Die Aussichten für das Wirtschaftswachstum in Deutschland verschlechtern sich wegen anhaltender Risiken. Führende Konjunkturinstitute hätten ihre Erwartungen bereits gesenkt, sagt Ökonom Jan Wedemeier vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) in Bremen. „Die Wachstumsaussichten sind gegeben, aber sie sind gedämpft.“ Aufgrund seiner Exportstärke ist das Land Bremen von Unruhen oder gar Einbrüchen im Welthandel in größerem Ausmaß betroffen.
Der Auslandsumsatz liegt in Bremen im Bundesvergleich mit Abstand an der Spitze. Zwar legt die Binnenmarktnachfrage derzeit etwas zu, was nach Einschätzung des Wissenschaftlers aber die möglichen Folgen nicht ganz auffängt. „Das könnte eine dämpfende Wirkung auf die Entwicklung Bremens als Bundesland haben.“
Im nächsten Jahr gebe es viele Unsicherheiten etwa wegen des bisher noch ungeregelten Austritts Großbritanniens aus der EU. „Wir haben im Moment kein Abkommen. Und meines Erachtens ist es völlig unklar, ob es bis März eines geben wird“, sagt Wedemeier. Das HWWI hätte für 2019 eigentlich einen größeren Konjunkturzuwachs prognostiziert, sei nun aber „deutlich runtergegangen“ auf ein Plus von 1,4 Prozent. Zugleich belaste der Handelsstreit zwischen den USA und China sowie den USA und der EU die Wirtschaft. Das Niveau sei derzeit jedoch sehr hoch.
Ein Dämpfer könne durchaus eine „beruhigende Wirkung“ haben. In der Phase der Hochkonjunktur produzierten Unternehmen teils über dem, was eigentlich ihr Optimum sei. Nun könnte ein leichter Abschwung kommen. Das deuten jedenfalls die Auftragsrückgänge in der Industrie an – auch in Bremen und der Region. „Die niedersächsische Industrie hat bis September deutlich an Dynamik eingebüßt“, bestätigt Christian Lips, Chefvolkswirt der NordLB. Er geht für 2018 und 2019 von einem soliden, leicht unterdurchschnittlichem Wirtschaftswachstum in Niedersachsen aus.
Nur noch ein Plus von 1,6 Prozent
Vor einem Jahr waren die Aussichten insgesamt noch wesentlich optimistischer. Für dieses Jahr rechnet das HWWI nach der Delle im dritten Quartal nun mit einem Plus von 1,6 Prozent. Allerdings gibt es laut Wedemeier die Vermutung, dass es gerade einen „Aufholprozess“ gibt – besonders der Autohersteller nach Problemen bei der Zulassung wegen der neuen Abgasnorm WLTP. Für den Arbeitsmarkt konstatiert Wedemeier angesichts vieler offener Stellen in Bremen keine Eintrübung: „Wir gehen hier immer noch von einer robusten Beschäftigungsentwicklung aus.“
Neben globalen Risiken sieht Henrik Gerken, Referent für Konjunktur der IHK Stade für den Elbe-Weser-Raum, weitere Probleme. Ein schleppender Infrastrukturausbau sowie zunehmende Dokumentations- und Nachweispflichten bremsten die wirtschaftliche Entwicklung in Niedersachsen. „Die Unternehmen blicken deshalb deutlich zurückhaltender auf das kommende Jahr.“ Gerade Betriebe aus dem Nordwesten mit Produktion, Absatz oder Handel in Großbritannien stehen laut Lars Köhler von der Bremischen Volksbank vor großen Herausforderungen. „Solange der Weg des Brexit nicht klar ist, können kaum Entscheidungen getroffen werden und Aufträge bleiben gegebenenfalls aus.“
Aufgrund der besonders starken Ausgangslage gehen die Experten der Bremer Banken in ihrem Konjunkturausblick dennoch von einer guten wirtschaftlichen Entwicklung im Nordwesten aus. Sascha Otto, Leiter des Wertpapier- und Portfoliomanagements der Sparkasse Bremen, erwartet sie ebenfalls. „Analog zu der Entwicklung in Gesamtdeutschland wird die Konjunktur aber auch im Norden abkühlen. In Niedersachsen bremst vor allem die zuletzt schwache Automobilindustrie die Konjunkturlokomotive ein wenig aus.“ Gleichzeitig gebe es aber durch die Zukunftsthemen Elektromobilität und autonomes Fahren Chancen.
Lars Köhler befürchtet dagegen, es könnte Autohersteller und Zulieferern, die in Bremen und umzu eine wichtige Rolle spielten, nach einem Boom auch eine „harte Landung“ drohen. Die Baubranche werde dagegen weiter von der Nachfrage nach Wohnraum und niedrigen Zinsen profitieren. Optimismus gibt es dort der jüngsten Umfrage des Bauindustrieverbandes Niedersachsen-Bremen nach: 82,5 Prozent der Betriebe geht von einer guten Geschäftslage im ersten Halbjahr 2019 aus. Fast zehn Prozent erwarten gar eine Verbesserung.