Khala, kannst du uns Bolani machen?“, bittet einer der drei jungen Männer am hinteren Ende des Lokals. Mariam Raziqi lächelt. „Immer wollen sie Bolani“, erzählt sie über den Wunsch der Geflüchteten, die einst in Afghanistan von ihren Müttern zubereitete Spezialität nun in Deutschland von ihrer „Khala“ serviert zu bekommen. Ihrer Tante. Natürlich sei sie nicht ihre Tante, klärt die 50-Jährige auf.
Aber dass die Jungs so wie viele junge Afghanen sich bei ihr wie zu Hause fühlen, erfüllt sie mit stolz. „Ich bin gerne ihre Khala“, erklärt Raziqi ihre besondere Verbundenheit, die vielleicht auch der Tatsache entspringen mag, dass sie selbst Ende der 90er-Jahre nach Deutschland flüchtete. Zwanzig Jahre später eröffnete sie gemeinsam mit ihren Töchtern das in der Vahr gelegene, eher einfach eingerichtete Restaurant Watan, das, wie passend, Heimat bedeutet. Eine Heimat, die nicht nur eine Zuflucht für Geflüchtete sein soll, sondern ebenso eine Begegnungsstätte mit kulinarischen Entdeckern.
Was aber ist Bolani? „Eine gebratene Teigtasche“, erklärt Raziqi den aus der usbekischen Küche inspirierten Klassiker, der gewöhnlich mit Kartoffeln, Zwiebeln und einem „Gandana“ genannten afghanischen Schnittlauch gefüllt wird. Da es den hierzulande jedoch nicht gibt, verwendet sie Porree. Das Ergebnis: ein knusprig frittierter, würziger Fladen, der schon allein Wohl und Wonne verspricht, das Versprechen jedoch nur außen einhält. Die Füllung lässt nämlich nur erahnen, wie lecker sie sein kann, da die Lauchnote zu säuerlich dominiert.
Probiert und empfohlen: Die Entführung in die Welt der afghanischen Küche beginnt mit Kababe Teka Ba Tschalau (13,90 Euro). Das Gericht ist eine der typischen Spezialitäten des Landes: am Spieß gegrillte Kalbfleisch-Stücke aus der Oberschale, serviert mit einer Grilltomate und durch Safran verfeinertem Basmatireis. „Sehr lecker“, stellt Raziqi fest, die seit Kurzem anstelle des auf der Karte angegebenen Kalbfleischs Stücke aus der Lammkeule verwendet. Ahnend, dass Gäste es zu intensiv finden werden. Mehr noch allerdings hoffend, dass ihre Zubereitung mit Zwiebeln, schwarzem Pfeffer, Knoblauch und Kurkuma Anklang findet. Bei mir allemal.
„Alle sind begeistert“, kommentiert die Afghanin die nächste Ofenspezialität: Tandoori Murgh (11,90 Euro). Doch nachdem ich den ersten, zweiten und dritten Bissen des zuvor gekochten und nachträglich gebackenen Eintopfs aus Paprika, Champignons, Möhren, Porree, Blumenkohl, Kartoffeln, Hähnchenbrust und Brokkoli probiere, kann ich die Begeisterung nicht teilen. Im Gegenteil: das Gemüse schmeckt überhaupt kaum nach etwas. „Ich mag es so“, bleibt die Köchin jedoch überzeugt, wenngleich sie zugesteht, dass es ein bisschen zu lang gekocht sei.
Wenn man versucht, den Namen des letzten Gerichts auszusprechen, kann man nur verlieren: Qabilli ba Mahitcha (15,90 Euro). Wenn man es probiert, allerdings nur gewinnen. Elegant, wie die unvergleichlich nach Zimt und Kardamom duftende Lammkeule auf dem Basmatireis thront. Kinderleicht, wie das gedämpfte Fleisch sich mit einem Handumdrehen vom Knochen lösen lässt. Und butterzart, wie es schließlich auf der Zunge zergeht. Dann aber die Beilage, die fast vergessen unter dem Fleisch begraben liegt, sich bei Ausgrabung allerdings als heimlicher Star der Speise erweist und sogar unserem Fotografen das Prädikat „sensationell“ entlockt.
Temi Tesfay
hat Hunger auf Bremen. Auf seinen wöchentlichen Streifzügen durch die heimische Gastroszene hat er schon viele Küchen, Köche und kulinarische Schätze der Stadt kennen gelernt. Unter dem Titel „Ein Bisschen Bremen“ schreibt er außerdem einen Foodblog.
Weitere Informationen
Watan Restaurant, Schneverdinger Str. 2C, 28329 Bremen, Telefon: 0421 32277524, Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag von 16 bis 22 Uhr, Samstag und Sonntag von 12 bis 22 Uhr, Montag geschlossen, nicht barrierefrei