Drei Viertel aller 3,3 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland werden von Angehörigen zu Hause gepflegt. Vor allem die Langzeitpflege stellt in der Regel die Familie sicher. Die Hauptlast tragen dabei meist die weiblichen Familienmitglieder.
„Pflegende Angehörige leisten einen unschätzbaren Beitrag für die Gesellschaft“, stellt Eberhard Muras als Vorsitzender der Bremer Bürgerstiftung dazu fest. Das verdiene Dank und Anerkennung, vor allem aber auch Entlastung und Unterstützung.
Vor diesem Hintergrund hat die Bürgerstiftung Bremen das Projekt „Hol mal Luft“ initiiert. „Ich habe schon viele pflegende Angehörige kennengelernt und weiß, was das manchmal für ein Elend sein kann“, sagt Muras mit Blick auf seine vormalige Tätigkeit als Vorstand des Diakonischen Werks Bremerhaven. Er kennt nach eigenen Angaben viele Mütter, Töchter und Schwestern, die sich dieser Aufgabe stellten. Und wenn nach Jahrzehnten des Zusammenlebens plötzlich die Ehefrau oder Partnerin pflegebedürftig wird, umsorgen nach seiner Erfahrung teilweise auch Männer die Liebste, um bei ihr zu bleiben und ihr einen Heimaufenthalt zu ersparen.
Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der durch den demografischen Wandel weiter steigenden Zahl an Pflegebedürftigen hat die Bürgerstiftung Bremen pflegende Angehörige als Schwerpunktthema für 2020 gewählt. „Wir wollen bestehende Unterstützungsangebote für pflegende Angehörige stärker vernetzen“, erklärt Eberhard Muras.
Daher hat die Bürgerstiftung Bremen alle Initiativen, die pflegenden Angehörigen in irgendeiner Form zur Seite stehen, bereits zu einem ersten Planungstreffen eingeladen. Die Vertreter des Netzwerks Selbsthilfe, der Hochschule Bremen, der Weser-Tagespflege und der Specht-Gruppe sowie der Demenz Informations- und Koordinationsstelle (DIKS) haben den Vorstoß nach seiner Auskunft „alle als tolle Idee“ beurteilt und ihre Kooperation zugesichert.
Die Corona-Pandemie und Auflagen würden die gemeinsame Umsetzung der konkreten Hilfestellung für pflegende Angehörige leider etwas erschweren, sagt Muras. „Wir sind noch in der Aufbauphase – und machen auf jeden Fall weiter. Denn ich sehe gerade bei pflegenden Angehörigen: Sie werden immer einsamer“, spricht Muras deren Dilemma an, rund um die Uhr eingespannt und besonders stark belastet zu sein.
Vielleicht gelinge es mit dem Projekt „Hol mal Luft“, den ein oder anderen Ersatz zu finden, der pflegende Angehörige zuverlässig und regelmäßig ein oder zwei Stunden Zeit verschafft, in Ruhe einen Kaffee zu trinken oder einen Moment für sich zum Durchatmen zu haben, ist nur einer seiner Gedanken dazu. Die pflegenden Angehörigen sollen durch das neue Projekt außerdem persönliche Wertschätzung erleben und gesellschaftliche Anerkennung erfahren.