Die Zahl der Corona-Patienten auf den Intensivstationen steigt bundesweit wieder an. Am 1. September wurden dort 1128 Kranke behandelt. Der bisherige Höchststand während der Pandemie betrug Anfang Januar gut 5700 Schwerkranke. Eine neue Studie der Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) legt nahe, dass eine Überlastung des Gesundheitssystems in der vierten Welle später eintritt. Momentan droht in den Kliniken in Bremen und Niedersachsen keine Überlastung. Klinikvertreter aber rufen dringend zum Impfen auf.
Situation aktuell noch gut beherrschbar
Die Situation in den Krankenhäusern sei aktuell noch gut zu beherrschen, auch wenn die Belegung zugenommen habe, heißt es aus dem Bremer Gesundheitsressort. „In den letzten Tagen und Wochen haben wir einen Anstieg bei den Neuaufnahmen gesehen“, sagt Behördensprecher Lukas Fuhrmann. Die Situation sei anders als noch im Winter. Behandelt würden fast ausschließlich Personen ohne vollständigen Impfschutz. Eine Überlastung sei derzeit nicht in Sicht. Dennoch müsse man die Belegung der Kliniken eng begleiten.
In Niedersachsen verzeichnen die Krankenhäuser ebenfalls wieder mehr Covid-Fälle. Doch laut dem Gesundheitsministerium in Hannover ist die Lage „noch sehr gut beherrschbar“: Derzeit seien 3,7 Prozent aller niedersächsischen Intensivbetten mit Corona-Patienten belegt, so ein Sprecher. „Die niedersächsischen Krankenhäuser sind für eine vierte Welle gerüstet“, sagt auch Helge Engelke, Direktor der niedersächsischen Krankenhausgesellschaft. Dennoch müssten jetzt die Weichen für den Herbst gestellt werden, um eine Überlastung zu vermeiden.
In ihrer Studie haben die Intensivmediziner die Belegung der Krankenhäuser simuliert und mehrere Szenarien durchgerechnet. Bei der pessimistischen Variante liegen die Impfquoten mit 70 bis 75 Prozent bei den mittleren Altersgruppen etwa auf der Linie der augenblicklichen Entwicklung. Demnach würde heute bei Inzidenzen von 300 bis 400 die hohe Januar-Zahl an Schwerkranken erreicht. Damals lag die Inzidenz bei etwa 140. In diesem Herbst führe erst eine höhere Inzidenz dazu, dass die Intensivbetten stark belegt werden, sagt Studienautor Andreas Schuppert. Der wesentliche Grund: Die Impfungen schützen vor schweren Verläufen. „Nur wenige Prozentpunkte in der Impfquote haben eine erhebliche Auswirkung auf die potenzielle Intensivbelegung“, erklärt Mitautor Christian Karagiannidis.
Doch in einigen Regionen werde die Pandemie wieder Auswirkungen für die Intensivstationen haben, so Divi-Präsident Gernot Marx: „Damit es nicht zu einer Überlastung der Stationen und des Personals kommt, müssen wir aufs Impftempo drücken.“ Insgesamt verfügen die deutschen Krankenhäuser über gut 22.000 Intensivbetten mit Personal. Weitere 10.000 Plätze stehen in Reserve. Im Normalzustand sind die Stationen indes beispielsweise durch Herzinfarkt- und Krebskranke stark ausgelastet. Kommen Tausende Covid-Fälle hinzu, wird es schnell eng.
Aktuell keine Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems
„Die Impfungen zeigen ihre Wirkung, weit über 90 Prozent der Covid-Intensivpatienten sind ungeimpft“, sagte Gerald Gaß, Präsident der Krankenhausgesellschaft. Trotz steigender Patientenzahlen sieht er aktuell keine Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems.
Ähnlich äußert sich Rolf Schlüter, Sprecher der Gesundheit Nord (Geno) in Bremen: „Wir sind weit entfernt von einer Überlastung, die Lage ist derzeit extrem entspannt.“ Momentan würden 25 Covid-Patienten in den städtischen Kliniken behandelt, fünf auf Intensivstationen. Auf den normalen Stationen gebe es zwar einen Anstieg der Covid-Patienten, dabei handele es sich aber nicht um schwere Verläufe. Behandelt würden vor allem Patienten im Alter unter 40 Jahren und Ungeimpfte. „Ich glaube, dass wir nicht wieder in eine richtige Welle rutschen, wir sind in Bremen beim Impfen wirklich gut aufgestellt“, so der Sprecher.
Vorsichtiger beurteilt Walter Klingelhöfer die Lage für die freien Kliniken in Bremen: „Es gibt wieder mehr Covid-Patienten, derzeit haben wir meist vier bis sieben Erkrankte pro Haus“, sagt er. „Die Folgen der derzeitigen Inzidenzen sehen wir erst in anderthalb Wochen. Wir sind sicher gut beraten, vorsichtig mit der Situation umzugehen.“