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Ehemaliges Bundesbankgebäude Abrissarbeiten in der Kohlhökerstraße beginnen

Die Abrissarbeiten am ehemaligen Bundesbankgebäude an der Kohlhökerstraße haben begonnen. Parallel dazu klagen Anwohner vor Gericht. Das Projekt bleibt umstritten.
14.09.2021, 06:00 Uhr
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Abrissarbeiten in der Kohlhökerstraße beginnen
Von Marc Hagedorn

Die Lampe im Treppenhaus spendet kein Licht mehr. Der Strom ist schon seit Monaten abgestellt. Reiner Belitz nutzt die Taschenlampe seines Smartphones, um seinen Begleitern die Stufen nach oben auszuleuchten. Zum Start der Abrissarbeiten an dem ehemaligen Bundesbankgebäude in der Kohlhökerstraße führt der Architekt und Projektleiter von Evoreal, dem Besitzer des Objektes, durch das Hochhaus.

Hier ist schon längere Zeit niemand mehr zu Besuch gewesen. Zu den letzten Gästen zählten Sondereinheiten der Polizei, die hier Übungen durchgeführt haben, leere Patronenhülsen zeugen davon. Unten im Eingangsbereich hatten sich zwischenzeitlich Unbekannte Zugang verschafft, leere Bierflaschen und eine zerstörte Glasscheibe sind alles, was sie hinterlassen haben.

Seit diesem Montag wird aufgeräumt, und zwar gründlich. Alles muss raus. Fußböden, Wände, Türen, Decken und die Technikeinbauten. Als die ersten Arbeiter am Morgen anrücken, beginnen sie ihren Dienst aber zunächst draußen vor der Tür. Sie verpassen den Bäumen rechts und links entlang der Kohlhökerstraße eine Holzverkleidung; zum Schutz, wenn jetzt die Sattelschlepper mit den schweren Bauschuttcontainern das Areal ansteuern. Zum Ende des Winters sollen sie dann gefällt werden, sehr zum Ärger der Anwohner. Sie haben Plakate aufgehängt, an jeden Baum mindestens eines, „Stopp Evoreal“ steht darauf oder „Zum Tode verurteilt durch die Ignoranz der Politik“. Die meisten Bäume tragen Trauerflor.

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Die Bürgerinitiative „Kein Hochhaus im Viertel“ wehrt sich seit gut drei Jahren massiv gegen das Projekt, auch jetzt noch, da die politische Entscheidung für einen Neubau gefallen ist. Die Stadtbürgerschaft hat den geänderten Bebauungsplan beschlossen, eine Abrissgenehmigung ist Evoreal, dem Projektentwickler aus Hamburg, von der Behörde erteilt worden. Grundstückseigentümer und Mieter aus der Nachbarschaft sind deshalb jetzt vor Gericht gezogen. Sie kritisieren unter anderem, dass aus ihrer Sicht über 100 Einwendungen beim politischen Entscheidungsprozess unberücksichtigt geblieben seien.

Dem Verwaltungsgericht liegt ein Eilantrag gegen die erteilte Abbruchgenehmigung vor, beim Oberverwaltungsgericht läuft ein Normenkontrollverfahren zur Bebauungsplanänderung. Beide Gerichte teilen auf Nachfrage des WESER-KURIER mit, dass es noch keinen Termin für eine Entscheidung gebe.

Evoreal hat derweil mit den Abrissarbeiten begonnen. „Wir machen nichts, was wir nicht dürfen“, sagt Geschäftsführer Frank Petersen, Stand heute habe man eine Abbruch- und Baugenehmigung, „das ist von der Politik und der Stadt alles abgewogen worden.“ Und so wird in einem ersten Schritt bis Mitte Dezember das Gebäude entkernt. Sohle und Tiefgarage bleiben stehen, eine neun Meter tiefe Baugrube sozusagen, in der Teile des Bauschutts zwischengelagert werden. Der Bauverkehr soll in dieser Phase überschaubar sein. Projektleiter Belitz spricht von zwei Sattelschleppern, die täglich Container bringen und abholen sollen.

Ab Januar wird es für die Anlieger dann ungemütlicher, wenn sich erst Bagger und Abrisszangen am Stahlbeton zu schaffen machen und ab April, spätestens Mai die Hochbauarbeiten beginnen sollen. Die Bürgerinitiative befürchtet eine, wie sie schreibt, „24-Stunden-Baustelle“, eine Gefährdung für Fußgänger, Radfahrer und Schulkinder sowie eine „Zerstörung der Fahrbahn und der unter ihr verlegten Abwasser-, Wasser- und Gasleitungen“.

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Hausherr Evoreal verweist auf das Amt für Straßen und Verkehr, das die Salvador-Allende-Straße, über die das Baugelände angefahren wird, für schwerlasttauglich halte. Gearbeitet werde auch nicht 24 Stunden lang, sondern von montags bis freitags zwischen sieben und 18 Uhr, Ausnahmen habe man nicht beantragt, sagt Projektleiter Belitz. Und für die Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer werde alles Mögliche getan. Evoreal hat nach eigener Aussage Informationsblätter an alle Anwohner verteilt mit Namen und Handynummern der Verantwortlichen auf der Baustelle. Über den Baufortschritt soll außerdem eine extra eingerichtete Webseite im Internet informieren.

Vom anhaltenden Protest der Anwohner zeigt sich Evoreal nicht überrascht. „Das ist bei solchen Projekten normal“, sagt Petersen, „es gibt innerstädtisch keine großen Wiesen mehr, alle suchen Wohnraum.“ Das alte Bundesbankgebäude sei deshalb ein ideales Projekt. „Niemand wollte es mehr, und es ist von der Stadt Bremen als Impulsprojekt Wohnen definiert worden.“ Die Anwohner fordern genau darüber eine neue Diskussion. Die Bürgerschaft habe im Januar 2020 die Klimanotlage ausgerufen, alle Anträge und Vorlagen müssten deshalb auf ihre Auswirkungen auf das Klima überprüft werden. „Die Konsequenz“, heißt es in einer Mitteilung der Bürgerinitiative, „müsste nun sein, über die Umnutzung statt den Abriss nachzudenken“.

Zur Sache

Grüne Dächer und Fotovoltaik

Auf dem 7000 Quadratmeter großen Grundstück Ecke Kohlhöker/Salvador-Allende-Straße sollen in sechs Gebäudeteilen, der größte davon elf Stockwerke hoch, 179 Wohneinheiten entstehen, darunter 54 Sozialwohnungen. In der Tiefgarage sind auf zwei Ebenen 158 Parkplätze vorgesehen. Alle Dächer der neuen Gebäude sollen begrünt beziehungsweise mit einer Fotovoltaikanlage bestückt werden. Ein Blockheizkraftwerk soll alle Wohnungen mit Wärme und Warmwasser versorgen. Im Sommer 2024 sollen die Wohnungen bezugsfertig sein.

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