„Kein Bremen ohne Buchte“ – aus dem Schlachtruf ist ein Buchtitel geworden. 40 Jahre Jugendhaus hat eine Arbeitsgruppe der Naturfreundejugend innerhalb von drei Jahren auf mehr als 200 Seiten zusammengetragen und damit auch die Entstehung und Entwicklung der Protestkultur am Schauplatz Bremen dokumentiert. Auf die Reaktionen sind alle Beteiligten gespannt. Sie wollen ihr Werk auf dem Buchtstraßenfest am Freitag, 1. Mai, vorstellen.
„Das war nicht immer einfach“, kommentiert Andrea Kolling, die sich seit 20 Jahren immer wieder für das Haus engagiert hat, die Arbeit am Buch. Begonnen habe die Recherche im Sanierungsjahr 2012 und die Redaktion sei dann immer kleiner geworden: „Am Schluss waren wir zu dritt.“ Viel diskutiert haben sie, denn gerade über die Anfangsjahre existieren viele Ansichten, die sich oft auch widersprechen. Mit der Veröffentlichung schließt auch Andrea Kolling ein Kapitel in ihrem Leben ab: „Dieses Buch ist mein letztes Projekt in diesem Hause.“ Die 61-Jährige, die sich vor allem in den Neunzigern in die politische Kampagnenarbeit eingebracht und zuletzt die Sanierung begleitet hat, beendet ihre Mitarbeit. „Ich habe keine weiteren Karriere-Ambitionen“, sagt sie und lacht.
Die Chronologie des Jugendhauses ist untrennbar verknüpft mit der Protestkultur der Siebziger. Das belegen die vielen Beiträge von Zeitzeugen, zahlreiche Fotos, Zeitungsartikel und Protokolle, die sich im Buch finden. Für die Jüngeren sei das eine gute Möglichkeit, den Ort besser zu verstehen, an dem sie Konzerte besuchen und ausgelassen feiern, meint Andrea Kolling. Aber auch ältere Freunde des Jugendhauses werden Dinge erfahren, die sie sicher nicht gewusst haben. Mit „Kultur ohne Kommerz“ haben die Macherinnen und Macher der Musikkultur in der Buchte ein eigenes Kapitel gewidmet. Lasse Timm hat 30 Interviews geführt, um herauszufinden, wie sich allein die Geschichte des Veranstaltungssaals entwickelt hat.
Mit der Buchte groß geworden sind seit Ende der 1970er-Jahre zahlreiche Bremerinnen und Bremer. Der Name sei auch über die Grenzen der Hansestadt hinaus bekannt, berichtet die 27-jährige Jana Sämann, die als Hauptamtliche oft mit Booking-Agenturen telefoniert: „Buchte? Ach, da habe ich mal gewohnt.“ Diesen Satz höre sie dabei immer wieder, und mit der Zeit habe sie das neugierig gemacht.
Intention sei nicht nur gewesen, ein besseres Verständnis vom eigenen Haus zu gewinnen, sondern auch, sich gegen die offizielle Geschichtsschreibung zu behaupten: „Da wären wir höchstens eine kleine Fußnote“, meint Andrea Kolling.
„Die Idee zum Buch kam bereits 2004 auf“, sagt Verbandssekretär David Kostial. Den Anstoß zur Verwirklichung habe dann jedoch die Sanierung vor drei Jahren gegeben. Beim Entrümpeln kam viel Material zu Tage. „Die Buchte verfügt über ein großes Archiv“, sagt Andrea Kolling. Die Funde der Baustellenzeit hätten schnell zu der Frage geführt: „Was macht man damit, wirft man das jetzt alles weg?“ Die Naturfreunde entschieden sich dagegen und bildeten eine Arbeitsgruppe, die sich in wechselnder Besetzung drei Jahre lang mit den vielen Geschichten über die Buchte befasst hat. „Die Anfangsjahre aufzubereiten war am schwierigsten“, sagt Kolling, „da unterschieden sich die Berichte der Augenzeugen am meisten. Wann genau war die Eröffnung, war das Haus wirklich besetzt oder nicht? Und wenn ja, in welchen Räumen wurde gewohnt?“ Die Vielzahl an Kontroversen führte zum Untertitel: „Ein Haus schreibt Geschichte(n)“.
„Ob wir all dem gerecht werden konnten, muss jeder selbst entscheiden, der das Buch gelesen hat“, sagt Andrea Kolling. Auch wenn sie selbst ihre Arbeit nun einstelle, der Vorgang „Geschichtsschreibung“ sei längst nicht abgeschlossen: „Wir wissen zum Beispiel gar nicht, was mit dem Haus zur Zeit des Faschismus war. Das wäre sehr interessant zu erfahren.“ Die Macherinnen und Macher wollen mit ihrer Sammlung einen Prozess anstoßen und hoffen darauf, dass sich viele melden werden, die noch mehr zu erzählen haben.
Welchen Preis sie für das Buch ansetzen müssen, um mit dem Verkauf die entstandenen Kosten decken zu können, das wissen sie am 1. Mai, wenn es offiziell vorgestellt wird: „Bis dahin müssen wir noch kalkulieren“, sagt der Verbandssekretär, „es ist natürlich teurer geworden, als gedacht.“
Das Programm für das Buchtstraßenfest am Tag der Arbeit, 1. Mai, steht aber schon: Um 10 Uhr geht’s los mit Kaffee, Kuchen, Infoständen und „Protestsongs mit Wonderland“. Ab 16 Uhr spielen dann „Wurst & Feinkost“ und „Alltag“.