Obernstraße, Lloydhof, jetzt in der Knochenhauerstraße. Gearbeitet haben Norbert Fecker und Volker Sieberg an mehreren Standorten in der Bremer Innenstadt. Mit ihrem Plattenladen Hot Shot Records zogen sie mit den Jahren durch die City. Mehrfach. Die Entwicklung des Geschäfts verlagerte sich immer weiter ins Zentrum. Seit 2012 sind die beiden Musik-Nerds in der ersten Etage hinter dem ehemaligen Kaufhof-Gebäude anzutreffen. In einem Eldorado für Sammler, Liebhaber und Musik-Fans. Doch ist die die Innenstadt für sie und für ihre Arbeit ein Paradies? Oder ist die Innenstadt alles andere als im Idealzustand? Und wie ergeht es eigentlich denen, die in den Büros arbeiten?
Die Vinyl-Händler-Geschichte begann im Aladin, der Kulturstätte in Hemelingen. Dort bestimmte Sieberg von 1979 bis 1985 als Rock-Diskjockey, was aus den Boxen kam. Der Plattensammler macht sein Hobby zum Beruf und bewegte sich aus Bremens Randbereich immer mehr ins Zentrum. Sieberg wagte den Schritt in die Selbstständigkeit und eröffnet 1991 beim Steinernen Kreuz im Ostertor seinen ersten Plattenladen. Der gebürtige Ostfriese Fecker machte mit. Bis heute.
„Ein Geschäft im ersten Stockwerk zu betreiben ist immer eine besondere Herausforderung“, sagt Norbert Fecker. Um genügend Kunden in den Laden zu bewegen, setzen er und Sieberg auf Aktionen, Kommunikation und Erlebnisse. „Wir haben uns unser Zielpublikum erarbeitet“, sagt Fecker. Mit Werbekampagnen, mit Künstlern, kleinen Konzerten, Autogrammstunden oder großen, exklusiven Plattensammlungen ziehen sie die Sammler an.
„In den sozialen Netzwerken ist Norbert unser Grüßaugust“, sagt Sieberg. Er spielt damit auf die wöchentlichen Fotos an, auf denen sein Freund und Kollege Fecker mit Kostümen und in kuriosen Posen Plattencover nachstellt. Sieberg selbst ist auf Veranstaltungen und Festivals in der ganzen Welt unterwegs, wenn es die Corona-Pandemie nicht gerade verhindert. Mittag machen die beiden am liebsten in der Mühle am Wall. Dort haben sie Ruhe und einen abwechslungsreichen Mittagstisch.
In der Obernstraße über dem Optiker Fielmann war von 1999 bis 2005 die Eingangssituation durch ein Treppenhaus schwierig, die Miete hoch. Im Lloydhof war Hot Shot Records auf drei Räume – für Platten, für DVDs und fürs Lager – mit drei Eingängen verteilt. Jetzt in der Knochenhauerstraße ist der Eingang wieder versteckt in einem Durchgang. Vor allem für Kunden aus dem Umland, die mit dem Auto kamen, war es also nie einfach, das Geschäft zu erreichen.
Wenn jetzt das Parkhaus Mitte wegfällt, wird die Situation schwieriger. Rund 30 bis 50 Prozent der Plattenkäufer bei Hot Shot kommen laut den Betreibern von außerhalb, aus einem Radius von gut 200 Kilometern. Die Erreichbarkeit sehen die beiden Chefs als wichtigen Faktor. Nicht nur für die Kunden, sondern auch für die Anlieferung von ganzen Europaletten voll mit Vinyl. Es reiche bei der Stadtplanung nicht aus, nur an Fußgänger und Radfahrer zu denken. Auch wenn ein Großteil der Angestellten bei Hot Shot mit dem öffentlichen Nahverkehr oder mit dem Fahrrad zur Arbeit kommt.
Die Probleme der Innenstadt sind für Fecker und Sieberg vielschichtig: Zu hohe Mieten, eine starke Fluktuation in der Geschäftswelt, mangelnde Sauberkeit in der Stadt oder mangelnde Werbemöglichkeiten für kleinere Geschäfte nennen sie. Für ein Dreibein mit Werbung in der Knochenhauerstraße müssten sie zu viel Geld zahlen. „Oberzentren benötigen einzigartige Läden“, sagt Sieberg. Das Anfassen, das Fühlen, die Erlebnisse, den Kontakt zwischen Verkäufern und Kunden sowie das Besondere brauche es, um gegen den „eiskalten“ Bestellprozess im Internet anzukommen.
„In die Stadt muss wieder mehr Leben rein“, sagt Fecker. Durch die Corona-Krise und Home-Office würden in Zukunft viele Menschen nicht mehr in den Büros der Stadt arbeiten. Diese Flächen müssten mit Wohnungen belegt werden. Derzeit sei es ein Trauerspiel mit vielen leeren Geschäften, mit dem immer gleichen Mix und Angebot wie in vielen anderen Städten. „Die Zeiten von Konsumtempeln sind vorbei, es fehlt das Einzigartige, das Besondere“, sagt Fecker.
Dennoch wollen beide Geschäftsführer, gerade auch vor dem Hintergrund der Pandemie und der zukünftigen, weltweit sich veränderten Lebensbedingungen, das Positive betonen: „Die Bremer City ist tendenziell eine schöne Innenstadt“, sagt Fecker, „die mit vielen Vorteilen punkten kann, wie zum Beispiel dem Rathaus und dem Dom als Weltkulturerbe, dem Schnoorviertel, als Stadt am Fluss und mit einem citynahen Flughafen.“ Das i-Tüpfelchen könnte dann eine Innenstadt erfahren, wenn konzeptionell die Punkte Arbeiten, Wohnen und Leben unter den sich verändernden Lebensbedingungen in einer digitalisierten Welt Berücksichtigung finden.