der Weser gilt als einer der ältesten Kraftwerksstandorte der Unterweserregion.
Im Volllastbetrieb werden dort rund 100 Tonnen fein gemahlener Kohlenstaub verbrannt – pro Stunde. Entsprechend groß wäre der positive Beitrag zur Bremer CO₂-Bilanz, wenn in Farge weniger Abgase durch den Schlot gejagt würden. Genau das soll mittelfristig passieren. Der Standortleiter des Farger Kraftwerksbetreibers Engie (früher: GDF Suez), Frank Fischer, kündigte gegenüber dem WESER-KURIER an, dass dem Hauptenergieträger Steinkohle ab 2020 bis zu 25 Prozent Biomasse beigemischt werden sollen.
„Wir sind im Planungsprozess schon relativ weit fortgeschritten, haben das aber noch nicht mit der Behörde diskutiert“, so Fischer. Entsprechende Genehmigungen durch das Umweltressort vorausgesetzt, werde Engie „einen zweistelligen Millionenbetrag“ in die Umrüstung investieren. Erst in der vergangenen Woche hatte Umweltsenator Joachim Lohse (Grüne) in der Bürgerschaft ein höheres Tempo beim Ausstieg aus der Kohleverstromung angemahnt.
In der Energiepolitik sei viel von Versorgungssicherheit, Arbeitsplätzen und Wirtschaftlichkeit die Rede, „doch wenn wir den Klimawandel nicht in den Griff bekommen, werden wir nicht mehr lange wirtschaften können auf diesem Planeten. Deshalb müssen wir das Thema Kohleausstieg auch ernst nehmen“, sagte Lohse. Die SWB habe dem Senat gegenüber die Bereitschaft angedeutet, ihre Kohlekraftwerke „in Richtung 2026 vom Netz zu nehmen“.
Unternehmenssprecher Friedhelm Behrens nimmt konkrete Jahreszahlen nicht gern in den Mund, bestätigt die Darstellung des Senators aber im Grundsatz. Beim größeren der beiden SWB-Kohlemeiler, dem Kraftwerk Hafen, sei ein Betriebsende schon „Anfang der 2020er-Jahre“ möglich. Etwas länger könne es in Hastedt dauern, auch weil an dieser Anlage die Fernwärmeversorgung im Bereich Hastedt/Vahr hängt. Würde man das Kohlekraftwerk Hastedt abschalten, bräuchte man eine andere Quelle für die Fernwärme. Auf dem Reißbrett gibt es sie bereits. Die SWB plant, eine sechs Kilometer lange Pipeline vom Müllheizkraftwerk in Findorff über Schwachhausen Richtung Hastedt zu bauen. Das Verfeuern von Müll gilt als klimaneutral, weil das dabei freigesetzte CO₂ dem Produktionsprozess zugerechnet wird.
SWB will Arbeitsplätze erhalten
Das Pipeline-Projekt hat ein finanzielles Volumen von rund 35 Millionen Euro. Ein knappes Drittel dieses Betrages hofft das Unternehmen als Bundeszuschuss einzuwerben. Ab Oktober soll der genaue Trassenverlauf mit den betroffenen Stadtteilbeiräten diskutiert werden, was an der einen oder anderen Stelle etwas heikel werden könnte. Bei ihren internen Vorplanungen für die Trassenführung mussten sich die SWB-Ingenieure selbst schon von der Ideallinie verabschieden.
So sollte die Doppelpipeline (warmes Wasser hin, abgekühltes Wasser zurück) eigentlich unmittelbar am Focke-Museum entlangführen. Doch dann stellte sich heraus, dass dort der seltene Eremitenkäfer haust. Nun muss die Trasse um dessen Lebensraum herumführen. „Im Dezember hätten wir gern Klarheit“, sagt Friedhelm Behrens.
Dann kommt der Aufsichtsrat der SWB, die zum Oldenburger EWE-Konzern gehört, zusammen, um Investitionsentscheidungen zu fällen. Letztlich gehe es auch um den Erhalt von Arbeitsplätzen. Die SWB sei bestrebt, ihren Mitarbeitern in der konventionellen Energieerzeugung eine Zukunft zu bieten. Dass an der Energiewende und dem Ausstieg aus der Verbrennung fossiler Energieträger mittelfristig kein Weg vorbeiführt, daran lässt allerdings auch Behrens keinen Zweifel. Das liege nicht nur an der Erwartungshaltung der Politik.
Auch wichtige Kunden fragten inzwischen CO₂-frei erzeugte Energie nach. „Wir haben entsprechende Anfragen unter anderem von Mercedes, aber auch von Investoren, die das Gelände der Galopprennbahn in Hemelingen bebauen wollen“, lässt der SWB-Sprecher durchblicken. Als Zwischenschritt bis zu einer endgültigen Abschaltung des Hastedter Blocks sei dort eine Minderung des Kohlenstoffdioxid-Ausstoßes durch effizienzsteigernde Technik und die Verfeuerung von speziell vorbehandelter Biomasse denkbar.