"Hallo, was ist das, heute mal nicht laufen?", ruft ein Jogger Spaziergängerin Astrid Touray im Bürgerpark lachend zu. Das ist bezeichnend für die fitte Findorfferin, die mehrmals in der Woche durch den Park joggt. Sie ist bekannt, sportlich sehr aktiv und setzt in diesem Bereich vieles in Bewegung. "Alles, was mit Bewegung zu tun hat, finde ich super", sagt die 53-Jährige. Deshalb bringt sie ihre berufliche Kompetenz und Erfahrung als Koordinatorin des Projekts "Sport Interkulturell" in der Integrationsabteilung im Landessportbund Bremen (LSB) auch in ihr ehrenamtliches Engagement im Sportbereich ein.
"Ich möchte nicht nur reden, ich bin eine Kämpferin", sagt Astrid Touray. Diese Aussage gelte generell für ihr haupt- und ehrenamtliches Engagement für gesellschaftliche Teilhabe. Die Sozialpädagogin hat unter anderem einen Schulzirkus geleitet, Ferienfreizeiten des Jugendtreffs Blockdiek begleitet, die Boxzeile in Huchting, eine Bauchtanzgruppe und eine Fußballmannschaft für Migranten und Geflüchtete beim Turn- und Sportverein Woltmershausen aufgebaut, die bis heute von ihr betreut wird. Zudem ist die LSB-Projektleiterin, die in Warnemünde geboren und nach ihrer Erzieherausbildung 1991 zum Studium nach Bremen gekommen ist, in ihrer Freizeit im Woltmershauser Vereinsvorstand für Integration und Soziales zuständig.
Das jüngste ehrenamtliche Projekt ist die Gründung des Vereins "Schwimm mit". Er betreibt eine mobile Schwimmschule mit kreativen Angeboten für Kinder in benachteiligten Stadtteilen, die nicht schwimmen können. Zu ihrer Idee – "das Wasser muss zu den Kindern kommen, nicht umgekehrt" – hatte Astrid Touray intensiv im Internet recherchiert. Im Mai 2019 haben die Bürgerstiftung, der Landessportbund, der Landesschwimmverband, der DLRG-Landesverband und der Landesverband evangelischer Kindertageseinrichtungen das Pilotprojekt der mobilen Schwimmschule in einer Huchtinger Kindertagesstätte gestartet.
Der im Februar 2020 gegründete Verein "Schwimm mit", dessen Vorsitzende Astrid Touray ist, führt nun praktisch das Konzept der Kooperationspartner fort, die zu den zehn Vereinsmitgliedern zählen. Ziel sei die Nichtschwimmerquote zu senken, insbesondere unter Migranten, Geflüchteten und finanziell schlechter gestellten Familien, erklärt die Findorfferin. Der Schwerpunkt der Vereinsarbeit liegt auf dem Betrieb der mobilen Schwimmschule. Sie wird laut Astrid Touray mit einem Zuschuss des Sportamtes in erster Linie aber über Spenden finanziert.
"Uns geht es vor allem um die frühzeitige Wassergewöhnung von Kindern, wir wollen sie überhaupt erst einmal ans Schwimmenlernen heranführen", erklärt sie. "Schwimmen muss Spaß machen", betont Astrid Touray und drückt dies in ihrer Begeisterungsfähigkeit und Körpersprache auch aus. Deshalb sollten Kinder ab fünf Jahren in vertrauter Umgebung des Kindergartens das nasse Element spielerisch entdecken, so könnten Ängste vorm Wasser abgebaut werden. Eine Grundvoraussetzung für richtiges Schwimmen, das mit dem "Seepferdchen" nicht abgehakt werden dürfe. "Das ist kein sicheres Schwimmabzeichen, eher hochgefährlich", warnt die LSB-Fachkraft und spricht das vermeintlich verbreitete Sicherheitsgefühl auch unter Eltern an.
Obgleich die Pandemie viele geplante Aktivitäten verhindert hat, beschäftigt der Verein inzwischen einen Projektleiter für 20 Stunden pro Woche. Er kümmert sich um die Koordination der zehn ehrenamtlichen und qualifizierten Trainer, um Logistik, Terminplanung und mehr. Durch Corona sei der Aufwand deutlich gestiegen, sagt Astrid Touray. Vorgaben würden sich ständig ändern, Hygienekonzepte müssten entsprechend angepasst werden.
So sollte der acht mal vier Meter große vereinseigene Pool mit Filter und Wärmepumpe eigentlich schon im Mai in Hemelingen zum ersten Mal in diesem Jahr zum Einsatz kommen. Nun hoffen die Vorsitzende und ihre Mitstreiter – auch ihre Fußballer helfen stets beim Auf- und Abbau – auf weiter sinkende Inzidenzwerte und den Saisonstart im Juni in Lüssum, wo die mobile Schwimmschule sechs Wochen Station machen soll.
In Lüssum liege der Migrationsanteil an der Bevölkerung bei über 90 Prozent, so Astrid Touray. Dazu zählten viele Familien und Alleinerziehende. Sie kennt deren Hemmschwellen: die Kosten, umständliche und lange Anfahrtswege sowie kulturelle Hintergründe, wonach Wasser als bedrohlich empfunden werde. "Viele Erwachsene können nicht schwimmen, Familien sind deshalb nicht sensibilisiert fürs Schwimmen", erklärt die Sozialpädagogin. Nicht zuletzt durch ihren persönlichen Hintergrund und ihre Arbeit habe sie viel Verständnis für Migranten und Geflüchtete – und dadurch eine besondere Empathie für Integration entwickelt, wie sie betont.
"Chancengleichheit ist mir sehr wichtig", betont Astrid Touray. Wenn Kinder nicht schwimmen könnten, würden sie beispielsweise den Kindergeburtstag im Freibad absagen. Sie habe viele ausgrenzende Situationen in ihrem beruflichen Alltag bei dem 2008 stadtweit eingeführten Schulschwimmen erlebt. Und sie habe gesehen, "dass kein Kind mehr sicher schwimmt". Seither versucht die Findorfferin mit Lehrbefähigung für Sport, das Schwimmen haupt- und ehrenamtlich auf vielerlei Arten zu fördern.
Die positiven Rückmeldungen auf die mobile Schwimmschule aus den Kindertagesstätten, etwa ein rücksichtsvolleres Sozialverhalten oder zunehmendes Selbstbewusstsein, motivieren Astrid Touray. "Das Wasser verändert die Kinder, sie gehören dazu und haben Erfolgserlebnisse." Deshalb möchte die Bremerin die Wassergewöhnung in benachteiligten Stadtteilen ausweiten, ein zweites mobiles Bassin sei bereits in Aussicht. Weitere Ideen sind: Schwimmkurse für Kinder, Jugendliche und jungen Erwachsene bis 21 Jahre, Schwimm-Tandems, Lifeguards oder der Bremer Schwimmbeutel. Für deren Umsetzung brauche es jedoch weitere Spender und aktive Unterstützer, betont Astrid Touray.