Wie viel Platz ist in Bremen zwischen CDU und AfD? Von der Antwort auf diese Frage dürfte abhängen, ob die Bürger in Wut (BIW) nach dem 14. Mai nächsten Jahres wieder in der Bürgerschaft vertreten sein werden. Ihr Ziel ist der erstmalige Einzug in Fraktionsstärke.
Die Bürger in Wut sind eine Bremer Spezialität, es gibt sie in keinem anderen deutschen Landesparlament. Sie sind auch keine Partei, sondern eine Wählervereinigung, die 2004 aus den Trümmern der Partei Rechtsstaatliche Offensive hervorging, besser bekannt als Schill-Partei. BIW-Mitbegründer Jan Timke war dort schon aktiv. Der heute 51-jährige Polizist gilt nach wie vor als eigentlicher Kopf der Gruppierung, auch wenn mit der Bremerhavener Stadtverordneten Julia Tiedemann inzwischen eine junge Frau an der Spitze des Landesverbandes steht.
Bremerhaven als Plattform
Die Seestadt ist die eigentliche Plattform der Bürger in Wut. Bei den Kommunalwahlen erreichen sie dort stets gute Ergebnisse, aktuell sind sie mit vier Mandaten im Stadtparlament vertreten. Dass Jan Timke seit 2007 zugleich stets der Einzug in die Bürgerschaft gelang, liegt an einer Besonderheit des bremischen Wahlrechts. Es kennt zwei separate Fünfprozenthürden für Bremen und Bremerhaven. In der Seestadt überwand Timke diese Hürde stets locker und nahm dann als Einzelabgeordneter auf den hinteren Rängen des Landesparlaments Platz. Mehrfach gelang es ihm, Abweichler oder in Ungnade gefallene Akteure aus anderen Fraktionen zu sich herüberzuziehen. 2013 zum Beispiel den vormaligen SPD-Mann Martin Korol, später auch Mitglieder der zersplitterten AfD-Riege. Das reichte dann zeitweilig für den Status einer parlamentarischen Gruppe. Das Ziel einer eigenständigen BIW-Fraktion lag jedoch stets in der Ferne.
Nun soll es erneut angegangen werden. Timke und sein ursprünglich aus der AfD stammender Parlamentskollege Peter Beck rechnen sich gewisse Chancen aus. Dafür müssten sie allerdings auch in Bremen die Fünfprozenthürde überwinden und dort etwa doppelt so stark werden wie bisher. Im Wahlkampf werden die Bürger in Wut versuchen, klassische konservative Wähler zu erreichen, denen die CDU über die Jahre zu liberal und die AfD zu chaotisch und rechtsradikal geworden ist. Die Grundzüge des Wahlprogramms, an dem noch gearbeitet wird, verorten die BIW deutlich rechts, aber klar innerhalb des demokratischen Spektrums. Vieles von dem, was die Wählervereinigung propagiert, wäre vor 20 oder 30 Jahren noch CDU-Mainstream gewesen. Beispiel: die Schulpolitik. „Wir sind dafür, den Leistungsgedanken wieder klarer zu verankern“, sagt Jan Timke. Das Potenzial von Schülern zu erschließen gelinge am besten auf ihrer jeweiligen Leistungsstufe – deshalb die Forderung einer Rückkehr zum gegliederten Schulsystem. Die Inklusion geistig behinderter Kinder in den Regelunterricht hält Timke in Bremen für komplett gescheitert.
Domäne: Innere Sicherheit
Als ihre Domäne betrachten die BIW die Innere Sicherheit. Peter Beck, der wie Timke sein Berufsleben bei der Polizei verbracht hat, will entschiedener gegen Alltagskriminalität und Verwahrlosungserscheinungen vorgehen. Auf diesem Gebiet habe der Senat viel versäumt. Beck wirft dem rot-grün-roten Bündnis vor, mit ideologischen Scheuklappen unterwegs zu sein. Etwa wegen der Weigerung, Bremer Polizisten mit dem Taser auszustatten, einer elektrischen Distanzwaffe zur Betäubung aggressiver Straftäter. „Der Dienstherr nimmt hier seine Fürsorgepflicht gegenüber den Beamten nicht wahr, weil Linke und Grüne die Einführung blockieren“, ärgert sich Beck. Auch in der Flüchtlingspolitik schlagen die BIW Töne an, die man aus der CDU heute so kaum noch hören würde. Der Charakter des Asyls als Schutz auf Zeit müsse wieder deutlicher hervorgehoben werden, meinen Timke und Beck. Für einzelne Stadtteile müsse es maximale Zuzugsquoten von Flüchtlingen geben. Timke: „Das darf sich nicht in einzelnen Stadtteilen wie Blumenthal oder Huchting ballen.“
110 Mitglieder
Schon denkbar, dass der BIW-Konservatismus alter Schule da und dort auf fruchtbaren Boden fallen könnte – allein, die Saat auszubringen dürfte Timke und Co. schwerfallen. Mit etwa 110 Mitgliedern im gesamten Stadtstaat Bremen sind die Bürger in Wut nur sehr eingeschränkt kampagnenfähig. Geld ist auch kaum da, eine professionelle Agentur können sich die BIW nicht leisten. Während die Rechtsaußen-Konkurrenz von der AfD zwar vor Ort zerstritten ist, aber wenigstens auf die Hilfe der Bundespartei zählen kann, sind die Wutbürger auf sich allein gestellt. Laut Timke wollen sie deshalb ihr sehr überschaubares fünfstelliges Budget auf Aktivitäten in ausgewählten Stadtteilen wie etwa Huchting konzentrieren. Ob das reicht, um sich in der heißen Wahlkampfphase Gehör zu verschaffen, zeigt sich am 14. Mai.