Rückkehr auf Platz eins. Darum geht es für die Sozialdemokraten bei der Bürgerschaftswahl im kommenden Jahr. Wenn am Abend des 14. Mai die Stimmen ausgezählt sind, wollen sie die Schmach von 2019 getilgt haben, als die Bremer SPD erstmals in der Nachkriegsgeschichte von der CDU überflügelt wurde.
Die Ausgangslage war damals eine andere. Die rot-grüne Koalition unter Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) hatte keinen Lauf. Die Folgen eines mit dem Bund vereinbarten harten Sparkurses machten sich immer stärker bemerkbar, Teile der Verwaltung waren kaum noch funktionsfähig. Und an der Spitze des Senats stand mit Sieling ein Politiker, der sich zwar redlich mühte und in der Finanzpolitik auch Erfolge vorzuweisen hatte, aber nicht über die Ausstrahlung verfügte, mit der seine Vorgänger Wahlen gewannen.
Gerade beim Spitzenpersonal sehen sich die Sozialdemokraten diesmal besser aufgestellt, und mit diesem Kapital wollen sie wuchern. Die SPD wird voll auf Bürgermeister Andreas Bovenschulte setzen, so viel ist klar. Für die Kampagne wurde eine Arbeitsgemeinschaft aus der Agentur ask.berlin, die zur SPD-Medienholding ddgv gehört, und den "Markenmachern" der Hamburger PR-Firma Pahnke engagiert. Pahnke ist ein Dickschiff der Branche. Einige markenprägende Werbebotschaften wurde dort schon ersonnen – etwa "Merci, dass es dich gibt" für ein bekanntes Schokoladenprodukt. Das Gespann ask/Pahnke war zuletzt für die SPD in Niedersachsen erfolgreich. Die Losung "Das Land in guten Händen" war auf den langjährigen und im Land populären Ministerpräsidenten Stephan Weil zugeschnitten, und sie wirkte offenbar. Eine solche Kampagne kann man für Bremen nicht einfach wiederholen, doch die Botschaft wird eine ganz ähnliche sein: Hier ist ein Landesvater, der sich bereits als Krisenmanager während der Corona-Pandemie bewährt hat und auf den sich die Bürger nun in der Energiekrise erneut verlassen können. Besondere Zeiten erfordern besondere Politiker. Bovenschulte sei so einer, soll suggeriert werden. Auch die Physis des Spitzenkandidaten spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die unausgesprochene Botschaft: Hinter dem breiten Rücken des Bürgermeisters können wir uns in der Krise versammeln.
Die SPD-Wahlkampagne wird auf drei Hauptzielgruppen ausgerichtet sein. Die wichtigste stellen – wenig überraschend – die Arbeitnehmer dar. "Gute Arbeit, starke Wirtschaft" ist die Vorstellung, die im Bewusstsein der abhängig Beschäftigten mit der Partei und ihrem Spitzenkandidaten verknüpft sein soll. Ein weiteres wichtiges Wählerreservoir stellt die ältere Generation dar. "Soziale Gerechtigkeit und Respekt" – daran sollen die Senioren in Verbindung mit der SPD denken. Auch die bürgerliche Mitte will man diesmal verstärkt ansprechen. Botschaft hier: "Gut und sicher leben." Nach Einschätzung der PR-Experten aus Hamburg und Berlin sind auf diesem Gebiet "Geländegewinne" zulasten der CDU möglich, wie es ask-Chef Thomas Mühlnickel formuliert. Er ist überzeugt: "Für die bürgerliche Mitte ist der Bürgermeister eine wichtige Größe."
Starke Wirtschaft, soziales Miteinander, Innovation und nachhaltiger Fortschritt, Sicherheit und Sauberkeit: All das sind Themen, mit denen die SPD ausdrücklich als Kraft der Mitte positioniert werden soll. Die Wahlkampfstrategen wollen auf diese Weise nicht zuletzt Stimmen zurückholen, die 2019 vom damaligen CDU-Spitzenkandidaten Carsten Meyer-Heder eingesammelt wurden. Im SPD-Wahlkampf wird es also ausdrücklich nicht um Polarisierung gehen, macht Pahnke-Geschäftsführer Alexander Glück deutlich, sondern um den integrativen Appell an den Zusammenhalt der Gesellschaft im Angesicht einer ernsten Krise. Dafür steht der Bürgermeister. Dass sich in solchen Krisenzeiten Experimente im Rathaus verbieten, versteht sich aus Sicht der SPD von selbst.
Interessant ist auch, was im SPD-Wahlkampf diesmal keine Rolle spielen wird. 2019 hatte das Thema Bildung noch breiten Raum eingenommen. Gesellschaftlicher Aufstieg durch Bildung gehört ja zur großen sozialdemokratischen Erzählung, zur DNA der Partei. Doch angesichts anhaltender Misserfolge in Leistungsvergleichen auf Länderebene und mehrerer Tausend fehlender Kita-Plätze allein in der Stadt Bremen sehen die sozialdemokratischen Strategen aktuell offenbar keine Chance, aus der Bildungspolitik ein Gewinnerthema zu machen.
Wirtschaft, Innovation, soziales Miteinander und Sicherheit sind da schon lohnender. Zu diesen vier Schlüsselbegriffen wird die SPD in den kommenden Monaten vier sogenannte Zukunftsdialoge mit dem Bürgermeister abhalten. Diese Abendveranstaltungen sollen auch dazu dienen, zentrale Aussagen des sozialdemokratischen Wahlprogramms in die Öffentlichkeit zu tragen, bevor es am 4. Februar auf einem Landesparteitag endgültig beschlossen wird. Die SPD hofft, dann optimal vorbereitet zu sein für ihren Bürgermeisterwahlkampf. "Merci, dass es dich gibt", sollen die Leute über den Mann im Rathaus denken. Wenn die Kampagne dies schafft, ist Bovenschulte eine zweite Amtszeit sicher.