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Höchstpreise an Bremer Tankstellen Zögern an der Zapfsäule: So reagieren Bremer auf die hohen Spritpreise

Zähneknirschende Kundschaft an Bremer Zapfsäulen: Viele Autofahrerinnen und Autofahrer hängen die Zapfpistole schnell wieder zurück und setzen sich Limits in der Hoffnung, der Sprit werde wieder billiger.
19.10.2021, 22:05 Uhr
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Zögern an der Zapfsäule: So reagieren Bremer auf die hohen Spritpreise
Von Justus Randt

High Noon in Schwachhausen. Aber um zwölf Uhr mittags bleiben nicht nur in der Gondel die Colts kalt. Auch an der Tankstelle in unmittelbarer Nachbarschaft des Kinos zieht kaum jemand die Zapfpistole. Zur Minute kostet der Liter Dieselkraftstoff 1,639 Euro. Kurz zuvor, um elf Uhr, hatte der Allgemeine Deutsche  Automobilclub (ADAC) einen Bundesländervergleich angestellt und Bremen den Spitzenplatz bei den Spritpreisen zugeteilt – beim Preis von 1,697 Euro je Liter Diesel. Angesichts der Entwicklung übt sich die Kundschaft in Zurückhaltung – sofern sie kann.

„Man merkt es, die Preise steigen immer weiter“, sagt Julien Laval, der hinter der Kasse steht. „Die Leute fragen immer öfter: Wann wird es wieder günstiger? Ich sage dann: Das wird nur teurer.“ Seit die Preise steigen und steigen, stellt der 29-Jährige fest, dass Kunden oft nicht mehr volltanken. "Da ist dann bei 20 Euro Schluss, das hat deutlich zugenommen." Kurz vor 19 Uhr werde der Sprit oft noch mal um ein paar Cent günstiger. Aber nicht immer. Tankpreis-Apps, die eine Zeit lang der Hit unter Centfuchsern waren, „bringen nicht mehr viel“, glaubt der Mann an der Kasse, dazu schwankten die Preise zu rasant – wenn auch auf hohem Niveau.

„Neulich auf der Autobahn, an der Raststätte Allertal, habe ich 1,80 Euro für den Liter Diesel bezahlt, das war bislang das Schlimmste“, sagt Fritz Bewig, der mit seinem SUV vorgefahren ist. An diesem Dienstag geht es nicht ums Tanken, sondern nur um eine Besorgung. „Was soll ich machen, ich kann keinen anderen Sprit fahren. Ich fahre weiter, wie es meinen Bedürfnissen entspricht, ich empfinde das nicht als wirklich schmerzlich“, antwortet der 81-Jährige Schwachhauser auf die Frage, ob die Preisentwicklung Einfluss auf sein Fahrverhalten nimmt. „Aber bei steigenden Preisen dürfte sich der Steueranteil nicht mit erhöhen“, meint er.

Auch Johanna Lendner fährt, wie sie immer fährt – notgedrungen. Die Bremerin ist mit ihrem Kleinwagen auf dem Weg zu ihrer Mutter auf dem Land und muss dafür auftanken. „Anders als mit dem Auto komme ich da nicht hin. Und zur Arbeit muss ich über die Autobahn, unsere Fahrgemeinschaft ist durch Corona unterbrochen“, sagt die 39-jährige Bremerin. „Bremen ist ja sehr fahrradfreundlich, in der Stadt bin ich mit dem Rad oder öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs.“

Eine Säule weiter steht Christine Hildebrandt aus der Nähe von Frankfurt am Main. „Eine Katastrophe“ seien die Preise. „Aber man hat momentan nicht so die Wahl, ich muss jetzt erst mal nach Hause. Normalerweise kann ich entscheiden, wie viel Auto ich fahre, ich bin nicht beruflich darauf angewiesen", sagt sie. „Ich bin aber auch nicht sicher, ob wir klare Informationen über die Preisgestaltung bekommen. Ein Großteil sind ja Steuern.“

Sigurd Debelts war an diesem Tag für seine Firma schon in Hamburg – „da war Diesel zeitweilig sogar noch teurer als hier“, hat er festgestellt. Jetzt muss der Lieferwagen aufgetankt werden. „Mit der Kundenkarte merkt man das nicht so, aber am Ende müssen die Preise dann an die eigenen Kunden weitergegeben werden", denkt Debelts einen Schritt weiter. An der Plantage in Findorff ist er bis auf Weiteres der einzige Tankkunde. Eine Baustelle an der Findorffstraße verhindert das Linksabbiegen. Mit einer Rabattaktion versucht die Tankstelle, gegenzusteuern: Es gibt Rabatt fürs Volltanken ab 30 Liter und – nur an diesem Dienstag – einen Preisnachlass auf die „Basiswäsche“, der sich gewaschen hat.

Hendrik Lüdemann aus Sottrum nutzt seinen SUV gewerblich. „Man überlegt sich jede Fahrt zweimal. Wir müssen damit regelmäßig einen 3,5-Tonnen-Anhänger ziehen“, sagt der 58-Jährige, während er am Weserpark seinen Wagen betankt. „Wir haben über ein Elektroauto nachgedacht oder über ein Hybridfahrzeug. Aber bei der Anhängelast kommt man gerade mal 30 bis 40 Kilometer weit, und das Akku-Recycling ist ein übles Thema.“

Auch Alexa Kropp aus Lilienthal würde sich jede Fahrt mit dem Auto gern zweimal überlegen, „aber die Alternative lautet, mit dem Fahrrad zur Haltestelle und dann bei dreifacher Fahrzeit weiter mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit zu fahren“, sagt sie beim 15-Liter-Tankstopp. „Vor allem für junge Leute ist es schwierig“, vermutet sie: „Die Spritpreise, die Mieten, alles steigt, aber die Einkommen nicht.“

„Ich würde mein Auto am liebsten hier stehen lassen“, sagt Nüket Özder, die soeben ihre Tankrechnung bezahlt hat: Sprit für mehr als 100 Euro hat in den Tank des großen Familienkombis gepasst. „Früher waren es 75 Euro – aber es geht nicht anders: Ich muss drei Kinder zur Schule und in den Kindergarten bringen und zur Arbeit kommen.“

Auch Burhan Uzun, Auszubildender zum Verkäufer im Einzelhandel an der Tankstelle, stellt fest, dass viele Kunden an der Zapfsäule zögern und weniger tanken als sonst. „Vermutlich in der Hoffnung, dass es woanders billiger ist.“ Sein Tankstellen-Kollege Julien Laval aus Schwachhausen macht sich darüber zumindest privat keine Gedanken: „Ich habe ein Fahrrad, ich fahre kein Auto.“

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