Die Eröffnung des ersten Bremer Taubenhotels in zentraler Innenstadt-Lage lässt weiter auf sich warten. Erst waren es Lieferengpässe, die das Projekt zur Reduzierung der Tauben-Population ausgebremst hatten. Dann berichtete das federführende Umweltressort von Nachbesserungsarbeiten an der Statik, um Auflagen zur Sturmsicherheit gerecht zu werden. Anfang des Jahres war die Eröffnung des Taubenschlags auf dem Dach des Brill-Parkhauses für diesen Spätsommer geplant. Nun steht fest: Daraus wird nichts.
"Es gibt zur Zeit noch keinen verbindlichen Termin für die Lieferung des Baumaterials", teilt Ramona Schlee mit, Sprecherin der Umweltsenatorin. Sobald das serienmäßige Gartenhaus mit 24 Quadratmetern Grundfläche da sei, könne es innerhalb weniger Tage aufgebaut werden. Für die sturmsichere Unterkonstruktion, die zwei Lagen Betonsteinplatten aufnehmen soll, würden rund sechs Wochen benötigt. Nach gegenwärtigem Stand könne der Kostenrahmen von rund 40.000 Euro wie geplant eingehalten werden.
Der Ansatz des Taubenhotels auf dem Parkhaus-Dach ist denkbar einfach: In einem speziellen Schlag soll künftig bis zu 200 Tieren ein artgerechtes Leben ermöglicht werden – inklusive Futter und Brutplatz. Im Anschluss greift der zweite Teil der Maßnahme, die nicht nur gesündere, sondern auch weniger Tauben zur Folge haben soll: Mitglieder des Vereins Bremer Taubenhaus tauschen die Eier der Tiere gegen Gipsattrappen aus – ein einfacher Vorgang, der von den Tauben meist gar nicht bemerkt wird.
Durch ihren angeborenen Brutzwang vermehren sich Stadttauben meist sehr schnell. Viele Städte haben mit explodierenden Populationen und ihren Hinterlassenschaften zu kämpfen. Der Bremer Senat hatte sich in seinem Koalitionsvertrag bereits für 2020 vorgenommen, das Problem anzugehen.
Ursprünglich sollten im Taubenhotel 2022 die ersten Gäste einchecken. Dass es nun eine Verzögerung der Verzögerung gibt, stößt bei den Beteiligten auf Unverständnis. Man sei mit Blick auf den Baufortschritt inzwischen "einigermaßen verzweifelt", so Perdita Golz, Vorsitzende des Vereins Bremer Taubenhaus. Der Verein stehe in den Startlöchern, alle seien bereit. Gleichzeitig gehe es den Bremer Tauben so schlecht wie schon lange nicht mehr.
Derzeit versuchen die Vereinsvorsitzende und ihre Mitstreiter, sich so gut es geht um kranke und verletzte Tiere auf den Straßen zu kümmern. Aber auch ihre Hilfsbereitschaft stößt an Grenzen. Die Tiere säßen inzwischen "Flügel an Flügel in unseren Pflegestellen", so Perdita Golz. Jeden Tag nehme der Verein rund fünf kranke Tiere auf, um sie zu pflegen und aufzupäppeln. Dass dies kein Allheilmittel ist, stellt Golz sofort klar: „Das A und O ist das Eiertauschen.“ Nur so könne die Taubenpopulation langfristig gesenkt und Elend vermieden werden. Das Dach des Parkhauses am Brill sei hierfür der perfekte Ort, davon ist Perdita Golz überzeugt.
Befürchtungen, dass im Parkhaus abgestellte Fahrzeuge durch Taubenkot beschädigt werden könnten, kann Ramona Schlee entkräften: "Da Tauben im Anflug typischerweise nicht koten, gehen wir davon aus, dass Autos auf dem Parkdeck in der Regel nicht verschmutzt werden." Ziel der Taubenschläge sei es, das die Vögel möglichst lange in Hotel verweilen, sodass der Kot innerhalb des Taubenhauses anfalle und zentral entsorgt werden könne.
Auch Jens Ristedt, Vorsitzender der Bremer City-Initiative, ist ein Unterstützer des Taubenhotels und freut sich über jede Maßnahme, die das Taubenproblem in der Innenstadt zurückdrängt. "Die Tauben bereiten sowohl dem Einzelhandel, der Gastronomie als auch allen anderen Akteuren nach wie vor Probleme", unterstreicht er. Zusammen mit einer steigenden Anzahl an Krähen nehme die Verschmutzung der Innenstadt kontinuierlich zu. „Das ist für Geschäftsbetreiber und die Außengastronomie ein großes Problem" und würde auch erhebliche Reinigungskosten nach sich ziehen, so der Vorsitzende der City-Initiative.
Umso deutlicher wird er, wenn es um die erneuten Verzögerungen beim Taubenschlag auf dem Brill-Parkhaus geht. „Es ist absolut nicht nachvollziehbar, warum das da bis heute nicht steht", sagt Ristedt. Gefragt seien jetzt "kurzfristige Erfolge" um der Lage Herr zu werden. „Es kann ja nicht so ein Akt sein, so ein Haus zu erwerben, es zu platzieren und es einzurichten.“ Auch das Statik-Thema zieht bei dem Modehaus-Inhaber drei Jahre nach den ersten Planungen inzwischen nicht mehr. Für ihn ist klar: „Da muss ein bisschen mehr Geschwindigkeit auf diesen Prozess."
Als weiterer Standort, so Behördensprecherin Ramona Schlee, solle in Vegesack im Zusammenhang mit der Neugestaltung des Bahnhofsvorplatzes ein Taubenhotel-Standort festgelegt werden. Ebenso werde daran gearbeitet, weitere Immobilienbesitzer in der Innenstadt "zu motivieren, Standorte für Taubenschläge bereitzustellen". Federführend bei der Entwicklung eines "Taubenkonzeptes" für die Stadt sei die Landestierschutzbeauftragte eingebunden.